Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Viehtritte

1. Bodenphysikalische und -ökologische sowie pflanzenökologische Wirkeffekte der Tritte von Vieh. Neben der direkten mechanischen Schädigung der Pflanzen wird der Boden verdichtet, was seinerseits wieder Auswirkungen auf die Durchwurzelbarkeit hat. Darüber hinaus hat Verdichtung komplexe Auswirkungen auf u. a. Wärme-, Wasser- und Lufthaushalt des Bodens sowie ökologische Faktoren wie Samenverbreitung. Viehtritt führt besonders bei feuchten Bodenverhältnissen auch zu Schädigungen der Grasnarbe; dabei kann es bis zum Totalausfall der Vegetation kommen. Bestimmte Stellen, wie schattige, windfreie Stellen, Unterstehplätze sowie Lieblingsfressstellen und Tränkeplätze können so zertreten werden, dass eine Nutzung der Areale langfristig ausscheidet. Es besteht ein enger Zusammenhang von Besatzdichte und Anteil von Narbenschäden nach Weidegang im Winter, ein weiterer Faktor ist die Weidedauer.

Die bodenverdichtende Wirkung der Tritte durch Kühe reicht je nach Bodenbeschaffenheit und Durchfeuchtung bis zu einer Tiefe von 10-15 cm. Durch den Tritt wird die Narbendichte gefördert. Außerdem werden auch Samen in den Boden eingetreten und können so leichter keimen.

2. Im Alpenraum auch als Viehgangeln, Kuahwegl, Kuahgangl bezeichnete Kleinstform an steilgeneigten Hängen, die als hangparallele, treppenförmige schmale Grasstufen auftreten. Sie entstehen dadurch, dass das almerfahrene Vieh beim Weiden langsam hangparallel vorwärtsgeht und dabei mit dem Kopf bergwärts frisst. Ab etwa 30 Prozent Hangneigung tritt dieses Verhalten auf. Einmal geprägte Spuren werden in der Folge bevorzugt. Sie wirken in gewissem Umfang geländestabilisierend.

Wahrscheinlich ist die Tatsache, dass Rinder steile Weiden hangparallel beweiden in ihrer Herkunft und Anatomie begründet. Rinder sind ursprünglich Steppentiere und bevorzugen daher überschaubare Ebenen. Im Gebirge bereitet ihr empfindlicher Wiederkäuermagen Probleme. Stehen die Kühe nicht parallel zum Hang, drücken die hangaufwärtigen Mägen auf die hangabwärtigen. Die Futterverwertung wird dadurch empfindlich gestört. Tatsächlich magern Kühe ohne „Bergerfahrung“ auf der Alm oft ab. Sie müssen erst von erfahrenen Tieren lernen, sich parallel zum Hang zu bewegen, um so die Mägen in Balance zu halten.

Die Trittfläche der Viehgangeln ist meist erdig, der Außenrand und der Stufenabfall aber grasbedeckt. Einerseits können Viehtritte die Hangstabilität erhöhen, da sie als Mikroterrassen aufgrund des erhöhten Muldenrückhalts zumindest in der Frühphase eines Regenereignisses abflussverzögernd wirken, und weil sie Schneekriechen verhindern. Andererseits können sie Auslöser von Bodenerosion oder Rasenwälzen sein. Auch stellen sie oft Schurfansatzpunkte für sich bewegende Schneemassen dar (Grundlawinen, Schneerutschungen, Gleitschnee), was zur Bodenerosion führt.
Insbesondere bei stärkerer Ausprägung der mit dem Viehtritt verbundenen Bodenverdichtung besteht die Gefahr des Aufreißens der Grasnarbe, was zu einer erheblichen Steigerung der Erosion, insbesondere in Form von Blaiken führt.

Viehtritte treten dort besonders häufig auf, wo die Hänge infolge Quell-, Hang- oder Grundwasseraustritt feucht sind. Die Ausprägung und damit die erosive Wirksamkeit von Viehtritten kann ferner durch die Nutzung von für die Hangneigung zu schweren Rinderrassen verstärkt werden.

Bei Nässe ist die Erosionsgefahr deutlich erhöht, weshalb die Hirten das Vieh bei einsetzenden Regenwetter von den steilen Hängen in flachere Almbereiche treiben. Heute ist das Vieh jedoch zumeist unbeaufsichtigt auf den Almflächen. Die hirtenlose Sömmerung der Rinder gilt somit als eine wesentliche Ursache der Zunahme der Erosion in den Alpen.

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