Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Anbindehaltung

Haltungsform für Nutztiere, bei der die Tiere in einem Stall an einem Platz fixiert sind. Diese Haltungsform ist in Europa noch bei Rindern gebräuchlich. Früher wurden auch Pferde angebunden eingestallt und Sauen sowie Kleinvieh wie Schafe und Ziegen so gehalten. Zu unterscheiden ist die ganzjährige Anbindehaltung von der winterlichen Anbindehaltung mit Weidegang im Sommer, Letzteres eine häufig geübte Praxis vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Österreich.

Die Haltung von Pferden in Anbindestallungen ist in vielen Ländern verboten, und die Anbindehaltung von Schweinen seit einer EU-Richtlinie 1997 nur noch durch Ausnahmeregelungen zulässig. Für Rinder gibt es außer im Ökobereich keine entsprechende Regelung auf EU-Ebene. In der ökologischen Tierhaltung sind Anbindeställe seit Ende 2013 verboten. Ausnahmeregelungen gelten für Kleinbetriebe.

Kühe sind in der Anbindehaltung zumindest während der Stallhaltungsperiode, d. h. im Winter fixiert. Jedes Tier steht auf einem eigenen Platz/Stand längsseitig parallel zueinander und kann nicht durch den Stall laufen. An diesem Stand stehen bzw. liegen die Kühe also den ganzen Tag, werden hier gefüttert und gemolken, wozu eine Rohrmelkanlage benötigt wird.

Rinder in einem Stall mit Anbindehaltung

Die Anbindehaltung von Rindern wird in Deutschland heftig diskutiert. Der Bundesrat hat sich für ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung ausgesprochen. Der Grund: Wegen der dauerhaften Fixierung sind die Tiere in ihrem Normalverhalten stark eingeschränkt. Die Anbindehaltung stellt deshalb kein tiergerechtes Haltungsverfahren dar.

Quelle: Thünen

Die Anbindehaltung von Rindern wird von der Gesellschaft kritisch gesehen, und sie stellt gemäß dem Stand der wissenschaftlichen Beurteilung kein tiergerechtes Haltungsverfahren dar, da es das Tierverhalten stark einschränkt. Als besonders problematisch gilt die ganzjährige Anbindehaltung, bei der die Tiere das gesamte Jahr über im Anbindestand stehen und keinen Zugang zur Weide oder einem Auslauf haben. In einer Studie des Thünen-Instituts sind die Positionen verschiedener Interessengruppen zusammengetragen (S. 6 ff).

Es gibt keine bundesweiten Daten zum Umfang der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern in Deutschland. Lediglich für das Jahr 2010 liegen Daten zu Haltungsverfahren und Weidegang vor, mit denen sich die ganzjährige Anbindehaltung abschätzen lässt. Aufgrund des Strukturwandels würde sich die Zahl der ganzjährigen Anbindehaltungen von den für das Jahr 2010 ermittelten Werten (31.500 Betriebe, 650.000 Kühe) bis zum Jahr 2027 auf 13.500 Betriebe mit rund 270.000 Milchkühen reduzieren. Diese Betriebe wären von einem Verbot betroffen. In der Struktur sind sie vergleichsweise klein, auf die Milchviehhaltung spezialisiert und verfügen oftmals über andere Einkommen neben der Landwirtschaft.

Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung haben verschiedene Möglichkeiten, ihr Haltungsverfahren tiergerechter zu gestalten:

Die Umsetzbarkeit dieser Maßnahmen hängt in einem hohen Maße von den standortspezifischen Bedingungen und betrieblichen Bedingungen ab.

Dementsprechend variieren die Kosten je Kuhplatz für diese Maßnahmen. Bei einer Berechnung der Kostenänderungen in Cent/kg Milch wurden Kostenerhöhungen eines Ausstiegs aus der ganzjährigen Anbindehaltung von 0,26 bis 13,42 ct/kg Milch für die betroffenen Betriebe ermittelt. Bei einem durchschnittlichen Auszahlungspreis der Molkereien von 27,2 ct/kg Milch im Jahr 2016 und 36,6 ct/kg im Jahr 2017 kann ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung für die betroffenen Betriebe somit erhebliche Auswirkungen auf die Rentabilität haben. 

Um die negativen Auswirkungen eines Verbots der ganzjährigen Anbindehaltung auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu reduzieren, können verschiedene Fördermaßnahmen eingesetzt werden. Insbesondere das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP), tierbezogene Weideprämien sowie Beratungsmaßnahmen kommen hierfür in Frage. Die öffentlichen Mittel für eine flankierende Förderung innerhalb des Übergangszeitraums von 10 Jahren wurden auf insgesamt 222 bzw. 287 Mio. Euro geschätzt Diese Ausgaben ließen sich grundsätzlich mit den im Rahmen der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik zur Verfügung stehenden Mittel finanzieren.

Es ist zu erwarten, dass ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung auch mit einer flankierenden Förderung zu einer Beschleunigung des Strukturwandels führt. Ein sozialverträgliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung setzt voraus, dass eine ausreichende Übergangszeit zur Anpassung der Betriebe gewährt wird, das Verbot mit attraktiven Fördermaßnahmen flankiert wird und ggf. Härtefallregeln für auslaufende Betriebe angewendet werden. (Thünen-Studie)

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