Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Flachs

Mehrdeutige Bezeichnung für a) eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Leingewächse (Linaceae) mit rund 200 Arten in gemäßigten und subtropischen Gebieten und dem Synonym Lein (Linum) sowie für b) die Faser der Flachspflanze, die gesponnen zu Leinen verarbeitet wird. Der Begriff kommt von mittelhochdeutsch vlahs, althochdeutsch flahs (flechten).

Als Stammform wird der Zweijährige Lein (L. bienne) vermutet, der im mediterranen und atlantischen Europa, Nordafrika und Mittelasien verbreitet ist.

Je nach der Verwendung werden die verschiedenen Sorten als Faser- oder Öllein bezeichnet, wobei Fasern aus der Sprossachse und Öl aus den Samen gewonnen werden. Durch gezielte Züchtung bleiben beim Öllein die Kapseln nach der Reife geschlossen, so dass die Samen verlustfrei geerntet werden können. Zum Faserlein zählen Sorten, die besonders geeignete Fasern liefern. Beim Ölfaserlein handelt es sich um intermediäre Sorten mit einem mittleren Öl- und Fasergehalt

Historie

Die Fasern von Flachs bzw. Faserlein (Linum usitatissimum) werden seit Jahrtausenden für Bekleidungstextilien und technische Anwendungen (Schnüre, Seile, Netze) eingesetzt; Flachs gehört zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt.

Leinsamen und Kapseln einer Wildsorte wurden in einer etwa 9.000 Jahre alten Grabstätte im heutigen Iran gefunden – es wird vermutet, dass sie als Handelsware aus dem Norden eingeführt wurden. In Syrien ausgegrabene Samen der Kulturform legen einen Anbau des Faserleins schon vor der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends v. Chr. nahe.

Schon vor 4.000 v. Chr. wurde Flachs systematisch am Nil und im Zweistromland (heutigem Irak) angebaut und gehört damit zu den ältesten
bekannten Nutzpflanzen.

Die ältesten Funde in Europa datieren auf etwa 2.700 v. Chr. in der Schweiz; Fäden, Schnüre und Netze waren die typischen Faserleinerzeugnisse. Auch Schriftzeugnisse aus der griechischen und römischen Antike belegen die verbreitete Nutzung des Faserleins. Im Mittelalter war Leinen ein wichtiges Agrar- und Textilhandelsprodukt und hielt seine Bedeutung, bis der Beginn der industriellen Revolution den Siegeszug der leichter zu verarbeitenden Baumwollfaser einläutete. Der Anbau in Deutschland sank von ca. 215.000 ha im Jahre 1850 auf ca. 35.000 ha zur Jahrhundertwende.

Merkmale und Eigenschaften

Der einjährige Flachs oder Kultur-Lein (Linum usitatissimum) ist eine blau oder weiß blühende Pflanze mit bastreichen Stängeln und ölhaltigen Samen. Die krautige Pflanze erreicht Höhen von 60 bis 100 cm. Faser-Lein wir bis zu 1,5 Meter hoch. Faserleine (convar. usitatissimum) sind eher hochgewachsen, wenig verzweigt. Ihre Samen sind deutlich kleiner, als die der Ölleine.

Flachs trägt linealische Blätter und Blütenstände mit hellblauen fünfzähligen Blüten. Die Befruchtung erfolgt vorwiegend durch Selbstbestäubung, seltener durch Insekten. In den Kapseln bilden sich 6 - 7 flache, glänzend braune Samen, sie sind reich an Schleimstoffen, Proteinen und Fetten, enthalten aber auch das Glykosid Linamarin, das, enzymatisch gespalten, Blausäure freigibt.

Die Flachs- oder Leinfaser wird aus den Stängeln der Flachspflanze gewonnen und zählt zu den Bastfasern. Die Leinenfasern bilden Bündel, im Gegensatz zu Samenfasern wie Baumwolle, die aus unverbundenen Einzelfasern bestehen. Die 2,5 bis 6 Zentimeter langen Elementarfasern aus Zellulose sind durch Pektine zu den 50 bis 90 Zentimeter langen Faserbündeln, den technischen Fasern, verbunden.

