Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Wässerwiesen

Wiesenflächen unterschiedlicher Größe, denen von natürlichen Bach- oder Flußläufen oder von Kanälen, Gräben und Rinnen Wasser so zugeführt und darauf verteilt wird, daß eine gleichmäßige Befeuchtung erfolgt. Gleichzeitig bewirkt das aufgebrachte Wasser eine gleichmäßige Verteilung von auf der Grasfläche befindlichen Dungstoffen.

Diese heute nur noch selten praktizierte Bewirtschaftungsform geht bis ins Hochmittelalter zurück. Im 12. Jahrhundert gab es z. B. schon Wässerungsanlagen im unteren Wiesetal (Südschwarzwald) oder auch in Isny im Allgäu.

Gleichfalls ist die meist genossenschaftlich organisierte Wiesenbewässerung im Großraum Schwabach-Nürnberg-Erlangen-Forchheim seit dem Mittelalter belegt und dient der Ertragssteigerung bei Gras, Heu und Grummet auf den sandigen, wasserdurchlässigen und nährstoffarmen Böden des vergleichsweise niederschlagsarmen Mittelfränkischen Beckens. Über Grabensysteme und Wehre gelangt das Wasser aus den Fließgewässern auf die Wiesen, teilweise werden von der Strömung angetriebene Wasserschöpfräder eingesetzt. Die seit Jahrhunderten kultivierten Wässerwiesen zeichnen sich durch eine hohe Biodiversität aus und haben wichtige Funktionen für das Stadtklima und die regionale Kulturlandschaft.

Der Zweck der Bewässerung war die Verbesserung des Wasserhaushalts ('wässernde Bewässerung'), die Verlängerung der Vegetationszeit durch Winterwässerung, die 'Entsäuerung', die Unkraut-und Schädlingsbekämpfung sowie - und zwar primär - die Düngung der Wiesen. Entsprechend spielten Herkunft und Güte des Wässerwassers von jeher eine große Rolle. Man baute eigens Grabensysteme und kleine Weiher, um nährstoffreiches Wasser von Häusern, Straßen und Stallungen zu sammeln (heute abwertend als 'Abwasser' bezeichnet) und zur Ertragssteigerung auf die Wiesen zu leiten. Auch das bei Starkregen ablaufende, schwebstoffreiche Wasser war sehr begehrt.

Heute noch werden in Franken an den Flüssen Rednitz, Regnitz und Wiesent und in deren Seitentälern die Wässerwiesen von den Wässergemeinschaften nach traditionellen Regeln und Techniken über Grabensysteme und Wehre bewässert. Dazu gehören in Franken auch saisonal betriebene Wasserschöpfräder, die von der Strömung angetrieben werden. Ihr jährlicher Auf- und Abbau bewahrt auch Wissen um historische Holzbautechniken. Im 18./19. Jh. drehten sich jeden Sommer ca. 250 Wasserschöpfräder zwischen Schwabach und Forchheim.

Aus den wechselfeuchten Wiesen entwickeln sich kleinteilige Strukturen mit hoher Biodiversität. Dies trägt zur Revitalisierung der Flusstal-Kulturlandschaft bei. Die erfolgreiche Ansiedlung von Störchen verdeutlicht den Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Kulturtechnik und Natur.

Die genossenschaftliche Organisationsform und das Patensystem der Wasserradgemeinschaft ermöglichen die Weitergabe aller erforderlichen Techniken. Dabei profitieren sie auch von grenzüberschreitendem Wissen durch ein europäisches Netzwerk. Die Wässerwiesen sind auch wichtige Naherholungsräume im Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen.

Weitere Informationen:

Pfeil nach linksWasserleitfähigkeitHausIndexwater harvestingPfeil nach rechts