Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Koliya-System

Der Begriff besitzt zwei Bedeutungen:

1. Historisch-politisches System der Koliya-Republik

Das ursprüngliche Koliya-System bezieht sich auf die Organisation des alten indo-arischen Koliya-Clans in Nordost-Indien und Nepal während der Eisenzeit (ca. 7.–5. Jh. v. Chr.). Die Koliyas waren als aristokratische Republik (gaṇasaṅgha) organisiert. Ihr politisches System bestand aus einer Versammlung der Clanoberhäupter (meist Kshatriyas), die gemeinsam politische, juristische und militärische Entscheidungen trafen. Der Vorsitzende dieser Versammlung war der Mahārājā, der mit einem inneren Rat (amaccā) die Republik verwaltete. Die Gesellschaft war streng hierarchisch: Es gab eine aristokratische Landbesitzerklasse, während die unteren Schichten als Arbeiter und Leibeigene tätig waren. Die Koliyas waren Nachbarn und Verwandte der Sakyas (dem Clan Buddhas) und wurden schließlich vom Königreich Kosala erobert und assimiliert.

2. Gegenwärtige Bedeutung: System der Schuldknechtschaft in Indien

In der heutigen Berichterstattung wird der Begriff Koliya-System auch für eine Form der Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft in Teilen Indiens verwendet. Hierbei bedeutet "koliya" wörtlich „Land“. Millionen Menschen leben noch immer in diesem System: Landlose Bauern erhalten von Großgrundbesitzern ein Stück Land zur Nutzung, müssen dafür aber Schulden abarbeiten – auf Feldern, Plantagen, in Ziegeleien oder als Hausangestellte. Ihre Arbeit wird meist nicht mit Geld, sondern mit Naturalien (z.B. Reis, Weizen) entlohnt. Werden Medikamente oder andere Waren benötigt, müssen sie Geld leihen, wodurch ihre Schulden weiter steigen. Die Schuldknechtschaft ist oft erblich: Kinder übernehmen die Schulden und Abhängigkeit ihrer Eltern. Ein Ausbrechen aus diesem System ist kaum möglich, da die Familien nicht für andere arbeiten oder wegziehen dürfen.

Pfeil nach linksKolchoseHausIndexKollektivierungPfeil nach rechts