Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Tiertransporte

Jedes landwirtschaftliche Nutztier erlebt mindestens einmal in seinem Leben einen Transport – den zur Schlachtung. Laut statistischem Bundesamt wurden 2017 in Deutschland etwa 746 Millionen Tiere zu einem Schlachthof gefahren. Dabei müssen die Tiere immer größere Distanzen zurücklegen.

Das liegt daran, dass in der Schlachtindustrie, wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, eine deutliche Konzentration der Betriebe stattgefunden hat. Das heißt immer weniger Betriebe schlachten zunehmend mehr Tiere. So wurden zum Beispiel 2017 knapp 79 Prozent aller in Deutschland geschlachteten Schweine in die zehn größten Schlachtbetriebe befördert. Ähnlich sieht es bei Rindern und Geflügel aus.

Mehrmaliger Transport pro Tier

Für viele Tiere ist die Fahrt zum Schlachthof nicht der erste Transport ihres Lebens. Die meisten werden schon vorher – teils mehrere Male – transportiert. Das liegt daran, dass die Tierhaltung heute hochspezialisiert ist. Das heißt, viele Betriebe sind nur noch für einen bestimmten Teil der Erzeugung eines Nutztiers zuständig.

Dazu ein Beispiel: Ein Mastschwein wird in seinem etwa sechs Monate langen Leben in der Regel dreimal transportiert. Als Ferkel kommt es auf einem sauenhaltenden Betrieb zur Welt, wird dann nach drei bis vier Wochen zu einem Ferkelaufzuchtbetrieb und von dort im Alter von neun bis zehn Wochen zum Mastbetrieb transportiert. Auf dem Mastbetrieb wird es in rund 90 Tagen gemästet, bis es dann seinen dritten und letzten Transport zum Schlachthof antritt.

Zunahme der Transporte ins (außereuropäische) Ausland

Landwirtschaftliche Nutztiere werden aber nicht nur innerhalb Deutschlands transportiert, sondern auch über Ländergrenzen hinweg, in andere Länder der Europäischen Union (EU), oder sogar über die EU-Grenzen (Drittländer) hinaus. Sie werden dort entweder geschlachtet oder als Zuchttier für den Aufbau neuer Herden genutzt. Transporte ins Ausland bedeuten für die Tiere nicht zwangsläufig längere Transportwege. So kann ein Transport ins Ausland in grenznahen Gebieten beispielsweise kürzer sein, als einmal durch ganz Deutschland. Wenn der Transport allerdings in weiter entfernte Länder geht, erhöht sich die Transportzeit erheblich und führt zu einer enormen Belastung für die Tiere.

Weil lebende Schlacht- und Zuchttiere aus der EU in vielen außereuropäischen Ländern zunehmend gefragter sind, haben genau solche Langstreckentransporte in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Laut Statistischem Amt der Europäischen Union wurden 2017 viermal mehr lebende Rinder aus der EU in Drittländer exportiert als noch zehn Jahre zuvor. Die Zahl der lebend transportierten Schafe und Ziegen ist im gleichen Zeitraum sogar um das fünfzehnfache gestiegen. Viele der Hauptimportländer liegen im Mittelmeerraum und im Nahen Osten.

Gründe für die weiten Lebendtransporte

Es gibt vor allem zwei Gründe, warum lebende Tiere über so weite Strecken in entfernte Länder transportiert werden. Zum einen gibt es in vielen europäischen Ländern eine große Zahl ausgezeichneter Zuchttiere, die anderswo auf der Welt zum Aufbau neuer Herden sehr gefragt sind. Ein Großteil der Tiere, insbesondere Rinder, Schafe und Ziegen, wird aber allein aus einem Grund transportiert: um im Bestimmungsland geschlachtet zu werden. 

Der Transport von lebenden Tieren ist in der Regel billiger als der Transport von Fleisch hier geschlachteter Tiere, das in speziellen Kühltransportern befördert werden muss. Hinzu kommt: In einigen Bestimmungsländern, so zum Beispiel in der Türkei, sind die Zölle für Fleisch höher als für Lebendtiere. Mit dieser Maßnahme erreicht das Importland, dass die Wertschöpfung, die aus der Schlachtung und Weiterverarbeitung der Tiere resultiert, im Land bleibt.

Außerdem werden viele Tiere in islamisch geprägte Länder exportiert. Im Islam, wie auch im Judentum, ist das Schächten, also das Schlachten ohne vorherige Betäubung, religiöser Brauch. Da diese Form des Tötens von Schlachttieren in Deutschland und vielen anderen Ländern Europas verboten bzw. nur in Ausnahmefällen aus religiösen Gründen erlaubt ist, importieren diese Länder die Tiere lebendig, um sie dann religionskonform schlachten zu können.

Formen des Transports

Nutztiere werden heute meist in LKWs transportiert, nur selten per Bahn, Schiff und Flugzeug. Der Transport erfolgt standardmäßig in ein- oder mehrstöckigen LKWs. Größere Tiere wie Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, bewegen sich dabei frei auf den jeweiligen Decks.

Kleinere Tiere wie Hühner oder Puten werden dagegen meist in gestapelten Boxen oder Käfigen untergebracht. Für die Ausstattung der Transportfahrzeuge gibt es in der EU einheitliche Vorgaben.

Kritik an der Tiertransportpraxis

Obwohl sich in den vergangenen Jahren schon einiges verbessert hat, kritisieren Tierschutzverbände die Bedingungen, unter denen Tiere transportiert werden. Im Fokus der Kritik stehen insbesondere die Langstreckentransporte. Sie haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Vor allem Rinder, Schafe und Ziegen werden über weite Strecken bis in die Türkei, nach Russland, in den Libanon oder sogar nach Usbekistan transportiert . Ein durchschnittlicher Rindertransport in die Türkei dauerte 2017 im Schnitt über 100 Stunden, einer nach Usbekistan sogar mehr als 130 Stunden.

Nach Meinung von Tierschützerinnen und Tierschützern sind die Transportbedingungen auf den Langstrecken untragbar: Die erlaubten Transportzeiten seien zu lang, die Ruhepause unzureichend und das Raumangebot zu gering. Regelmäßig dokumentieren Tierschutzorganisationen Verstöße gegen geltende Tierschutzbestimmungen bei solchen Transporten.

Sie bemängeln zum Beispiel  lange Staus und enorme Verzögerungen an den EU-Außengrenzen, die besonders in den Sommermonaten einen enormen Stress bei den ohnehin schon stark geschwächten Tieren verursachen, da ein Ausladen und eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Futter dort nicht möglich sind. Jenseits der EU-Außengrenzen seien die Tierschutzverstöße noch gravierender, da die europäische Tierschutzverordnung zwar auch außerhalb der EU-Grenzen bis zum Bestimmungsort der Tiere gelte, ihre Einhaltung häufig aber nicht ausreichend kontrolliert würde. Sowohl beim Transport als auch bei den Schlachtungen vor Ort seien Verstöße an der Tagesordnung.

Die Datenbank TRACES (TRAde Control and Expert System) bietet seit 2003 die Möglichkeit, wichtige Informationen über Tiertransporte europaweit zu speichern und weiterzugeben. Eine Kontrolle von Tiertransporten in Echtzeit ist mit TRACES noch nicht möglich. Dennoch gibt es Lösungen, die eine Zusammenführung verschiedener europäischer Überwachungssysteme möglich machen können. (DIP)

Weitere Informationen:

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