Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Nahrungsmittelverluste

Bezeichnung für die Abnahme der Quantität oder Qualität von Lebensmitteln ("food losses") entlang der Wertschöpfungskette von der Produktionsstufe (Ernte/Schlachtung/Fang) bis vor die Einzelhandelsstufe, die ihre Ursachen i. d. R. in technologischen und infrastrukturellen Voraussetzungen bzw. Restriktionen in der Kette haben.

Als Lebensmittelverschwendung ("food waste") gilt dagegen alles, was am Ende der Lieferkette bei der Verteilung, dem Verkauf und beim Konsum hinsichtlich Quantität oder Qualität von Lebensmitteln vergeudet wird. Dies umfasst insbesondere Abfälle verbrauchsfertiger Nahrungsmittel, welche aber nicht verzehrt werden (können), weil sie z.T. im Einzelhandel, mehr aber noch auf der finalen Stufe der Wertschöpfungskette (aus qualitativen Gesichtspunkten) nicht verbraucht werden. Grundsätzlich gilt dabei, dass es keinen endgültigen Standard der Abgrenzung von "food losses" auf der einen Seite und "food waste" auf der anderen Seite gibt.

Quantitative and qualitative food loss and waste

Quantitative food loss and waste (also referred to as physical food loss and waste) is the decrease in the mass of food destined for human consumption as it is removed from the food supply chain. As such, quantitative food loss refers to the decrease in the mass of food destined for human consumption from decisions and actions by food suppliers in the chain. Quantitative food waste is the physical decrease in food mass resulting from decisions and actions by retailers, food services and consumers.

Qualitative food loss and waste refers to the decrease in food attributes that reduces its value in terms of intended use. It can result in reduced nutritional value (e.g. smaller amounts of vitamin C in bruised fruits) and/or the economic value of food because of non-compliance with quality standards. A reduction in quality may result in unsafe food, presenting risks to consumer health. Qualitative food loss refers to the decrease in food attributes that reduces the value of food in terms of its intended use – it results from decisions and actions by food suppliers in the chain. Qualitative food waste is the same but results from actions by retailers, food services and consumers.

Quelle: FAO 2019

Die Problematik

Global gehen rund 30 Prozent der Nahrungsmittel auf dem Weg vom Acker bis zum Teller verloren oder werden verschwendet. Um unsere Ernährungssysteme effizienter, gerechter, umweltverträglicher und widerstandsfähiger zu machen, müssen diese Verluste dringend verringert werden. Auch mit dem Ziel, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, die bis 2050 um bis zu 60 Prozent mehr Nahrung benötigen wird.

Die Vereinten Nationen haben sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 die Verschwendung von Nahrung um die Hälfte zu verringern, und Nahrungsverluste insgesamt zu reduzieren. Die afrikanischen Länder haben sich in der Malabo-Erklärung sogar dazu verpflichtet, die Nach-Ernteverluste bis 2025 zu halbieren. Wie realistisch diese Ziele sind, ist ungewiss. Läuft alles weiter wie bisher und kommt es nicht zu einer Kehrtwende, dann könnten Verluste und Verschwendung von heute rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmitteln jährlich auf 2,1 Milliarden Tonnen im Jahr 2030 steigen.

Besonders in den Industriestaaten werden Lebensmittel in großem Ausmaß weggeworfen. Immerhin wird die Verschwendung von Lebensmitteln inzwischen in vielen Ländern breit diskutiert und hat zu zahlreichen vielversprechenden Initiativen von Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen geführt hat. Lebensmittelverschwendung, das leuchtet mittlerweile vielen ein, ist wegen der damit verbundenen Ressourcenverschwendung von Land, Wasser, Biodiversität usw. nicht mehr zu akzeptieren und lässt sich durchaus vermeiden.

Anders verhält es sich mit den Nahrungsverlusten, die vor allem in Entwicklungsländern ein großes Problem sind. Die empirische Analyse von Nahrungsverlusten in den Wertschöpfungsketten armer Länder und die Reform von Lieferketten ist aufwändig und komplex. Zwar gibt es viele mehr oder weniger erfolgreiche Einzelinitiativen, die darauf abzielen, mit angepassten und neuen Technologien Nahrungsverluste zwischen Bauern und Händlern zu verringern. Doch es fehlt bisher an länderweiten Erfolgsmodellen und am großen Durchbruch. 

Verluste die zusätzlich vor der Ernte auftreten, können beachtlich sein, sind aber bislang unberücksichtigt, da sie statistisch schwer zu erfassen sind. Bei Trockenheit, Schädlingsbefall oder Pflanzenkrankheiten, ebenso wie bei hohen Lohnarbeitskosten und niedrigen Preisen sind Bauern in armen Ländern oft gezwungen, Getreide, Früchte und Gemüse noch vor der Ernte aufzugeben, was zu hohen Verlusten führt, in den Statistiken aber nicht auftaucht. 

Die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung wird als Möglichkeit gesehen, die Produktionskosten zu senken, die Lebensmittelsicherheit und -ernährung zu verbessern und zur ökologischen Nachhaltigkeit beizutragen, insbesondere durch die Verringerung des Drucks auf die natürlichen Ressourcen und die Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG).

Lebensmittelverluste und -verschwendung sind zu einem wichtigen globalen Thema geworden und sind im SDG 12 (verantwortungsvoller Konsum und Produktion) verankert, das sogar ein spezifisches Ziel in Bezug auf die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung festlegt.

Ohne deren wahrscheinliches Ausmaß und Bedeutung zu berücksichtigen, fasst die folgende Abbildung die möglichen Zusammenhänge zwischen der Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung und verschiedenen SDGs zusammen. Die abgerundeten Kästchen beziehen sich auf die erwarteten Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit, Ernährung, natürliche Ressourcen und die Umwelt.

Nahrungsmittelverluste und -verschwendung und die Nachhaltigkeitsziele
Nahrungsmittelverluste und -verschwendung und die Nachhaltigkeitsziele

NOTE: Die abgerundeten Kästchen beziehen sich auf die erwarteten Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit, Ernährung, natürliche Ressourcen und die Umwelt.

Quelle: FAO

Orte der Nahrungsmittelverluste in der Wertschöpfungskette

Ausgangsbasis für den Umgang mit dem Begriff 'Nahrungsmittelverluste' ist das für die menschliche Ernährung bestimmte und nutzbare landwirtschaftlich oder fischereiwirtschaftlich erzeugte Primärprodukt, also pflanzliche Rohstoffe, die auf Feldern gewachsen sind, bzw. tierische Rohstoffe, die in Ställen bzw. auf Wiesen und Weiden aufgezogen, abgeschöpft oder aus Gewässern gefangen werden, um sodann innerhalb technologischer, rechtlicher und marktgegebener Rahmenbedingungen in den Ernährungskreislauf zu wandern.

Entlang der Wertschöpfungskette können folgende prozessual einander nachgelagerte Einbußen unterschieden werden:

Weitere Informationen:

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