Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Villikationssystem

System der Grundherrschaft zur Karolingerzeit. Die Villikation (lat. vilicus = Verwalter eines Landgutes, Meier) eines Feudalherrn (Adel, Stift, Kloster, Domkapitel) wurde verwaltet von Fronhöfen (Salhof, Herrenhof) mit jeweils einem Meier, der mit Dienstleistungen der Hintersassen das Herrenland (Salland, terra salica) bewirtschaftete. Zentrum jeder Villikation war die villa (oder palatium), d.h. der Wohnsitz und die Haushaltung des Feudalherrn mit zentralisierten Produktionsbereichen, in erster Linie der Landwirtschaft. Bei größeren Villikationen bestand eine hierarchische Gliederung mit dem Oberhof des Feudalherrn und einer Vielzahl von Haupt- sowie Nebenhöfen der Meier. Die Landwirtschaft auf den Herrenhöfen war arbeitsteilig organisiert. Daran waren nicht allein Bauern beteiligt. Die Viehwirtschaft der Fronhöfe wurde von ständigen Arbeitskräften betrieben, die auf dem Hof oder in unmittelbarer Nähe ansässig und mit etwas Land ausgestattet waren. Einige unter ihnen verrichteten stark differenzierte Handwerksarbeit. In manchen Villikationen - vor allem in flämischen und nordfranzösischen Gebieten - wurden in größeren Werkstätten Tuche gewoben. Das ist ein grundlegender Unterschied zwischen den Villikationen und den Gütern der Neuzeit.

Das Land der Herrenhöfe (Salland) wurde von Bauern in Fronarbeit bestellt. Die Fronbelastungen betrugen vielfach drei Tage in der Woche.

Die fehlende Freizügigkeit der Hintersassen führte zur Fixierung der Siedlungsstandorte, auch Kapellen- und Kirchenbauten trugen vermutlich dazu bei. Die großen Fronhöfe lassen sich heute noch in zahlreichen Dörfern des deutschen Altsiedellandes gut erkennen, da sie sich durch ihre Größe und bauliche Gestaltung, z.B. als große Vierseithöfe, von den Kleinbauernstellen abheben.

Vom 12. bis 13. Jahrhundert vollzog sich die Auflösung der Villikationen, auch wenn vereinzelt Villikationen noch im 14. Jahrhundert bestanden. Die Auflösung ist als organisatorische Anpassung an veränderte Verhältnisse, insbesondere an die zunehmenden Änderungen der ländlichen Machtpositionen und an die Entwicklung der Märkte im Zusammenhang mit der Entwicklung der städtischen Wirtschaft zu sehen. Leitungs- und Organisationsbefugnisse, die zuvor von der Grundherrschaft ausgeübt wurden, gingen auf das Dorf über. Eine neue Rechtsform, die Dorfgemeinde, begann sich auszubilden.

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