Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Heimat

Vieldeutiger und in ständiger Diskussion befindlicher Begriff, der zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum verweist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf die Umgebung mit ihren regional besonderen Eigenarten angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen.

Heimat bedeutet für viele Menschen etwas Schönes. Sie denken an den Ort, wo sie aufgewachsen sind, an ihre Kindheit, an die Familie und an vertraute Freunde aus der Schulzeit. Es ist ein Ort, wo sich Menschen geborgen und verstanden fühlen.

So verbindet sich das Gefühl von Vertrautheit und Sehnsucht für viele Menschen mit der Heimat. Manche haben Heimweh, wenn sie fort aus der Heimat sind. Andererseits sprechen Menschen von einer „Wahlheimat“, wenn sie an einem Ort leben, wo sie sich wohl fühlen.

Im Feld der Politik wird der Begriff 'Heimat' oft verbunden mit dem Hinweis auf gemeinsame Werte, die die Menschen verbinden. In einer offenen und demokratischen Gesellschaft geht es deshalb darum, diese Werte zu stärken, die auch in westlichen Verfassungen ihren Ausdruck finden. Dann kann ein Land auch eine Heimat für Menschen sein, die zwar nicht hier geboren sind, aber hier leben, arbeiten und sich für Gesellschaft und ihre Menschen einsetzen.

Der Begriff 'Heimat' findet aber auch in einem übertragenen, metaphorischen Sinne Verwendung, etwa in der Bedeutung 'geistige Heimat'.

Heimat und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft hat einen notwendigerweise engen Bezug zu dem Produktionsfaktor Boden, den zugehörigen Wohn- und Wirtschaftsbauten und ihrer sozialen, oft dörflichen Einbindung. Dies fördert seit jeher die identitätsstiftende Entstehung von kulturellen Ausprägungen wie vielfältiges Brauchtum, regionaltypische Feste (Erntedank), Bekleidung (Trachten) oder Musik. Kaum eine Zivilisation ist ohne ihre besondere Agrar- und Ernährungskultur denkbar. Entsprechend kann Landwirtschaft über Schönheit, Eigenheit, Geschmack, Geschichte und Tradition von Regionen und Kulturlandschaften unsere Identität bis hin zu spirituellen Werten formen, vorausgesetzt sie bietet nicht auf Irrwegen seelenlose ausgeräumte Landschaften.

Reimar von Alvensleben von der Universität Kiel hat 1999 nachgewiesen, dass man im Regelfall davon ausgehen kann, dass Konsumenten Produkte aus „ihrer“ Region bevorzugen. Dies liege an dem „menschlichen Bedürfnis nach überschaubarer und identitätsstiftender Umwelt. Die Vertrautheit mit einer Region gibt dem Menschen Sicherheit und schafft Sympathie für die Region (Kontakt-Affekt-Phänomen).“

Letztlich erzeugen Heimatgefühle den Eindruck bei Verbrauchern, dass Produkte aus der eigenen Region generell besser seien als Produkte mit anderer geographischer Herkunft. Dieser Sachverhalt führt zu einem Boom bei Produkten, für die mit der Eigenschaft „aus der Region für die Region“ geworben wird. (s.a. geschützte geografische Angabe)

Dass das subjektive Gefühl, ein Produkt „aus der Ferne“ könne nicht qualitativ gut sein, falsch sein muss, wird allein schon dadurch deutlich, dass nur ein Produkt einer bestimmten Warengattung objektiv „das beste in Deutschland, europaweit oder weltweit“ sein kann, so dass alle, die nicht im Nahbereich des Herstellungsortes dieses Produkts wohnen, sich irren müssen. Richtig ist allerdings, dass lange Transportwege, z. B. bei Lebensmitteln, die Frische einer Ware beeinträchtigen können.

Als Heimataspekt erscheinen in diesem Zusammenhang die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend untergegangenen Produktions- und Lebensweisen in der Landwirtschaft und der vorindustriellen Produktion.
Obwohl die Landwirtschaft von der Industrialisierung erfasst wurde, galt das Bauerntum um 1900 als „ursprünglich“, als „gesunde und beharrende Kraft“. So entstand um 1900 herum die Heimatliteratur, die der Trivialliteratur zugeordnet wird.

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