Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Baumwolle

Die Baumwollpflanze (Gossypium) oder kurz Baumwolle (engl. cotton, franz. coton) ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Malvengewächse (Malvaceae). Es gibt etwa 20 bis 51 Arten in den Tropen und Subtropen.

Geschichte

Textilien aus Baumwolle kleiden die Menschen schon seit vielen Jahrtausenden. Dies beweisen Reste von Baumwollkapseln und Baumwolltextilien, die in einer Höhle bei Tehuacán in Mexico entdeckt und auf die Zeit 5.800 v. Chr. datiert wurden. In der Alten Welt stammen die ältesten Funde (um 3.000 v. Chr.) an Baumwollgeweben und Baumwollschnüren aus der Gegend des heutigen Pakistan. Im Indusdelta sollen sich auch die ersten angelegten Baumwollfelder befunden haben. In Europa ging im 19. Jahrhundert der Flachsanbau zur Herstellung von Leinen stark zurück, weil Baumwolle die heimische Naturfaser ersetzte. Im 20. Jahrhundert machten dann Polyesterfasern der Baumwolle Konkurrenz. Anfang des 21. Jahrhunderts wurden erstmals weltweit mehr Textilien aus Kunstfasern hergestellt als aus Baumwolle.

Biologie

Aus den Samenhaaren wird die Baumwollfaser, eine Naturfaser, gewonnen. Die Blüte der Pflanze sieht der bei uns wachsenden Stockrose (Pappelrose) und dem Rosen-Hibiscus sehr ähnlich. Nach der Blüte verwandelt sich der im Kelch sitzende Fruchtknoten zu einer eiförmigen Kapsel, die aufspringt und ihre Samenhaare herausquellen lässt. Eine Baumwollkapsel enthält rund 30 Samen, an jedem Samen sitzen 2.000 bis 7.000 Samenhaare. Je nach Art, Klima und Kulturmethode erreicht die Baumwollpflanze eine Höhe von 25 cm bis über 2 m. Sie wird vor allem als strauchhohe, einjährige Pflanze gezogen. Nur in wenigen Gebieten (Peru und Nord-Brasilien) wächst Baumwolle noch an mehrjährigen Sträuchern.

Die Zeitspanne von der Aussaat bis zur Reife beträgt zwischen 175 und 225 Tagen. Die Pflanze benötigt bei der Aussaat Feuchtigkeit und im Stadium der Reife viel Wärme. Die geerntete Baumwolle wird zum Nachreifen und Trocknen rund 30 Tage gelagert und kommt dann in die Entkörnungsfabriken (Gins), wo die Fasern von den Samenkörnen getrennt werden. Aus 100 kg Saatbaumwolle erhält man etwa 35 kg Fasern.

Eigenschaften der Baumwollfaser

Rohbaumwolle wird nach Farbe, Reinheit, Faserlänge (Stapel), Feinheit, Festigkeit und Gleichmäßigkeit gehandelt. Manche Sorten sind im Griff hart und rau, andere dagegen seidig weich. Farblich wird Rohbaumwolle eingestuft in „weiß“ (white), „leicht gelblich“ (creamy), „leicht fleckig“ (light spotted) und „fleckig“ (spotted). Es gibt auch Sorten, die gelbbräunlich erscheinen, sowie farbig gewachsene in Grün- und Brauntönen. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal ist die Stapellänge.

Die feinsten und längsten Baumwollfasern haben im Verhältnis zu ihrem Querschnitt auch die größte Festigkeit, eine Eigenschaft, die für das Spinnen feinster Baumwollgarne sehr wertvoll ist. Die Baumwollfaser lässt sich sowohl im trockenen wie im nassen Zustand um 8-10% dehnen, ihre Nassfestigkeit ist höher ist als die Trockenfestigkeit.

Produkte

Hauptabnehmer für Baumwolle ist die Textilindustrie. Mit einem Mengenanteil von etwa 33 Prozent an der weltweiten Produktion von Textilfasern (einschließlich anderer Naturfasern und Chemiefasern) und einem Mengenanteil von etwa 75 Prozent an den Naturfasern ist Baumwolle die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Naturfaser für Heim- und Bekleidungstextilien.

Außer in der Textilindustrie finden Baumwollfasern aber auch in vielen anderen Bereichen Verwendung, beispielsweise als Verbandsmaterial in der Medizin sowie bei Kosmetik und Hygiene als Watte oder Wattestäbchen.

Fischernetze, Seile und Taue bestehen häufig ganz oder teilweise aus Baumwollfasern, ebenso Zelte, Planen und Persennings. Früher wurden auch Feuerwehrschläuche aus Baumwolle gefertigt.