Gegenüber anderen Bastfasern ist die Leinenfaser gut teilbar, fein verspinnbar, kochfest uns sehr reißfest, was sie für Wäsche und Kleidung auszeichnet. Die Leinenfaser ist glatt und das Leinengewebe schließt wenig Luft ein, so ist Leinen flusenfrei und wenig anfällig gegen Schmutz und Bakterien, die Faser ist von Natur aus bakterizid, fast antistatisch und schmutzabweisend. Durch die hohe Wärmeleitfähigkeit wirkt Leinengewebe auf der Haut besonders kühlend. Jedoch lässt sich Leinen vergleichsweise schlecht bügeln und schlechter einfärben.

Das aus den Leinsamen, den reifen Samen des Flachs, gewonnene, kaltgepresste Leinöl ist goldgelb, warm gepresstes Öl gelblich-braun. Das Öl riecht würzig nach Heu, wird als krautig bis dumpf und leicht röstig beschrieben und kann eine fischige Note aufweisen. Frisch schmeckt das Produkt leicht nussig und heuartig, nach Lagerung wird es bitter und ranzig. Als Lebensmittel wird eine Verwendung innerhalb weniger Wochen empfohlen. Für handwerkliche und technische Zwecke kann es unter Licht- und Luftabschluß oft mehrere Jahre gelagert werden.

Anbau und Ernte

Lein stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden, lediglich staunasse, verschlämmungsgefährdete und anmoorige Standorte verträgt er nicht. Für die Blütenbildung und das Faserwachstum sind Langtagbedingungen nötig. Trockenperioden verringern die Faserbündelanzahl deutlich, der Wasserbedarf des Ölleins ist dabei geringer als der des Faserleins. Wichtig ist eine gute Wasserversorgung von rund 120 Millimeter Niederschlag in der Hauptwachstumsphase im Mai/Juni. In der Fruchtfolge ist ein Abstand von sechs Jahren zwischen zwei Leinanbauten nötig. Dies ist durch die Akkumulation von Schadpilzen, besonders Fusarium oxysporum, im Boden bedingt. Ansonsten stellt Lein keine besonderen Anforderungen an die Fruchtfolge. Wichtig ist eine Vorfrucht, die wenig Unkraut hinterlässt. Als beste Vorfrucht gilt Saat-Hafer, in Frankreich und Belgien wird Lein häufig nach Mais angebaut. Als Langtagpflanze erfordert der Lein eine frühe Aussaat, in der Regel Ende März/Anfang April. Auftretende Spätfröste werden vertragen, verstärken aber die Basalverzweigung, was für Faserlein ertrags- und qualitätsmindernd ist, für Öllein tolerierbar ist. Das Haupternteprodukt – Faser oder Öl – kann neben der Sortenwahl auch durch die Bestandsdichte beeinflusst werden: geringe Dichten fördern die Samenbildung, hohe Bestandsdichten die Faserbildung.

Die einjährige Pflanze gedeiht am besten auf feuchten, nicht zu schweren Böden und bei regelmäßigen Niederschlägen. Dementsprechend war der Flachsanbau im MA. in ganz Nordeuropa zwischen Irland und Rußland verbreitet. Die Hauptanbaugebiete in Deutschland lagen in Schwaben, im Rheinland und Westfalen, in Sachsen, Böhmen und Schlesien. Leinengewänder waren zwar schon den Germanen bekannt gewesen, großflächiger Flachsanbau wurde jedoch erst durch die Einführung der Dreifelderwirtschaft ermöglicht. Die Aussaat begann im Frühjahr (vornehmlich 100 Tage nach Neujahr [10. April], am Gründonnerstag oder am 12. Mai), die Ernte ab der zweiten Junihälfte, kurz vor der Samenreife. 

Faserleine werden eng gepflanzt, damit sich möglichst wenig qualitätsmindernde Verzweigungen bilden können. Die Kapseln bleiben geschlossen. 

Bei der Ernte werden die Pflanzen gerauft (aus dem Boden gezogen) und zum Trocknen in Bündeln aufgestellt oder ausgebreitet. Die Samen werden aus den getrockneten Pflanzen gedroschen. Zur Fasergewinnung werden die bis zu 60 cm langen Faserbündel aus der Sprossachse isoliert. Ursprünglich legte man hierfür die gebündelten Pflanzen zur „Röste“ in stehende oder langsam fließende Gewässer oder ließ sie in taureichen Gebieten auf den Feldern liegen. Auf diese Weise wurden durch pektinzehrende Bakterien oder Pilze die Mittellamellen der Zellwände aufgelöst. Heute wird die Mazeration chemisch vollführt. Nach 2 bis 3 Wochen wurden die Pflanzen erneut getrocknet, anschließend geklopft oder gebrochen. Die isolierten Faserbündel wurden wiederholt über ein Nagelbrett gezogen, um lange und kurze Fasern voneinander zu trennen und die Fasern parallel auszurichten.

