Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Tabak

Pflanzliches Produkt, das aus den Laubblättern von Pflanzen der Gattung Tabak (Nicotiana) hergestellt wird. Die Gattung Nicotiana zählt wie Kartoffel, Tomate, Paprika, Aubergine und viele andere Nutzpflanzen zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Von den etwa 75 Arten dieser Gattung haben jedoch nur zwei Bedeutung für die Tabakproduktion: Der Virginische Tabak (Nicotiana tabacum) und der Bauern-Tabak (Nicotiana rustica). Die Nicotiana-Arten sind überwiegend in Südamerika heimisch, einige auch in Australien und Nordamerika.

Beschreibung

Tabakpflanzen sind einjährige Kräuter mit lanzettlichen und wechselständigen Blättern. Die Pflanze kann eine Höhe von 2 m erreichen. Die Blütenstände sind mehrfach verzweigte Rispen mit trichterförmigen Blüten, die bei N. tabacum rot und bei N. rustica gelb gefärbt sind.

Inhaltsstoffe

Zu den wichtigsten Bestandteilen des Tabaks zählen: Nicotin (ein farbloses, bei Raumtemperatur flüssiges Alkaloid), Ammoniumsalze, Cellulose und Proteine. In geringen Mengen auch Naturharz, Pflanzenwachs, Stärke, Zucker, Gerbsäure, Äpfelsäure, Zitronensäure, Oxalsäure und die anorganischen Inhaltsstoffe Nitrat, Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen und Chlor. Darüber hinaus reichert sich in den Blättern das radioaktive Element Polonium an. Obwohl noch nicht alle Stoffe bekannt sind, schätzt man, dass z. B. eine Zigarette und ihr Rauch etwa 6.000–12.000 Substanzen enthalten.

Die botanische Bezeichnung Nicotiana und die Bezeichnung für den giftigen Inhaltsstoff, das Nikotin, gehen zurück auf den Franzosen Jean Nicot. Der stellte Mitte des 16. Jahrhunderts erste Versuche mit der Heilwirkung der Blätter an. Das Nikotin, das in den Wurzeln gebildet und in Blättern und Blüten abgelagert wird, dient zur Abwehr von Fraßschädlingen. Wegen des hohen Nikotingehaltes wird Tabak als Droge eingestuft.

Verbreitung

Der Tabak hat seinen Ursprung in Amerika, wahrscheinlich in Nordwestargentinien und Bolivien. Eine wilde Urform des Tabaks ist nicht bekannt. Man geht davon aus, dass N. tabacum aus einer Kreuzung von N. sylvestris und N. tomentosiformis hervorgegangen ist.

Wegen der großen Anpassungsfähigkeit der subtropischen Pflanze wird Tabak bis in die gemäßigten Zonen von 38° südlicher Breite bis 56° nördlicher Breite angebaut. Die wichtigsten Anbaugebiete sind Volksrepublik China, Nord-, Mittel- und Südamerika, Südostasien, Vorderasien/Balkan und Europa.

Für einen lohnenden Anbau eignen sich allerdings nur Regionen, die der Tabakpflanze nicht nur Wärme, sondern auch genügend Feuchtigkeit bieten. Optimal sind Durchschnittstemperaturen von mindestens 15 Grad. Darunter ist das Wachstum gehemmt.

Besonders in den Niedrig- und Mitteleinkommensländern der tropischen und subtropischen Landschaftszonen in Afrika, Lateinamerika und Asien, den Schwellen- und Entwicklungsländern des Südens, nimmt der Tabakanbau zu. Im Zeitraum 1961–2002 ist die Anbaufläche in der „Ersten Welt“ um 60 % gefallen und stieg in der gleichen Zeitspanne in der „Dritten Welt“ um ca. 60 % an. Beispiele für extreme Anbauzunahme ist Malawi mit Verdoppelung und Tansania mit Versechsfachung in 40 Jahren. Der Tabakanbau führt in den afrikanischen Anbaugebieten zu verstärkter Abholzung von Wäldern, Humusabbau des Bodens und starker wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Tabakaufkäufern.

