Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrarholding

Agroholdings sind kommerziell orientierte Gruppen einer Reihe von rechtlich unabhängigen landwirtschaftlichen Betrieben und Firmen, welche von einer zentralen Muttergesellschaft koordiniert werden, die strategische Entscheidungen über die Entwicklung einer Gruppe und ihrer Mitglieder trifft. Solche Gruppen können sich im Besitz von institutionellen oder privaten Investoren befinden und vertikal oder horizontal integriert sein. Sie können sich in der Art und Anzahl der integrierten Stufen der Nahrungsmittelkette, im Grad der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der angeschlossenen Unternehmen, in der Herkunft des Kapitals und schließlich in der Börsentätigkeit unterscheiden.

Neben Holdings im unternehmens- und steuerrechtlichen Sinn fallen unter diese Definition auch Gruppen von Betrieben, die ohne feste organisatorische Struktur von einzelnen Eigentümern und einer gemeinsamen Unternehmensleitung zusammengehalten werden. In Ostdeutschland sind in diesem Sinne nach der Wiedervereinigung im Zuge der Umstrukturierung der vormaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) vielerorts Holdings aus Unternehmen der landwirtschaftlichen sowie der vor- und nachgelagerten Produktion gebildet worden.

Betriebsgrößen

Agrarholdings haben eine Betriebsgröße von ca. 500 bis 1.000 Hektar oder mehr. Dabei ist die Definition auch abhängig davon, von welcher Region die Rede ist. In der EU zählen beispielsweise solche Betriebe dazu, die mehr als 1.000 Hektar bewirtschaften, während in Brasilien, der Ukraine oder Russland Betriebe mit über 500.000 bis 600.000 Hektar dazu zählen. Diese Flächen sind jedoch nie zusammenhängend, sondern auf Dutzende landwirtschaftliche Produktionsbetriebe verteilt, die im Falle einiger Holdings sogar tausende Kilometer voneinander entfernt lägen. Ein durchschnittlicher Agroholding-Tochterbetrieb in Russland bewirtschaftet rund 5.300 ha landwirtschaftliche Nutzfläche.

Akzeptanz

Die Akzeptanz von Agroholdings in der deutschen Bevölkerung ist sehr gering. Deutsche Landwirte stehen unter extrem starken öffentlichen Druck und sehen sich regelmäßig mit Vorwürfen zu Tierschutz, Umweltschutz und anderen Themen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund werden derartige Megafarmen von den Medien oftmals als profitgeleitete und verantwortungslose Unternehmen dargestellt.

Das öffentliche Bild begleitet die Entwicklung der Agroholdings in Deutschland negativ, obwohl es der Realität oftmals nicht entspricht. Die großen Unternehmen arbeiten zwar nach dem Prinzip der Profitmaximierung, doch gleichzeitig sind sie wichtige Arbeitgeber für viele Menschen. Gerade die großen Betriebe in Ostdeutschland, die in Viehhaltung spezialisiert sind, verzeichnen hohe Beschäftigungszahlen.

In anderen früher sozialistischen Staaten wie der Ukraine oder Russland ist die Akzeptanz von Agroholdings in der Bevölkerung sehr viel größer. Dort ist noch immer das Verständnis vorhanden, dass große Betriebe verantwortlich dafür sind, der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Heutzutage übernehmen viele Betriebe daher gewisse soziale Dienstleistungen und sorgen damit für die Akzeptanz des Unternehmens in der Bevölkerung. Dies macht sie auch als Arbeitgeber beliebt. (A. Balmann, IAMO 2018)

Ferner ist für die Agroholdings charakteristisch, dass sie nicht nur landwirtschaftliche Produktionsbetriebe, sondern auch Lebensmittel verarbeitende und vermarktende Unternehmen umfassen.

Entwicklung von Agrarholdings

Agroholdings haben sich primär aus zwei Gründen gebildet. Zum einen sahen findige Unternehmer ökonomische Entwicklungschancen in einem sehr fragilen institutionellen Umfeld. Zum andern gab es gerade in östlichen Staaten Druck sowie Anreize von politischer Seite.

Agroholdings wachsen nicht 'organisch', d.h. getrieben von überproportionalem Wachstum der ihnen zugehörigen Betriebe. Tatsächlich scheinen die Faktoren, die sich um die landwirtschaftliche Produktion selbst ranken, eher unerheblich. Vorteile der zu Unternehmensgruppen gehörenden Betriebe ergeben sich vielmehr aus besserem Zugang zu Faktor- bzw. Produktmärkten, aus Synergien innerhalb der Holdings und – nicht zuletzt – auch aus bisweilen (missbräuchlichen) Ausnutzen von Marktmacht. Das heißt, die Bestimmungsgründe für Entstehung, Wachstum sowie auch des Fortbestandes von Agroholdings liegen nicht in den ihnen einverleibten Betrieben (d.h. auf der Produktionsebene). Auf Mikroebene betrachtet sind diese vielmehr ausnahmslos externe Faktoren. Die treibenden Kräfte für das Wachstum von Agroholdings sind in der starken Verflechtung politischer und wirtschaftlicher Interessen und zudem in dem bisweilen nennenswerten direkten 'Zuvorkommen' gegenüber solchen Holdings zu sehen; insbesondere solche die als 'systemrelevant' eingestuft werden. In anderen Worten, mit Hinblick auf den Ursprung und die Dynamik des Wachstums von Agroholdings muss das Hauptaugenmerk auf dem Vernetzen individueller Produktionseinheiten liegen; wobei sich diese auf jeweils starke Positionierung in lokalen und regionalen Märkten stützen und zudem über enge politische Kontakte verfügen.

Kapitalressourcen

Die Herkunft des Kapitals für Agroholdings insbesondere in Staaten wie Russland, Ukraine oder Kasachstan kann aus dem Ausland oder aus dem Inland, von der Börse oder von privatem Beteiligungskapital usw. stammen. Dementsprechend definieren und klassifizieren einige Autoren Großbetriebe nach der Art ihrer Unternehmensführung, z.B. "investorengeführte" vs. "oligarchengeführte" Agroholdings. Bei "oligarchengeführten" Agroholdings wird in der Regel nur eine Minderheit der Aktien an einer Börse gehandelt, während der Großteil des Eigentums in den Händen des Firmengründers bleibt. Im Falle eines "investorengeführten" Unternehmens werden alle oder die meisten Aktien an einer Börse gehandelt.

Flächengrößte Agrarholdings weltweit

Die Weltrangliste 2017 der flächenmäßig größten Agrarholdings wird von drei australischen Rindfleischproduzenten angeführt. Den ersten Platz belegt nach Recherchen des ukrainischen Online-Fachmagazins latifundist.com das Unternehmen S. Kidman mit einem Areal von 10,1 Mio ha, gefolgt von der Australian Agricultural Company (AACo) mit 6,4 Mio ha und der North Australian Pastoral Company (NAPCO) mit 5,8 Mio ha.

Die globale Nummer vier ist die chinesische Beidahuang Group, die über insgesamt 5,62 Mio ha im Heimatland sowie in Australien und in Südamerika verfügt. Auf dem fünften Platz rangiert wieder ein australischer Rindfleischproduzent, nämlich die Consolidated Pastoral Company (CPC) mit 5,6 Mio ha.

Unter den 30 größten Agrarholdings der Welt waren auch drei ukrainische Firmen. So erreichte die UkrLandFarming mit 605 000 ha Platz 16, direkt gefolgt von Kernel mit 602 000 ha und von MHP mit 370 000 ha auf Platz 27. (topagrar 2018)

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