Aus den sehr kurzen, nicht verspinnbaren Fasern, den „Linters“, die an den Baumwollsamen haften und fast ausschließlich aus Cellulose bestehen, werden verschiedene Lebensmittelzusatzstoffe wie Cellulose E 460 oder Methylcellulose E 461 gewonnen. Sie dienen der Lebensmittelwirtschaft als Verdickungsmittel, Stabilisatoren, Emulgatoren oder Füllstoff.

Hauptabnehmer für Baumwoll-Linters als Nachwachsender Rohstoff ist die Papierindustrie. Aus ihnen werden vor allem hochwertige, reißfeste Papiere hergestellt, etwa für Geldscheine.

Baumwolle wird auch als Verstärkungsfaser für naturfaserverstärkte Kunststoffe eingesetzt. Haupteinsatzgebiet hierfür sind duroplastische Verbundwerkstoffe vor allem für Lkw-Fahrerkabinen.Durch ihre hohe Dehnfähigkeit ermöglicht die Beimischung von Baumwollfasern zu anderen Naturfasern eine deutliche Verbesserung der Schlagzähigkeit dieser Werkstoffe.

In Form von Nitrocellulose dient Baumwolle zur Herstellung von Munition und Sprengstoff.

Nach der Ernte werden die Fasern von den eiweiß- und fettreichen Samen abgetrennt. Bei diesem Verarbeitungsschritt fallen verschiedene Koppelprodukte an, die als Lebens- und Futtermittel genutzt werden: Das hochwertige Baumwollsaatöl findet im raffinierten Zustand Verwendung als Speise- oder Frittieröl sowie in Margarine. Das Öl ist ferner ein Grundstoff in der kosmetischen Industrie und kann auch als Brennstoff genutzt werden.

Das eiweißreiche Schrot wird vor allem als Tierfutter verwendet. Es ist aber auch Grundstoff für Eiweißpräparate und -isolate sowie Baumwollsaatmilch.

Der nach dem Auspressen des Öls verbleibende Ölkuchen dient häufig als eiweißreiches Viehfutter, wird jedoch aufgrund seines hohen Gossypolgehalts nur an ausgewachsene Wiederkäuer verfüttert. Die Samen können zu zirka 20 Prozent Öl und 50 Prozent Baumwollsamenkuchen gepresst werden. Schalen bilden den Rest.

Anbau

Baumwolle gedeiht gut auf schweren Böden. Sehr geeignet sind Vertisole. Sie ist bezüglich des Nährstoffgehaltes nicht sehr anspruchsvoll. Wichtig ist aber eine ausreichende Wasserversorgung (600 bis 1200 Millimeter während der Wachstumsperiode). In niederschlagsarmen Gebieten sind die Baumwollkulturen daher von künstlicher Bewässerung abhängig.

Viele Baumwoll-Arten und -Sorten sind von Natur aus ausdauernde Pflanzen, werden aber als einjährige Pflanzen kultiviert. Als Kulturpflanze belässt man sie in der Regel nur für ein Jahr auf dem Feld, um den höchsten Ernteertrag zu erzielen. Nach der Ernte bzw. nach einer Frostperiode werden die Pflanzen dann meist abgeschlegelt und zur Gründüngung in den Boden eingearbeitet. In brennstoffarmen Regionen dienen die abgestorbenen, trockenen Pflanzenteile auch als Brennmaterial.

Heute wird Baumwolle – als nachwachsender Rohstoff – auf allen fünf Kontinenten angebaut. Hierzu werden Baumwollpflanzen verwendet, die durch Züchtung mehr Fasern produzieren als die Wildpflanze. Transgene Baumwolle erleichtert die Schädlings- und Unkrautbekämpfung und wurde 2010 auf etwa zwei Dritteln der weltweiten Baumwollanbaufläche angepflanzt. Baumwollkapselbohrer und Baumwollkapselkäfer gehören zu den wichtigsten Baumwollschädlingen in Amerika.

In der nördlichen Hemisphäre findet die Aussaat abhängig vom Standort zwischen Anfang Februar und Anfang Juni statt. Die Ernte erfolgt zwischen Oktober und Februar. Zwischen Aussaat und Ernte liegen rund acht bis neun Monate. Da die Baumwolle oft ungleichmäßig abreift, wird häufig mehrmals geerntet. Große Kulturflächen werden zumeist von Baumwollerntern maschinell abgeerntet, bei kleinen Anbaufeldern und in weniger entwickelten Staaten erfolgt die Ernte oft noch mit der Hand. Manche Pflückmaschinen können nur laubfreie Pflanzen abernten, so muss entweder der erste Frost abgewartet, oder chemische Entlaubungsmittel müssen eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die niedrig wachsenden windresistenten Sorten (storm proof cotton), die überwiegend in Texas angebaut werden.

