Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Novel Food

Neuartige Lebensmittel, die aus Rohstoffen bestehen, die vor dem In-Kraft-Treten der „Novel-Food-Verordnung“ im Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang auf dem europäischen Markt waren oder die auf unkonventionelle Weise z.B. mit Hilfe der Gentechnologie hergestellt oder synthetisiert werden.

Nach der Novel Food-Verordnung der EU gelten folgende Lebensmittel und Lebensmittelzutaten als Novel Food:

Neuartig im Sinne der Verordnung sind nicht nur Gentechnik-Produkte. Auch andere bisher nicht bekannte Lebensmittel, beispielsweise Fleisch-Ersatz aus Einzeller- oder Algeneiweiß oder die sogenannten 'Designer-Lipide' (künstliche kalorienfreie Fette), fallen darunter.
Die Verordnung enthält unklare Formulierungen, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung der in ihr enthaltenen Kennzeichnungspflicht. Nachweisverfahren, ohne die eine Überwachung der Kennzeichnung nicht durchführbar ist, werden gegenwärtig entwickelt. Derartige Verfahren lassen sich nur mit genauer Kenntnis der jeweiligen gentechnischen Änderung schaffen. Unbekannte Veränderungen sind nur in sehr eingeschränktem Maße nachweisbar. Die technischen Details zur Durchführung und Kontrolle der Kennzeichnung sind weitgehend unklar.

Von Bedeutung ist eine Kennzeichnung und eine Überprüfung im Rahmen des Verbraucherschutzes z.B. für Allergiker, die sich darauf verlassen müssen, daß ein Lebensmittel die mit der Gentechnik erzielte Allergen-Freiheit auch tatsächlich besitzt, da ansonsten lebensbedrohliche Situationen (anaphylaktischer Schock) eintreten können.
Lebensmittel müssen gekennzeichnet werden, wenn sie

Lebensmittel aus transgenen Pflanzen, die das veränderte Gen oder Genprodukt nicht enthalten (z.B. Zucker aus transgenen Zuckerrüben oder Sojaöl aus herbizidtoleranten Sojabohnen) entziehen sich prinzipiell einem Nachweis, folglich ist eine Kennzeichnung nicht vorgesehen. Demgegenüber muß z.B. Ketchup aus transgenen Tomaten gekennzeichnet werden, da es sich wissenschaftlich nachweisbar von gleichwertigen konventionellen Lebensmitteln unterscheidet.

Gentechnisch hergestellte Lebensmittelzusatzstoffe, Aromen, Enzyme u.a. fallen nicht unter die Novel Food-Verordnung. Auch bereits zugelassene Produkte wie Genmais, Gensoja und Genraps werden von der Verordnung ausgenommen, sollen aber nachträglich reguliert werden. Insgesamt sind rund 80 % der gentechnisch veränderten Lebensmittel von der Kennzeichnung befreit. Eine bewußte Verbraucherentscheidung für oder gegen Produkte, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, ist so nicht möglich.
Die Anwendung der Gentechnologie in der Nahrungsmittelverarbeitung erbringt einen Beschleunigungs- und Effizienzeffekt und ermöglicht, neue Nahrungsmittel, sogar auf molekulargenetischer Ebene definiert, zu kreieren. Sie verstärkt dabei auch die negativen Effekte des "food-design" und bringt zusätzlich das Risiko mit sich, daß die gegenseitige in evolutionären Zeiträumen entstandene Anpassung zwischen natürlichen Mikrofloren und Menschen aufs Spiel gesetzt wird.

Die Ernährung wird durch die moderne Lebensmittelindustrie und durch die Entwicklung von Novel Food von deren Grundlage Landwirtschaft getrennt. Ernährung und Landwirtschaft ist nicht mehr ein System, wo der regionale Bedarf oder die Notwendigkeit nach Vielfältigkeit in der Ernährung zur regionalen und kleinräumigen Vielfältigkeit in der Landwirtschaft Anlaß gibt oder diese Vielfältigkeit sich wechselseitig bedingt, was auch dem ökologischen Standpunkt entgegenkommt, sondern die vielfältige Ernährung ist nur mehr ein Transport- und Industrieproblem, während die Landwirtschaft lediglich ein Rohstofflieferant ist, der möglichst spezialisiert oder monokulturell, Nahrungsmittelgrundstoffe bereitstellt.

Am 31. Dezember 2015 ist die neue europäische Novel Food-Verordnung in Kraft getreten und ist ab 1. Januar 2018 verbindlich. Die Verordnung (EU) 2015/2283 löst die bisher geltende Verordnung (EG) Nr. 258/97 ab. Die Begriffsbestimmung für Novel Food wird in der Verordnung präzisiert. Damit werden Unklarheiten im Hinblick auf den Anwendungsbereich der bisher geltenden Novel Food-Verordnung beseitigt. Unter anderem sind ganze Tiere wie Insekten, Lebensmittel aus Zell- oder Gewebekulturen sowie Erzeugnisse mineralischen Ursprungs nunmehr Teil der Begriffsbestimmung und damit eindeutig im Anwendungsbereich der Verordnung. Zudem wird klargestellt, dass technisch hergestellte Nanomaterialien neuartige Lebensmittel sind und damit der Bewertungs- und Zulassungspflicht unterliegen, sofern dafür nicht - wie beispielsweise bei Lebensmittelzusatzstoffen - bereits in anderen EU-Vorschriften eigene Regelungen, einschließlich einer Zulassungspflicht, bestehen.

(s. a. BMEL)

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