Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

agrarindustrielles Unternehmen

Eine nach industriewirtschaftlichen Prinzipien, d.h. rationell mit Hilfe moderner Agrartechnik, großer Kapital- und Energieintensität und mit dezentralem, hierarchischem Management betriebene Landwirtschaft großen Stils (große Flächen, bzw. große Tierbestände) und großer Produktionsmengen, bei der wissenschaftliche Erkenntnisse gezielt genutzt werden. Der Einsatz betriebsfremder Arbeitskräfte ist die Regel. Der eigentliche Bereich der häufig standardisierten Urproduktion ist dabei gewöhnlich eingebunden in ein System vertikaler Integration vor- und nachgelagerter Produktionsschritte und verfolgt höchste ökonomische Effizienz. Solche (räumlichen) Verbundsysteme weist eine hohe Kongruenz zu industriellen Verbundsystemen auf und benötigen eine ausgefeilte Logistik bis hin zur just-in-time-Anlieferung.

Agrarindustrielle Unternehmen bildeten sich zunächst nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA. Zwar war diese Entwicklung anfänglich auf einige Produktionszweige beschränkt (Hühnerhaltung, Rindermast, Gemüseanbau), breitete sich dann jedoch auf weitere Bereiche aus. Voraussetzung für diesen Prozeß waren neben agrartechnologischen Entwicklungen, Kapitalverfügbarkeit, verbesserten Transportmöglichkeiten auch rechtliche und steuerliche Voraussetzungen. Von besonderer Bedeutung war das Eindringen von Fremdkapital, das von Futtermittelherstellern, Hybridzuchtunternehmen, Schlachtereien, Geräteherstellern und der Nahrungsmittelindustrie aufgebracht wurde. Die Integration vollzog sich folglich nach unten wie auch nach oben.

Nach 1960 kam es im SW der USA und in Florida zu einem verstärkten Engagement von nichtlandwirtschaftlichen Großunternehmen. Für das Eindringen großer Konzerne (u.a. Coca Cola, Kaiser Aluminium, Tenneco, Getty Oil) in den Agrarsektor gab es drei Gründe: Landspekulationen, Steuerflucht und Kontrolle des Marktes durch Entwicklung vollintegrierter Nahrungsketten.

Neben dem Zufluss von Fremdkapital spielten die Aktivitäten von Unternehmerpersönlichkeiten und die von Farmergenossenschaften eine wesentliche Rolle beim Aufbau von agrarindustriellen Unternehmen.

In Deutschland vollzog sich der Aufbau vergleichbarer Strukturen in den sechziger Jahren zunächst in einer eng begrenzten Agrarregion, nämlich in Südoldenburg. Das dortige Entstehen vertikal integrierter Unternehmen in der Hühnerhaltung wurde maßgeblich von Hybridzuchtunternehmen und Geräteherstellern aus den USA beeinflusst. Auch hier spielten Unternehmerpersönlichkeiten eine große Rolle.

Im Bereich der Kälber-, Bullen- und Schweinemast ist eine volle Integration bislang noch nicht erfolgt, wenngleich auch hier mehrstufige Unternehmen (Mast und Schlachterei, Zucht und Mast) vorhanden sind.

(s. a. Agribusiness, industrialisierte Landwirtschaft)

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