Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Transmigrasi

Bezeichnung für ein 1969 gestartetes Um- und Neuansiedelungsprojekt der Regierung Suharto (1967-1998) im Vielvölkerstaat Indonesien. Innerhalb dieses von der Weltbank finanziell massiv unterstützten Migrationsprogramms verlagerten ca. 1,7 Millionen Familien bzw. 6,85 Mio. Menschen ihren Wohnsitz.

Über die Hälfte der Bevölkerung Indonesiens lebt auf der durch die vorherrschenden vulkanischen Böden sehr fruchtbaren Insel Java. Eine entsprechend hohe Bevölkerungsdichte sowie Ressourcenknappheit sind die Folgen. Während Java wirtschaftlich floriert, sind viele der Außeninseln unterentwickelt.

Durch gezielte Umsiedelungen von Familien im Zuge des Transmigrasi-Projekts auf Außeninseln sollte der Bevölkerungsdruck auf den Hauptinseln wie Java und Madura gesenkt und gleichzeitig die Wirtschaft der Außeninseln gefördert werden. In das Transmigrasi-Projekt wurden nur Familien aufgenommen, die bestimmte Bedingungen, wie Erfahrungen in der Landwirtschaft und die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, erfüllten. Die Transmigrasi-Familien wurden in der Zeit nach der Umsiedlung unterstützt durch anfängliche Bereitstellung einer Wohnunterkunft, landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie Saatgut und Grundnahrungsmitteln.

Das Migrationsprogramm erschien bei flüchtiger Betrachtung zwar durchaus sinnvoll, überbevölkerte Regionen sollten entlastet und die Entwicklung bislang wenig erschlossener Gebiete vorangetrieben werden. Auch war Ziel, den Vielvölkerstaat zu einen, statt ihn zu spalten. Städter verschiedener Kulturen sollten einen Modernisierungsschub in die entlegeneren Gebiete Indonesiens tragen und nicht zuletzt zur Ausbeutung der Ressourcen beitragen.

Inzwischen wird Transmigrasi aber als gescheitert angesehen. Nicht nur stehen Aufwand und Ergebnis in keinem guten Verhältnis, das Programm hat zusätzlich mehr Probleme geschaffen als gelöst.

Während Neusiedler aus Java und Madura mit Häusern, Land und Saatgut ausgestattet wurden, gingen die ursprünglichen und ohnehin häufig armen Bewohner leer aus. Den Alteingesessenen wurde zudem entweder direkt oder durch die schiere Zahl der Migranten eine javanische Verwaltung aufgezwungen, die tradierte Strukturen und Hierarchien auflöste und die Ursprungsbevölkerung kulturell und wirtschaftlich an den Rand drängte. Soziale Unruhen waren nur eine Folge der wenig sensiblen Umsiedlungen. Im Februar 2001 kam es etwa in West-Kalimantan zu Gewaltausbrüchen zwischen dort ansässigen christlichen Dayak und transmigrierten muslimischen Maduresen, in deren Verlauf mehrere Hundert Menschen getötet wurden und mehr als 10.000 Maduresen fliehen mussten.

Andere Migranten siedelte man in Regionen mit nährstoffarmen Böden an, ferner wurden landwirtschaftliche Methoden angewandt, die nicht an den tropischen Regenwald angepasst waren, sodass es fast zwangsläufig zu Missernten und Hungersnöten sowie zu einer Verarmung der Transmigrasi-Umsiedler kam. Viele Menschen kehrten hochverschuldet oder durch die Konflikte vertrieben in ihre Heimat zurück. Besonders in Kalimantan auf Borneo führen groß angelegte Umsiedlungswellen zu massiven Umweltschäden und Regenwaldzerstörung durch Kahlschlag und Brandrodung.

Dennoch hält die indonesische Regierung weiterhin an dem Projekt fest. Von einem bevölkerungs- und wirtschaftspolitischen Instrument ist Transmigrasi zu einem innen- und sicherheitspolitischen Kontrollinstrument verkommen, das Unabhängigkeitsbestrebungen verhindern und durch die fortgesetzte Javanisierung der Außeninseln die Bevölkerung homogenisieren und kulturelle Unterschiede zugunsten des Javanischen ausmerzen soll.

Pfeil nach linksTranshumanzHausIndextransnationale UnternehmenPfeil nach rechts