Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Höfesterben

Auch Hofsterben; eine durch strukturelle Ursachen bedingte, massenhafte Aufgabe von (zumeist kleineren) landwirtschaftlichen Betrieben. Eine häufige Ursache ist mangelnde Wirtschaftlichkeit (Rentabilität). So müssen landwirtschaftliche Betriebe beispielsweise aufgeben, weil sie im Vergleich zu anderen Wettbewerbern eine geringere Produktivität bei der Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aufweisen. Dann laufen sie Gefahr, dass der Preis, der beim Verkauf der Erzeugnisse erzielt wird, die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion nicht deckt. Weitere Ursachen sind alternative Erwerbsmöglichkeiten, die u. a. ein höheres und sichereres Einkommen versprechen. Zum Problem wird heute vielfach auch die fehlende Hofnachfolge, also die fehlende Bereitschaft der nachfolgenden Generation, den Hof zu übernehmen.

Die Zahl der Betriebe in Deutschland ist seit Mitte der 1990er-Jahre um die Hälfte geschrumpft. Ein Drittel der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gingen verloren.

Eine Entwicklung, von der auch alle übrigen EU-Länder betroffen sind: In einem Zeitraum von nur zehn Jahren, zwischen 2003 und 2013, sind EU-weit ein Drittel aller Bauernhöfe verschwunden. Fast alle dieser Betriebe bewirtschafteten weniger als zehn Hektar und waren damit zu klein zum Überleben: Ihre Erträge deckten – wegen der anhaltend niedrigen Lebensmittelpreise – kaum die Kosten der Produktion.

Ihre Flächen übernahmen meist größere Betriebe. Die Hälfte des kompletten Agrarlandes der EU wird heute von drei Prozent aller Betriebe bewirtschaftet. Die Folgen: Verlust von Arbeitsplätzen, intensive Produktionsmethoden, weniger Produkt- und Artenvielfalt auf dem Acker.

Die umfangreichen Agrarsubventionen konnten die Aufgabe von Betrieben in der Vergangenheit nicht aufhalten. Im Gegenteil, der Subventionspolitik der EU wird von Kritikern eine Mitschuld am Höfesterben gegeben: Es seien nicht zuletzt die Direktzahlungen an die Landwirte aus der sogenannten ersten Säule. 70 Prozent dieser Gelder sind direkt an Flächen gekoppelt. Wer viel hat, bekommt demnach viel. Das steigert den Anreiz, zu wachsen – also etwa Flächen von kleineren Betrieben aufzukaufen, die aufgeben mussten. Zwar erhalten seit der letzten Reform der GAP im Jahr 2013 auch kleinere Betriebe mehr Geld. Doch reiche das nicht aus, um das Höfesterben aufzuhalten. (Agraratlas 2019)

In geschichtlicher Hinsicht ist das heutige Höfesterben insbesondere eine Folge der agrartechnischen Revolution im 19. und 20. Jahrhundert und der Industrialisierung der Landwirtschaft während der letzten Jahrzehnte. Diese Entwicklungen waren von Mechanisierung (durch Innovationen in der Landtechnik) und Chemisierung (etwa durch Einführung synthetischen Stickstoff-Düngers) geprägt. Die sich aus ihnen ergebenden Möglichkeiten, die Produktivität zu steigern, bestimmten fortan den Wettbewerb und die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe.
Höfesterben verändert die Agrarstruktur eines Gebiets. Im Weiteren ergeben sich Auswirkungen auf die Sozialstruktur (Sozialbrache) und den Naturhaushalt sowie auf das Orts- und Landschaftsbild.

(s. a. Wachsen oder Weichen)

Weitere Informationen:

Pfeil nach linksHofbauerHausIndexHofformenPfeil nach rechts