Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Hüle

Auch Hülbe, eine im Bereich der Schwäbischen Alb gebräuchliche Bezeichnung für die in dieser Region typischen, nur vom Niederschlag gespeisten Teiche. Auf der Fränkischen Alb werden sie Hüll oder Hülle (Pl.: Hüllen) genannt. Sie entstanden entweder natürlich oder wurden künstlich angelegt. Die Hülen waren Grundvoraussetzung für die Besiedlung der verkarsteten wasserarmen Albhochflächen. Die Bezeichnungen stammen von mittelhochdeutsch hülwe / hulwe beziehungsweise althochdeutsch huliwa / hulwa für Pfütze, Pfuhl oder Sumpflache ab.

Entstehung

Die älteren Hülen auf den Hochflächen der Schwäbisch-Fränkischen Alb sind natürlichen Ursprungs. Es handelt sich um Dolinen mit einer wasserundurchlässigen Tonschicht am Grund. Der Ton ist ein Rückstand (Residuum) der Kalksteinverwitterung. Er ist in relativ geringer Menge im Kalkstein enthalten, wird aber, anders als das Kalziumkarbonat, aus dem Kalkstein hauptsächlich besteht, bei der Verwitterung nicht aufgelöst. In diesen durch den Ton „plombierten“ Dolinen kann Wasser stehen bleiben und so ein Teich entstehen.

Eine Besonderheit sind die etwas größeren Hülen im Bereich des Schwäbischen Vulkans auf der mittleren Schwäbischen Alb. Beispielsweise liegen die Hülen um Urach meist im Bereich der miozänen Vulkanschlote, die ein Versickern des Oberflächenwassers im Karst verhinderten.

Weil die Zahl solcher Wasserstellen jedoch begrenzt war, entstanden nach dem Vorbild der natürlichen Hülen im Zuge späterer Besiedlungswellen auch zahlreiche künstlich angelegte Teiche. Sie wurden mit Lehm abgedichtet und waren in der Regel etwas kleiner als ihre natürlichen Vorbilder.

Hülen sind in der Regel von Bäumen umgeben und lagen entweder als Feldhüle außerhalb oder als Dorfhüle innerhalb einer Ortschaft – meistens zentral in der Dorfmitte.

Nutzung und weitere Entwicklung

Die Feldhülen dienten in erster Linie als Viehtränke, ferner auch den Hirten als schattiger Aufenthaltsort. Die Nutzung der Dorfhülen war hingegen vielfältiger, sie wurden außer als Tränke vor allem als Löschwasserteich genutzt, oftmals befand sich das Spritzenhaus direkt daneben. Manchmal dienten sie auch zur Textilwäsche, als Flachsrotte oder als Pferdeschwemme. In Notzeiten wurde das in ihnen gesammelte Wasser aber auch als Koch- und Brauchwasser verwendet. Im Sommer waren sie für die Dorfbewohner ein beliebter Treffpunkt oder Festplatz. Im Winter wurden sie außerdem zum Eislauf benutzt. Typischerweise versammelten sich auch Gänse und Enten rund um die Hülen.

Ergänzend zu den Hülen sammelten die Bewohner das Regenwasser auch in hausnahen Zisternen, vornehmlich zur Trinkwasserversorgung. In anderen Fällen wurde das in den Dachrinnen gesammelte Regenwasser aber auch in die Hülen geleitet, dadurch konnte deren Wasservolumen zusätzlich zum eigentlichen Niederschlag erhöht werden.

Während der Dürreperioden musste das Wasser für die Hülen beziehungsweise die Zisternen oft kilometerweit mit Fuhrwerken aus anderen Ortschaften herantransportiert werden. Der Transport der Wasserfässer von den 150 bis 300 Meter tiefer im Tal gelegenen Quellen war schwierig, besonders im Winter, wenn die Aufstiegswege vereist waren.

Die hygienischen Verhältnisse des Hülenwassers waren entsprechend den Nutzungsgewohnheiten äußerst mangelhaft. Erst die ab 1870 schrittweise umgesetzte Albwasserversorgung konnte der mangelnden Wasserverfügbarkeit und -qualität mit ihrem Pumpwasser aus tiefergelegenen Tälern abhelfen.

Mit der Fertigstellung der Albwasserversorgung verloren die Hülen an Bedeutung, der überwiegende Teil verlandete im Lauf der Jahre wieder oder wurde verfüllt – insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren verschwanden viele von ihnen. Die Feldhülen fielen dabei meistens der Flurbereinigung zum Opfer, die Dorfhülen wurden bebaut, in Grünanlagen umgewandelt oder mussten dem fortschreitenden Straßenausbau weichen. Auf der Schwäbischen Alb existieren deshalb heute nur noch etwa 200 Hülen, die meisten davon im Bereich der östlichen Alb. Die noch vorhandenen sind aufgrund ihrer besonderen Tier- und Pflanzenwelt in der Regel besonders geschützt, sie gelten als Naturdenkmäler (Feldhülen) bzw. Kulturdenkmäler (Dorfhülen).

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