Der Tabakanbau in Europa wurde von der Europäischen Union mit Subventionen von bis zu einer Milliarde Euro jährlich gefördert. Davon entfielen rund 150 Millionen Euro auf den Tabakanbau in Deutschland. Ab 2005 wurden 20 Prozent der EU-Zahlungen gezielt dafür eingesetzt, die Tabakbauern zum Umsteigen auf andere Erzeugnisse zu ermuntern. Im Jahr 2010 wurde die Subventionierung des Tabakanbaus in der EU eingestellt, Umstellungsbeihilfen konnten bis 2013 beantragt werden.

Deutschland ist (2020) das einzige EU-Land, in dem Tabakaußenwerbung noch nicht – wie EU-rechtlich vorgegeben – untersagt ist. Insgesamt ist Deutschland bei der Anti-Tabak-Politik eher Nachzügler, viele atypische Werbemaßnahmen (sog. below-the-line-Marketing wie Events oder Sponsoring) sind weiterhin zulässig. Deutschland liegt auf der von der Association of European Cancer Leagues veröffentlichten Tobacco-Control-Skala auf dem letzten Platz in Europa (Joossens et al. 2020).

Anbau und Trocknung

Ausgesät wird der Tabaksamen zunächst auf einem Setzlingsbeet, dessen fruchtbare Erde geschützt vor starkem Wind, aber von der Sonne beschienen sein soll. Vor dem Säen wird die Erde durch Abbrennen, Dämpfen oder chemische Hilfsmittel z. T. sterilisiert, um Insekten, Parasiten und Unkrautsamen zu vernichten. Das Setzlingsbeet wird in warmen Zonen im Freien angelegt, eventuell durch ein dünnes Baumwolltuch oder eine dünne Lage Gras, Stroh oder Piniennadeln vor nächtlicher Kühle geschützt. In kühlen Regionen wird die Tabakpflanze unter einem Glas- oder Plastikdach gezogen. Von den kleinkörnigen Tabaksamen mit dem Tausendkorngewicht von 0,1 Gramm reichen 2 Gramm Samen für ca. 100 m² Anzuchtbeet, die unter günstigen Bedingungen 9.000–15.000 Setzlinge liefern. Nach 8–10 Wochen wird eine Pflanzengröße von 10 bis 18 cm erreicht.

Die Setzlinge werden in einigen Gebieten durch Setzmaschinen, in den meisten Gegenden jedoch immer noch per Hand in das Feld umgepflanzt. Die Setzlinge werden je nach Sorte in unterschiedlichen Abständen eingepflanzt, am weitesten auseinander die Sorte Perique (Abstand der Reihen 1,5 m, Abstand der Pflanzen in einer Reihe 91–107 cm), sehr viel enger z. B. die Sorte Burley in Europa (65 cm; 50 cm). Wenn die Blüte erscheint, wird diese abgeschnitten, um die Pflanzennährstoffe ausschließlich den Blättern zuzuführen. Lediglich für die Saatgutproduktion ausgesuchte Pflanzen werden geschont, um aufzublühen und Samen zu erzeugen.

Die optimale Zahl der Blätter variiert: dunkle, später luft- oder feuergetrocknete Tabakpflanzen sollten 10–16, Burley- oder Maryland-Tabakpflanzen 16–20 Blätter haben, wobei die unteren Blätter weniger Nikotin enthalten. Jede Pflanze stellt eine Art Qualitätspyramide dar. Die unteren Blätter (Sandblatt) wurden früher als Um- und Deckblatt für Zigarren verwendet; mit dem Trend zum leichteren Rauchen wurden die niedrigen Nikotingehalte dieser Erntestufe auch in der Zigarettenherstellung bedeutsam. Im oberen Teil der Pflanze, dem Hauptgut und Obergut, sind Nikotingehalt, Aroma und Duft ansteigend.

Die Ernte erfolgt 70 bis 130 Tage nach der Feldpflanzung, wobei üblicherweise die einzelnen Blätter je nach Reifezustand geerntet werden. Die Ernte beginnt mit den unteren Blättern, nachdem diese gelblich gefärbt sind. In Abständen von fünf bis sieben Tagen erfolgt jeweils die Ernte von zwei weiteren Blättern. Die Tabakblätter werden mit möglichst wenig Gehalt an Stärke am frühen Vormittag geerntet. Danach sollen die Blätter einige Stunden welken, um bei der Weiterverarbeitung Blattschäden zu vermeiden. Löcher in den Blättern während der Verarbeitung bedeuten einen erheblichen Qualitätsverlust.

