Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Mangrove

Tropisches Küstengehölz in gezeitenbeeinflussten Bereichen, das sich besonders günstig in geschützten Buchten, Lagunen, Deltas und anderen Flussmündungen auf Schlickböden entwickelt und eine Vielfalt an außergewöhnlichen Lebensformen beherbergt. Tiere und Pflanzen sind dort an die extremen Umweltbedingungen angepasst, die ein den Tiden ausgesetzter Standort mit sich bringt. Zur Mangrove gehören ca. 70 Baum- und Buscharten. Typischste Gattung ist Rhizophora (Mangrovenbaum) mit Stelzwurzeln sowie Avicennia mit Atemwurzeln. Vereinzelt kommen sie bei günstigen Umweltbedingungen auch in den subtropischen Regionen vor. Neben ihrer Bedeutung als Nähr- und Kinderstube einer Vielzahl von Fischen, Schalentieren und als Vogelhabitat sind sie auch als Küstenschutzelement bedeutsam. Letzteres wurde durch die verheerenden Auswirkungen des Dezember-Tsunamis 2004 im indischen Ozean unterstrichen.

Mangrovenwälder besitzen eine große Anzahl äußerst wichtiger Funktionen. Aufgrund ihrer hohen Produktion an Biomasse spielen sie eine nicht unwesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Abgestorbenes Tier- und Pflanzenmaterial, das aus den Mangroven ins Meer gespült wird, nährt die küstennahen Ökosysteme. Die bei Niedrigwasser deutlich aus dem Wasser ragenden Stelzwurzelgerüste bremsen die Gezeitenströme, Erosion unterbleibt, vielmehr wird Feinsediment abgesetzt. Zudem behalten die Mangrovenwälder Schadstoffe und Sedimente aus Flusseinträgen zurück, bevor diese in die Küstenmeere gelangen und dort die Lebensgemeinschaften schädigen. Für Küstenbewohner bietet die Mangrove traditionell vielfältige Möglichkeiten zur Selbstversorgung. So liefert die Rhizophora mangle ein rotes Holz, das zur Herstellung von Holzkohle verwendet wird und zur Gewinnung von Tanninen (Gerbsäuren), die bei der Lederherstellung eingesetzt werden. Die Küstenwälder bieten Bau- und Brennholz, Früchte und pflanzliche Heilmittel. Als Brutstätte und Aufwuchsgebiete für viele Krebstiere, Muscheln, Garnelenarten und Fische sichert die Mangrove, die eines der produktivsten Ökosysteme der Erde darstellt, die Ernährung der Bevölkerung, die traditionell vom Fischfang lebt. Überall dort, wo sie dem Städtebau und der Garnelenzucht weichen mussten, gingen die Erträge der Küstenfischerei drastisch zurück.

Weltweit bedecken die Mangrovenwälder eine Fläche von ca.15 Millionen ha, das entspricht der Hälfte der Fläche Deutschlands. Man schätzt jedoch, dass in den letzten 30 Jahren ihr Bestand um fast vier Millionen ha abgenommen hat. Es wird geschätzt, dass der 2010 existierende weltweite Mangrovenbestand lediglich der Hälfte der ursprünglichen Ausdehnung entspricht. Lediglich 6,9 % der Mangrovewälder in per Gesetz unter Schutz gestellt. Im Verhältnis zur Gesamtfläche schwindet der Mangrovenwald schneller als der tropische Regenwald. Der Rückgang wird auf die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen (vor allem Reiskulturen und Weideland), Aquakulturen, Siedlungsausdehnung, Nachfrage nach Brennholz, Baumaterial und Zellstoff sowie Tourismus zurückgeführt.

Will man die Zerstörung der Mangroven verhindern, müssen nachhaltige Bewirtschaftungsformen gefunden werden. Dazu sind grundlegende Kenntnisse ihrer Struktur, ihrer ökologischen Funktionen und ihrer Nutzung durch den Menschen notwendig. Als Folgen der Mangrovenzerstörung werden beispielsweise höhere Schäden und Menschenverluste bei Sturmfluten in Bangla Desh angesehen. Alleine die Aquakulturen mit Garnelenaufzucht (shrimp farming) sind für 5-10 Prozent dieses Verlustes verantwortlich. In Ländern mit größerer Produktion wie Thailand sind es nahezu 20 %, auf den Philippinen sogar 75 Prozent. Teilweise versuchen Garnelenproduzenten und Regierungen in jüngerer Zeit die Verluste durch Aufforstungen wieder auszugleichen. In Bangla Desh sind die Mangrovenwälder der Sundarbans zu großen Teilen unter Naturschutz gestellt.

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