Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Tierwohl

Noch nicht einheitlich, insbesondere nicht rechtlich definierte Bezeichnung für ein multidimensionales Konzept, das die Tiergesundheit, das Tierverhalten und den Bereich Emotionen umfasst. Von einer guten Tierwohl-Situation und damit einer tiergerechten Haltung kann ausgegangen werden, wenn die Tiere gesund sind, ihr Normalverhalten ausführen können und negative Emotionen vermieden werden.

Vom Farm Animal Welfare Council (FAWC) wurde der Begriff "animal welfare" bereits vor 40 Jahren durch das Konzept der „Fünf Freiheiten“ beschrieben. Die „Fünf Freiheiten“ sind dabei:
1. Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung,
2. Freiheit von Unbehagen (z. B. durch geeignete Liegeflächen),
3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit,
4. Freiheit von Angst und Leiden,
5. Freiheit zum Ausleben normalen Verhaltens.

Das Tierwohl ist zu einem Thema von breit angelegter wissenschaftlicher Forschung und Diskussion und der Begriff zum politischen Fahnenwort geworden. Der Begriff Tierwohl taucht z. B. auch im Zusammenhang mit den Kampagnen von Schlachtunternehmen (Westfleisch, Vion N.V.) und bei Fast-Food-Ketten (McDonald’s, Burger King) auf.

Das Tierwohl hängt entscheidend davon ab, ob die Tierhaltung den Bedürfnissen der Tiere gerecht wird.

Die Frage des Tierwohls und der Tiergerechtheit stellt sich bei Nutztieren (Haustiere, Versuchstiere, Zirkustiere) und Heimtieren, teilweise auch bei Wildtieren (z. B. Zootiere). Dabei steht die landwirtschaftliche Nutztierhaltung im Vordergrund. Die Entscheidung, welche Haltungsbedingungen und Verfahren als nicht tiergerecht zu bewerten sind, hängt vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand, aber auch von gesellschaftlichen Präferenzen ab. Der Gesetzgeber definiert im Tierschutzrecht Mindestanforderungen.

Zwar existiert kein Tierwohl-Monitoring, anhand dessen sich die Entwicklung der Tiergerechtheit der Nutztierhaltung dokumentieren ließe, wissenschaftliche Untersuchungen belegen aber eine Vielzahl an Problemen. Diese reichen von hohen Krankheitsinzidenzen wie bspw. Euterentzündungen bei Milchkühen, hohen Prävalenzen haltungsbedingter Schäden wie bspw. Fußballenveränderungen bei Mastgeflügel über Verhaltensstörungen wie Schwanzbeißen bei Mastschweinen oder Federpicken bei Legehennen bis hin zur Durchführung von Eingriffen wie Kastration, Enthornung und Schwänze kupieren.

Die Bundesregierung hat am 4.9.2019 das Tierwohlkennzeichengesetz beschlossen. Das Kennzeichen greift die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher auf, unterstützt die Landwirte und führt zu einer Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung.

Erlaubte Quälerei

Die Nutztierhaltung in Deutschland ist auf Exportsteigerung und Wettbewerb ausgerichtet. Das führt zunehmend dazu, dass ein Großteil der deutschen Landwirtinnen und Landwirte dem Preisdruck des Weltmarkts nur dann standhalten kann, wenn sie unter Bedingungen produzieren, die dem Tierschutz zuwider laufen. Oft fehlt es an Platz und Auslauf, die Tiere können sich kaum bewegen oder beschäftigen. Amputationen an Tieren sind weit verbreitet, etwa das Kupieren der Ringelschwänze bei Schweinen oder das Kürzen von Schnäbeln bei Puten.

Quelle: Agraratlas 2019, CC BY 4.0

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