Das Tabakbrechen erfolgt mit der Hand und ist dementsprechend arbeitsintensiv. Die Landwirte stellen deshalb Saisonarbeiter ein. Geerntet wird von unten nach oben, indem man die Blätter am Stiel abbricht. Allerdings werden pro Erntegang immer nur die untersten Blattreihen gebrochen. Weitere vier bis sechs Erntegänge erfolgen dann im Abstand von je einer Woche.

Nach der Ernte muss der Tabak getrocknet werden. Bei der verbreiteten Naturtrocknung wird der Tabak auf Schnüre „eingefädelt“ und zwei bis drei Monate in geschlossenen oder mit Jalousien versehenen Schuppen aufgehängt. Überwiegend Virginia-Tabaksorten werden in Heißlufttrockenschuppen behandelt, in welchem die Trocknung in nur vier bis acht Tagen erfolgt.

In einigen Gebieten erfolgt die Ernte auch als Ganzpflanzenernte; dabei wird die gesamte Pflanze abgeschnitten und zur Trocknung umgekehrt in überdachten Räumen aufgehängt. Nach der Austrocknung der Blätter werden diese geerntet und der Strunk als Brennmaterial verwendet.

Nutzung

Als amerikanische Pflanzenart wurde der Tabak seit jeher von vielen Indianerstämmen verwendet, allerdings weniger als Genussmittel, sondern eher im Rahmen spiritueller Rituale (wobei dies nicht für die sogenannte Friedenspfeife der Prärie-Indianer galt, in der Süßgras und Salbei verbrannt wurden). Er wurde gekaut, geschnupft, geraucht, gegessen, entsaftet, auf dem Körper verrieben, in Augentropfen und Körperpackungen verwendet. Entweder wurde konzentrierter Tabaksaft von Schamanen als psychotrope (rauscherzeugende), sehr schnell wirkende Substanz verwendet, so etwa bei den Maya und den karibischen Stämmen; oder der Tabakrauch wurde in großen Mengen in den Magen geschluckt, da die halluzinogenen Alkaloide auf diese Weise Visionen hervorrufen können, wie bei einigen Regenwaldethnien in Amazonien. Indianerstämme nutzten den Tabak auch zur Behandlung unterschiedlicher Erkrankungen.

Erst 1560 kamen die ersten Samen des Tabaks nach Europa. Dort dienten die Pflanzen zunächst der Zierde. Zudem war Tabakbrühe, die durch Abkochen der Blätter gewonnen wurde, ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Insekten.

Als Nutzpflanze für die Tabakproduktion haben derzeit (2013) nur zwei Arten wirtschaftliche Bedeutung, die zahlreiche Varietäten bilden und aus denen viele Sorten gezüchtet wurden. Die verbreitetste Art ist der Virginische Tabak (Nicotiana tabacum), zu dem nahezu alle heute angebauten Sorten gehören. Die Tabakernte wird nach entsprechender Verarbeitung weit überwiegend für Zigaretten genutzt.

Die getrockneten, kurierten und gerebelten Tabak-Blätter (Rauchkraut) können in Tabakspfeifen oder gedreht als Zigaretten, Zigarillos und Zigarren geraucht werden. Das giftige Nikotin wird dabei zu großen Teilen verbrannt; nur ein geringer Anteil verdampft und wird inhaliert. Weniger verbreitet ist der Konsum in Form von Smokeless Tobacco, Snus, Kautabak und Schnupftabak. Der Konsum durch Inhalation, Schnupfen oder Kauen ist mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden, die von Herz-Kreislauf-Problemen über Durchblutungsstörungen und Impotenz bis hin zu verschiedensten Karzinomformen reichen können. Mehrere dieser Risiken sind auch mit dem Passivrauchen und Rückstandsrauchen verbunden. Der Konsum von Tabakwaren erhöht signifikant das Risiko einer Nikotinabhängigkeit.

Wasserpfeifentabak besteht aus einer Mischung von Tabak und Feuchthaltemitteln (Glycerin und/oder Propylenglycol) und kann zudem auch aromatische Öle, Auszüge, Melassen oder Zucker enthalten oder mit Früchten aromatisiert sein.

