Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Lesesteinriegel

Lesesteinriegel, oft auch nur "Steinriegel", entstehen durch das Ablegen von Feldsteinen auf Rainen, die regelmäßig im Frühjahr von den Feldern gesammelt werden. Im Unterschied zu den punktuellen Lesesteinhaufen haben sie einen linienhaften Charakter.

In manchen Regionen wird dabei von „Steinrücken“ gesprochen, die zum Teil bewachsen sein können und eine Flora beherbergen, die an das Kleinklima dieser trockenwarmen, gehölzarmen Standorte angepasst ist.

In Süddeutschland prägen sie das Bild zahlreicher Weinlagen. Je nach Region werden sie auch Steinrasseln, Steinrutschen, Rollmauern oder Karmauern genannt.

Ab dem Spätmittelalter wurde in Deutschland auch auf ungünstigeren Lagen vermehrt Wein angebaut. Dies war nur möglich, wenn die Weinberge (häufig flachgründige Muschelkalkböden) stets gehackt wurden. Größere Steine, die durch Bodenerosion und Frosthebung aus dem Boden traten, wurden häufig in der Falllinie der Hänge entlang der Eigentumsgrenzen aufgehäuft. Dies ist ein möglicher Grund dafür, dass die „Wengerter“ die Wälle in dieser Form anlegten und nicht in Form quer zum Hang verlaufender Terrassen, wie im Steillagenweinbau sonst üblich. Die oft mehrere Meter breiten Ansammlungen hatten den Nebeneffekt, sich tagsüber aufzuheizen und die Wärme nachts wieder abzugeben. Gelegentlich finden sich Steinwälle von ca. 1 m Höhe im rechten Winkel zu den Steinriegeln und parallel zur Hangkante verlaufend. Diese dienten als Barrieren gegen die kalte Luft von den Hochebenen, die durch ihre höhere Dichte in die Täler fließt.

Die Einschleppung der Reblaus im 19. Jahrhundert führte zu einem Rückgang des Weinbaus und zu einer Verringerung der Rebfläche. Durch Abtrag und Nutzung der Steine, die Bebauung von Hanglagen mit Wohngebäuden sowie die Flurbereinigungen verschwanden in der Folge vielerorts die Steinriegel. Wo dies nicht der Fall ist, sind die Steinriegel oft überwachsen, konservieren aber das nutzungshistorisch bedeutsame Geländerelief. Der Boden unter den Steinriegel ist kaum von Erosion betroffen und gibt somit einen Hinweis auf die ursprüngliche Erdoberfläche zu Beginn der Weinbauzeit.

Solange kein Erdreich oder Laub abgelagert wird und keine starke Beschattung durch Gehölze stattfindet, sind Steinhaufen und Steinriegel kleinklimatische Sonderstandorte, die sich auch bei geringer Sonneneinstrahlung rasch erwärmen. Damit können trockenheits- und wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten in Regionen leben, die sonst für sie klimatisch nicht besonders günstig sind. 

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