Die Leinenproduktion ist im Unterschied zur Baumwolle auf wenig Chemikalieneinsatz (Dünger, Pestizide) angewiesen. Auch ohne moderne Technik kann Leinen hergestellt werden, jedoch ist die Produktion der Leinenfaser aufwändig und arbeitsintensiv.

Wirtschaftliche Bedeutung

Der Kultur-Lein stammt von Linum bienne ab, der wie alle Wildarten der Gattung mehrjährig ist. Lein ist seit ca. 8000 Jahren in Kultur (Ägypten, Babylonien, Phönizien, Israel). Heute wird er weltweit angebaut. Man unterscheidet nach dem gewünschten Ernteprodukt 2 Zuchttypen: den Öllein, dessen Samen einen besonders hohen Fettgehalt haben, und den Faserlein. Im Rindengewebe des Stengels liegen in Bündeln 3–10 cm lange Sklerenchymfasern. Entsprechend sind die Züchtungen beide Wege gegangen, wobei zu fast 80% Öllein angebaut wird.

Im letzten Jahrhundert ist Flachs durch den Import von Baumwolle und in jüngerer Zeit durch die Verwendung synthetischer Fasern als Faserpflanze völlig in den Hintergrund getreten. Heute findet der Anbau speziellen Faserleins vor allem in Russland, Belgien, Holland und Frankreich statt. Doch gewinnt der Flachs auch in Mitteleuropa als nachwachsender Rohstoff heute wieder zunehmend an Bedeutung.

Ölleine (convar. mediterraneum) werden hauptsächlich im Mittelmeerraum, Nordafrika, Indien, Türkei und Südamerika angebaut. Sie sind niedriger gewachsen, stärker verzweigt mit vielen Blüten. Die Fasern des Ölleins sind kurz, grob und werden nicht verwendet. Für die Ölerzeugung aus dem Samen werden die Pflanzen bei Vollreife geerntet. Neben der Verwendung des Leinöls als wertvolles Speiseöl findet es durch seine besonderen physikalischen Eigenschaften industriell Verwendung in der Herstellung von Anstrichfarben, Lacken, Linoleum und Druckfarben und in der Papier-, Leder- und Wachsindustrie.

Der Anteil des Leinens am weltweiten Faseraufkommen liegt nur bei rund zwei Prozent. Die größten Anbaugebiete (mit Anbaufläche in Hektar 2005) sind China mit 161.000 ha, die EU mit 102.740 (v. a. Frankreich und Belgien), Russland mit 89.210, Weißrussland mit 71.000, die Ukraine mit 23.600 und Ägypten mit 8.900 Hektar. In Deutschland mit 30 und Österreich mit 129 Hektar ist der Anbau bedeutungslos.

Die Weltproduktion liegt bei rund zwei Millionen Tonnen jährlich. Der Großteil der Wertschöpfung beim Faserleinanbau erfolgt mit den Langfasern, die in der EU rund 88 % des Umsatzes ausmachen. 2003 lag der Preis für die Tonne textile Langfasern bei 1.593 Euro, für textile Kurzfasern bei 345 Euro, für Kurzfasern für Papier bei 170 Euro, und für Kurzfasern für Dämmstoffe oder Verbundwerkstoffe bei 400 bis 500 Euro. Der Großteil der europäischen Langfaser-Produktion geht in den Export, vor allem nach China.

Der Öllein wird hauptsächlich in Nordamerika angebaut. Die jährlichen Erntemengen schwanken von Jahr zu Jahr beträchtlich und lagen im Hauptanbauland Kanada zwischen 1996 und 2005 zwischen 517.000 und 1.082.000 Tonnen Leinsamen. Die wichtigsten Anbauprovinzen sind dabei Saskatchewan und Manitoba, kleine Flächen gibt es auch in Alberta. Die Welternte betrug 2006 laut FAO 2.569.793 Tonnen.

