Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Bodenreform

Eine Reform der Agrarsozialstruktur unter Einschluss einer Änderung der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden. Maßnahmen zur Veränderung der Besitzstruktur können durch Enteignungen, freiwilligen Landverkauf oder Landschenkung erzielt werden. Unterscheidbar sind einerseits Reformen, die von unten durch Maßnahmen, die von Bauerngruppen, z.B. durch Besetzung von Flächen, erreicht werden und andererseits die Reformen von oben, bei denen durch revolutionäre Veränderungen, z.B. Regierungswechsel, oder durch geplante Maßnahmen von Regierungen neue Agrarstrukturen geschaffen werden.
Bodenreformen lassen sich auf drei Grundtypen zurückführen, die als Reinform oder als Mischform auftreten können:

  1. Schaffung individualwirtschaftlicher Familienbetriebe, oft gekoppelt mit dem Versuch, Bauern zu freiwilligem Zusammenschluß in Genossenschaften zu bewegen.
    Es werden Besitzgrößen angestrebt, die einer Familie ein "ausreichendes" Einkommen aus der Landwirtschaft sichern. Dieses kann sich z.T. an relativ hohen Einkommensmaßstäben (Lateinamerika) orientieren oder auch am Existenzminimum (afrikanische und asiatische Entwicklungsländer).
    Bodenreformen dieses Typs, die nennenswerte Flächenanteile des privaten Landbesitzes betrafen und größere Bevölkerungsanteile begünstigten, wurden nur in Japan (ab 1946), Südkorea (ab 1945), Taiwan (1949-53) und in Ägypten (ab 1952) durchgeführt.
  2. Zusammenschluss der Landbevölkerung zu Produktionsgenossenschaften (kollektiver Landbesitz und gemeinsame Landbewirtschaftung) sowie Anlage großer Staatsbetriebe mit Lohnarbeitsverfassung.
    Die Einführung sozialistischer Agrarsozialreformen - wenn auch in weiten Teilen der Erde bereits wieder Historie - begann mit der Umgestaltung der Landwirtschaft in der früheren UdSSR (ab 1928). Es folgten Mongolei (ab Anfang 30er Jahre), Ostdeutschland und östliches Europa (ab 1945), Nordkorea (ab 1946), China (ab 1949), Nordvietnam (ab 1954), Kuba (1959), Algerien (ab 1972), Kambodscha-Laos (ab 1975), Äthiopien (ab 1975), Südjemen (ab 1978). Produktivitätshemmende Effekte von unflexibler Planung, Überbürokratisierung und Unterdrückung bäuerlicher Privatinitiative waren und sind (Kuba, Nordkorea) überdeutlich.
  3. Kollektivistische Reformen in Anlehnung an traditionelle Agrarverfassungen.
    Dieser Typ ist vor allem in Mexiko (ab 1917; Schaffung von Ejidos) und Tansania (ab 1967; Ujamaa-Konzept) verwirklicht.

Mischformen der Bodenreform sind besonders in Peru realisiert, wo die 1969 begonnene Agrarreform versuchte, individualwirtschaftliche, sozialistische und traditionell-kollektivwirtschaftliche Elemente zu verbinden.
Die im Herbst 1945 einsetzende Bodenreform auf dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) hatte sowohl ideologische Gründe wie auch Ursachen, die in der Notlage der Bevölkerung (Einheimische und Flüchtlinge) und der darniederliegenden Nahrungsmittelproduktion lagen. Unter der Losung "Junkerland in Bauernhand" wurden alle Eigentümer von Betrieben über 100 ha Größe und der Grundbesitz von "aktiven Nazis und Kriegsverbrechern" entschädigungslos enteignet. Dabei mußten alle Besitzer ihre Höfe und Heimatkreise in oftmals kürzester Zeit verlassen, die Räumung erfolgte häufig mit großer Brutalität.
Zum Abschluß der Bodenreform waren 3,3 Mio. ha Land (einschl. 1 Mio. ha Wald) dem staatlichen Bodenfonds zugeführt worden. Damit waren über 50 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen, und das stark konzentriert in den nördlichen Ländern, in die Bodenreform einbezogen worden.

Anteile des Bodenreformlandes an der land- und forstwirtschaftlichen Gesamtfläche nach Ländern
Mecklenburg-Vorpommern 54 % Brandenburg 41 % Sachsen-Anhalt 35 %
Sachsen 24 % Thüringen 15 %

Aus dem Bodenfonds gingen die späteren Volkseigenen Güter (VEG) mit ca. 1,1 Mio. ha Land hervor. Die weitere Aufteilung kann der folgenden Tabelle entnommen werden.

Die Empfänger von Land aus dem staatlichen Bodenfonds der Sowjetisch Besetzten Zone
(Stand 1.1.1949)
Die Empfänger von Land aus dem staatlichen Bodenfonds der Sowjetisch Besetzten Zone (Stand 1.1.1949)

Quelle: Merkel und Schuhans 1963

Bei Preisen von 200 RM für einen Sack Kartoffel oder 100 RM für ein Brot konnten die Neubauern zunächst überleben, auf längere Sicht waren die Betriebe mit durchschnittlich 8 ha zu klein ausgelegt. Die Mehrzahl konnte später wegen der schwachen wirtschaftlichen Basis um so leichter in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gezwungen werden.
Demgegenüber gab es auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich Ansätze zu einer Bodenreform, die Betriebe mit über 100 ha betraf.

(s. a. Agrarpolitik)

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