Die frühere Verwendung von Tabakbrühe als Insektizid ist wegen der Gefahr von Nikotinrückständen in Nahrungsmitteln inzwischen verboten.

Neben der wirtschaftlichen Bedeutung als Genussmittel ist Tabak ein zentrales Modellsystem der Biologie zur Erforschung der pflanzlichen Genexpression. In der Regel finden solche Versuche in Laboren und Gewächshäusern unter S1-Bedingungen statt. Manchmal ist es erforderlich, Pflanzen und das Verhalten bestimmter Gensequenzen unter Freilandbedingungen zu beobachten. Freisetzungsversuche mit gv-Tabak sind daher in vielen Fällen nicht der Produktentwicklung zuzuordnen, sondern der Grundlagenforschung.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die weltweite Rohtabakernte in 125 Staaten auf einer Anbaufläche von 3,5 Millionen Hektar betrug im Jahr 2017 rund 6,5 Millionen Tonnen. Der weltgrößte Tabakanbauer war mit 2,4 Millionen Tonnen die VR China. Damit wird rund ein Drittel der gesamten Tabakernte weltweit in China produziert. Es folgen Brasilien (862.396 t), Indien (720.725 t), USA (397.535 t) und Indonesien (196.300 t).

In der Europäischen Union wird Tabak auf rund 100.000 Hektar von 60.000 spezialisierten landwirtschaftlichen Betrieben in 12 EU-Mitgliedstaaten angebaut, hauptsächlich in Italien, Bulgarien, Griechenland, Spanien und Polen. Etwa 85 % der europäischen Tabakanbaufläche befinden sich in diesen Ländern. Auf europäischer Ebene sind die Anbauflächen im Rückgang begriffen, hauptsächlich wegen des abnehmenden Tabakkonsums. In der Union werden jährlich etwa 200.000 Tonnen Tabak in Form von getrockneten Blättern erzeugt.

Die Europäische Union produziert weniger als 3 % des weltweiten Trockentabak-Jahresvolumens und importiert pro Jahr ca. 400.000 Tonnen, hauptsächlich aus Afrika und Amerika. Die EU exportiert ca. 100.000 Tonnen pro Jahr. Das weltweite Angebot an Rohtabak deckt die Nachfrage; die durchschnittlichen Marktpreise sind seit 2009 ziemlich beständig.

Der Tabakanbau in Deutschland hat zwar eine über 400 Jahre alte Tradition vorzuweisen, unter den deutschen Klimaverhältnissen ist er jedoch eine Sonderkultur in pflanzenbaulicher Grenzlage. Hohe Nachfrage nach Tabakprodukten, Devisenmangel und Einfuhrbeschränkungen des Staates, sowie hohe Flächen- und ausreichende Arbeitsproduktivität für kinderreiche Bauernfamilien waren die Basis für die Ausbreitung der deutschen Tabakproduktion, die seit Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland kaum noch Bedeutung hat. 2019 bestand eine Anbaufläche von rund 2000 Hektar. Die größten Flächen befinden sich in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Seit 2015 wird in Deutschland ausschlieslich Virgintabak (Nicotiana tabacum) produziert. Das gesamte Saatgut wird von der Fa. NiCoTa GmbH, Rheinstetten-Forchheim, gezüchtet und vermehrt. Es handelt sich ausschließlich um Hybride.

Tabaklieferkette

Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass der ökologische Fußabdruck von Tabak über seine gesamte Lieferkette hinweg mit dem ganzer Staaten vergleichbar ist und seine Produktion oft umweltschädlicher ist als die von lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungspflanzen. Der Tabakanbau geht in den meisten Ländern des „Südens“ einher mit Armut, Verschuldung, ökonomischer Abhängigkeit der Kleinbauern von Plantagenbesitzern und Großkonzernen sowie mit Kinderarbeit und Umweltzerstörung. Darüber hinaus blockiert der Tabakanbau Flächen, die für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden könnten. Daher und wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens gibt es weltweit Bestrebungen, Alternativen zum Tabakanbau zu entwickeln.

Weitere Informationen:

Pfeil nach linksSyrosemHausIndexTag(e)werkPfeil nach rechts