Verwendung

Leinöl (Ölpflanzen) wird durch Kalt- oder Warmpressen der gemahlenen Leinsamen gewonnen; der nährstoffreiche Preßkuchen ist ein gutes Viehfutter (Leinkuchen). Leinsamen finden auch in der Medizin Verwendung. Wegen ihres Quellvermögens dienen sie vor allem als sanftes Abführmittel; Leinöl soll, äußerlich angewandt, Hauterkrankungen günstig beeinflussen.

Es wird, aufgrund seiner schnellen Trocknungsfähigkeit, überwiegend technisch verwendet u.a. als Grundstoff für Farben und Lacke, sowie in der papier- und Lederindustrie. Leinöl kann auch zu Schmierseife verarbeitet werden.

Arzneilich werden vor allem die reifen, getrockneten Leinsamen (Semen lini) genutzt. Sie bestehen aus etwa 40% Fett, 20% Eiweiß, 20% Kohlehydrate, 6% Schleimstoffe und 10% Wasser. Zusätzlich finden sich noch cyanogene Glykoside (z.B. Linamarin und Lotaustralin), welche u.a. zu Blausäure abgebaut werden können, die jedoch in der vorliegenden Form und Konzentration für den Menschen nicht gefährlich sind; ganz im Gegensatz zu den Bittermandeln.

Die Pressreste (Placenta Seminis Lini) enthalten noch alle Eiweiße und Kohlehydrate und werden als Presskuchen zu hochwertigem, eiweißhaltigem Viehfutter weiterverwendet bzw. aufgrund ihrer guten Wärmespeicher Eigenschaften als Kataplasmen (Breiumschläge) genutzt.

Leinengewebe wurden traditionell für Bett- und Hauswäsche verwendet. In dieser Nutzung wurden sie von der billigeren Baumwolle verdrängt. Andererseits kommen neue Einsatzgebiete wie Kleidung und Dekorationsstoffe hinzu, besonders in Form handgewebter hochpreisiger Produkte. Leinen wird als Bezugsstoff für Bucheinbände verwendet, außerdem für Schuhe, Taschen und hochwertige Akupressurmatten. Namengebend waren Leinenstoffe zum Bespannen für Leinwände in der Malerei. Leinenstroh findet zusehends eine große Bedeutung als Einstreu in der Pferdehaltung. Dazu verwendet man den holzigen Teil des Flachsstängels. Die Saugkraft ist zehnmal so hoch wie von gewöhnlichem Stroh, viermal so hoch wie bei Holzspänen.

In der heutigen Zeit findet Faserlein nun auch als Baustoff in Form von Dämmstoffmatten, -platten und -vliesen sowie als Stopfwolle für die Wärme- und Schalldämmung Verwendung. Der Dämmstoff Flachs kann in Innen- und Außenwänden sowie in Dach- und Deckenkonstruktionen eingebaut werden. Für die Dämmstoffherstellung werden die in der Textilindustrie nicht benötigten Kurzfasern eingesetzt.

Leinenstroh findet zusehends eine große Bedeutung als Einstreu in der Pferdehaltung. Dazu verwendet man den holzigen Teil des Flachsstängels. Die Saugkraft ist zehnmal so hoch wie von gewöhnlichem Stroh, viermal so hoch wie bei Holzspänen.

Die Flachsfaser wird auf Grund ihrer guten mechanischen Eigenschaften und regionalen Verfügbarkeit vermehrt als Verstärkungsfaser für Naturfaserverbundwerkstoffe eingesetzt. Hinzu kommt, dass der Preis von deutlich unter einem Euro pro Kilogramm für technische Fasern in den letzten Jahren nur geringen Schwankungen unterworfen war.

Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete für flachsfaserverstärkte Kunststoffe ist die Automobilindustrie, fast zwei Drittel der hier eingesetzten Naturfasern sind Flachsfasern. In den letzten Jahren gehören aber auch andere Industriezweige zu den Abnehmern.

Die für die Produktion von naturfaserverstärkten Kunststoffen eingesetzten Fasern sind preislich bedingt vor allem Kurzfasern. Eines der wichtigsten Verarbeitungsverfahren für Naturfasern ist das Formpressen, bei dem sogenannte Fasermatten zusammen mit duroplastischen oder thermoplastischen Kunststoffen unter Temperatureinwirkung verpresst werden.

Verschiedene Lein-Arten wie z.B. Linum grandiflorum (Nordafrika) mit rosafarbenen oder roten Blüten oder der blaublühende, in Europa heimische Dauer-Lein (Linum perenne) werden als Zierpflanzen gezogen.

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