Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrarmarketing

Agrarmarketing ist eine Form des Marketings, die alle Waren und Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft entlang der Linie Bauernhof - Konsument umfasst.

Marketing in der landwirtschaftlichen Praxis

Diese Dienstleistungen umfassen die Planung, Organisation, Lenkung und Handhabung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, um Landwirte, Zwischenhändler und Verbraucher zufrieden zu stellen. Dazu gehören zahlreiche miteinander verknüpfte Tätigkeiten wie Produktionsplanung, Anbau und Ernte, Sortierung, Verpackung, Transport, Lagerung, Verarbeitung von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, Bereitstellung von Marktinformationen, Vertrieb, Werbung und Verkauf. Der Begriff umfasst somit die gesamte Lieferkette für landwirtschaftliche Erzeugnisse, unabhängig davon, ob sie über Ad-hoc-Verkäufe oder über eine stärker integrierte Kette, z. B. im Rahmen der Vertragslandwirtschaft, erfolgt.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht dominiert seit Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Marktbedürnissen. Damit entwickelt sich das Marketingverständnis von einer operativen Technik zur Beeinflussung der Kaufentscheidung hin zu einer Führungskonzeption bzw. zu einer unternehmerischen Denkhaltung, die andere Funktionen wie zum Beispiel Beschaffung, Produktion, Verwaltung und Personal mit einschließt.

Änderungen der Kundenpräferenzen, Änderungen des politischen Klimas, Naturkatastrophen und sogar Innovationen in der landwirtschaftlichen Praxis können Auswirkungen darauf haben, wie genau die Aufgabe des Agrarmarketings ausgeführt wird. Aus diesem Grund können die Strategien und Ansätze, die in einem Sektor des Marktes angewendet werden, für einen anderen Sektor oder eine bestimmte Zielgruppe von Verbrauchern ungeeignet sein. Dies erfordert, dass Vermarkter die Markttrends genau beobachten und möglichst produktiv darauf reagieren.

Zu den typischen Themenfeldern im Agrarmarketing gehören sektorspezifische Fragestellungen wie zum Beispiel:

Agrarmarketing in der Lehre

Im akademischen Kontext bezeichnet Agrarmarketing die Lehre des Marketings in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, zugehörig dem Fachgebiet Agrarökonomie.

Bis zu den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts lag für viele Jahrzehnte der Fokus von Lehre und Forschung im Bereich Agrarökonomie auf den Gebieten der Agrarpolitik oder Agrarmarktlehre. Dieser Fokus änderte sich ab den 1970er Jahren. Von dort an rückte auch das Gebiet des Agrarmarketings, bedingt durch die steigende internationale Vernetzung und dem entsprechend steigenden Wettbewerb innerhalb der Agrarbranche immer weiter in den Fokus.

Auch in den grünen Berufsfeldern gehört Marketing zum unternehmerischen Prozess dazu – somit wird der Studiengang Agrarmarketing (Bachelor/Master) immer wichtiger für Lebensmittelproduzenten und Unternehmen in der Agrarbranche.

Mit Agrarmarketing werden beispielsweise Maßnahmen entwickelt, Veränderungen der Kundenbedürfnisse erkannt und analysiert, um den nachhaltigen Erfolg zu sichern. Denn gerade in der Agrarbranche wird das Wissen über wettbewerbsintensive Märkte, Preis- und Vertriebspolitik, Kaufentscheidungsprozesse sowie Kooperationsmöglichkeiten händeringend gebraucht. Mit dem fundierten Wissen können Betriebsabläufe optimiert werden.

Historischer Hintergrund in Deutschland und Europa

Während der Zeit des Nationalsozialismus war der gesamte Berufsstand der Landwirtschaft inklusive ihrer Verbände und Organisationen im sogenannten Reichsnährstand zusammengefasst. Das Ansehen der Landwirtschaft sollte ebenso wie die Versorgungslage dadurch verbessert werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zeit des Wiederaufbaus ebenfalls im Wesentlichen durch Versorgungsgedanken geprägt, die ein Marketing im klassischen Sinne kaum erforderlich machten. Agrarmärkte waren dadurch während der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von einer Politik der Versorgungssicherung geprägt. Bei der Gründung der Europäischen Union war der Bereich der Landwirtschaft der zweite Bereich nach Kohle und Stahl (Montanunion), der einer europäischen Regulierung unterworfen wurde. EU-Zahlungen an die Landwirtschaft waren ursprünglich als Maßnahmen zur Preisstabilität zur Abschwächung erntebedingter Preisschwankungen konzipiert. Später dienten sie auch der Preisstützung, erhielten also eine einkommenssichernde Komponente. Die daraus resultierende Überproduktion (z. B. sogenannte 'Butterberge') in vielen Bereichen machten in der Folge weitere Eingriffe zum Beispiel zum Abbau der Überschüsse erforderlich.

Immerhin sah die Agrarreform von 2005 eine Entkoppelung von Produktion und Prämienzahlung vor. Die Förderung der ländlichen Entwicklung hat sich parallel dazu als zweite Säule der GAP etabliert. Die Programme zielen darauf ab, Erwerbszweige neben der Landwirtschaft zu fördern, beispielsweise den Tourismus, die Verarbeitung von Lebensmitteln, die Direktvermarktung oder den Umweltschutz.

So ist die Landwirtschaft bis heute innerhalb der Europäischen Union ein stark regulierter Bereich, dessen Ausgestaltung viele planwirtschaftliche Elemente enthielt und bis heute enthält.

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