Handgeerntete Baumwolle ist bezüglich Reife und Schmutzgehalt fast immer von höherer Qualität als maschinell geerntete. Dies liegt daran, dass Vollernter auch unreife und überreife Kapseln erfassen, während per Hand nur die reifen Faserbüschel ausgezupft werden. Problematisch für die Ernte ist die langgezogene Blütezeit, weil dadurch auch die Kapseln über einen Zeitraum von mehreren Wochen versetzt reifen. Überreife Baumwolle ist genauso wie unreife qualitativ minderwertig. Maschinelle Einmalernten sind daher immer ein Kompromiss aus überreif, reif und unreif. Die Handpflücke ist genauer, benötigt aber viele Arbeitskräfte, da mehrere Durchgänge notwendig sind.

Die lange Wachstumszeit der Baumwolle erfordert nach der Ernte eine rasche Feldbestellung und Neuaussaat. Daher ist der Anbau von Zwischenfrüchten zur Verbesserung der Bodenqualität und zur Unterdrückung von Unkräutern kaum möglich. Die Konsequenzen sind der Verlust der Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität. Besonders auf großen Flächen wird Baumwolle oft ohne Fruchtwechsel mit anderen Nutzpflanzen angebaut. Infolge dieser Monokulturen ist die großflächige Baumwollproduktion stark von Pflanzenschutzmitteln abhängig. Baumwolle gilt als das landwirtschaftliche Produkt mit dem höchsten Einsatz an Chemikalien. Auf Baumwolle entfielen 1999/2000 etwa elf Prozent des weltweiten Pestizidmarktes. Daher gilt sie unter Umweltschutzaspekten als sehr bedenklich.

Auch der hohe Wasserverbrauch ist problematisch. Er richtet sich nach dem Klima, der Bodenbeschaffenheit und ob die Anpflanzung im Regenfeldbau oder mit künstlicher Bewässerung erfolgt. Für die Menge Baumwolle zur Produktion eines T-Shirts können bis zu 2.000 Liter Wasser benötigt werden. Aufgrund dieses hohen Wasserbedarfs erfolgen 75 Prozent des weltweiten Baumwollanbaus auf künstlich bewässerten Feldern. Besonders bekannt wurde in diesem Zusammenhang der Aralsee, der einst viertgrößte See der Erde. Die Entnahme großer Wassermengen aus seinen Zuflüssen für den Baumwollanbau hat seit den 1960er Jahren während der sowjetischen Kolchosenwirtschaft zu einer weitreichenden Versalzung und letztendlich zum fast vollständigen Verschwinden des Sees geführt. Satellitenaufnahmen dokumentieren diesen Vorgang (Shrinking Aral Sea 2018).

Einige Baumwollbauern setzen auf ökologischen Anbau, so dass es heute auch Bio-Baumwollprodukte auf dem Markt gibt. Anfang 2010 wurde die Textilbranche von groß angelegtem Betrug mit angeblicher Biobaumwolle erschüttert, ein großer Teil der aus Indien stammenden Biobaumwolle wurde gentechnisch verändert.

Baumwollanbau weltweit - Saison 2015/16
Baumwollanbau weltweit - Saison 2015/16

Quelle: Bremer Baumwollbörse

Produzenten

Die weltweit bedeutendsten Baumwollproduzenten sind die Volksrepublik China, Indien, die USA, und Pakistan.

Derzeit wird Baumwolle lediglich in drei EU-Mitgliedsländern auf ca. 300.000 ha Fläche angebaut. Griechenland ist mit 80 % der europäischen Anbaufläche der wichtigste Baumwollerzeuger (Platz 9 der Weltrangliste), gefolgt von Spanien (vor allem Andalusien) mit einem Anteil von 20 %.  In Bulgarien wird Baumwolle auf weniger als 1.000 ha angebaut. In Italien wurde der Baumwollanbau 1991, in Portugal 1996 eingestellt. Für 2013 wird die Baumwollerzeugung der EU auf weniger als 300 000 t geschätzt, was nur 1 % der weltweiten Baumwollerzeugung entspricht. Die Türkei wird hier zu den asiatischen Nationen gezählt, da die Hauptanbauflächen in Asien liegen.

Obwohl Baumwolle wertmäßig weniger als 2 % der landwirtschaftlichen Erzeugung in der EU ausmacht, ist sie in den beiden Haupterzeugungsländern von großer regionaler Bedeutung.

Der EU-Markt ist vollständig offen für Baumwolle, da keinerlei Einfuhrzölle oder Ausfuhrsubventionen angewandt werden.

Generell lässt sich sagen, dass die meiste Baumwolle geographisch gesehen zwischen den 43 Grad nördlicher und 36 Grad südlicher Breite gelegenen tropischen und subtropischen Gebieten Mittelamerikas, Indiens und Asiens – dem sog. Baumwollgürtel, angebaut wird.

Weitere Informationen:

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