Kunstwiesenbau
Traditionelle Form der Anlage von Wässerwiesen mit vollständiger Umgestaltung der Oberfläche, die als Hänge oder Rücken (sog. künstlicher Rückenbau) modelliert wurden. Die vollkommensten Kunstwiesen existierten in der Lombardei (ab dem 11. Jh.) und im Siegerland (Blütezeit im 19. Jh.). Weitere Beispiele finden sich in vielen Teilen Europas, z. B. um Suderburg (Lüneburger Heide), um Schleusingen und Königsberg (Preußen), in Flandern oder in Südengland. Aus der Grafschaft Dorset ist 1649 erstmals die spezifisch englische Innovation der bedwork water meadow dokumentiert.
Der älteste Hinweis auf die Existenz des Kunstwiesenbaus im Siegerland findet sich in der Hospitalordnung der Stadt Siegen aus dem Jahre 1534, die den Spitalmeister anweist, die von ihm verwalteten Wiesen zu bewässern. Der Wortteil ‚Kunst‘ im Begriff ‚Kunstwiesenbau‘ geht auf die künstliche Umgestaltung der Wiesenoberflächen zurück.
Die Entwicklung des überregional bedeutenden Siegerländer Kunstwiesenbaus steht in engem Zusammenhang mit der Eisenerzgewinnung und -verhüttung im Siegerland. Dazu waren große Mengen an Holzkohle und entsprechende Waldflächen nötig, wodurch die nutzbaren Wiesen- und Weideflächen stark eingeschränkt wurden.
Ein Ausgleich durch intensive Wiesennutzung musste geschaffen werden um den Viehbestand nicht stark verringern zu müssen und um die Ernährung der als Bergleute tätigen Nebenerwerbsbauern zu sichern. Die notwendige Futtermenge wurde durch Leistungssteigerung mittels künstlicher Bewässerung ermöglicht.
Die Eisenindustrie mit ihrem großen Bedarf an Pferde- und Ochsengespannen hatte selbst ein großes Interesse an der Erhöhung des Heuertrags der Wiesen.
Daher bildeten sich im Laufe der Zeit zwei sehr verschiedene Methoden heraus:
- die seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts übliche Haubergwirtschaft, bei der die Flächen abwechselnd als Wald und als Viehweide genutzt wurden,
- der (Kunst-)Wiesenbau, bei dem die optimale Bewässerung im Vordergrund steht. Den Anstoß zur systematischen Bewässerung der Wiesen gab folgender Umstand: Die Hüttenleute durften ihre Hammerwerke nur an 60 Tagen im Jahr betreiben, so dass für die Triebwerkskanäle nur während dieser Zeit Wasser benötigt wurde. In den relativ langen Perioden der Arbeitsruhe trat das Wasser über die Ufer und überflutete die anliegenden Wiesen, was den Graswuchs auffallend förderte. Aus dieser Beobachtung wurde unter geschickter Anpassung an die Bodenart, das Gefälle des Geländes und die zur Verfügung stehende Wassermenge sowie durch Modellierung der Oberfläche ein System entwickelt, das eine Vielfalt von Bewässerungsarten umfasste.
Der großflächige Kunstwiesenbau hatte einst neue Landschaften geschaffen, heute sind die Bewässerungsflächen aus dem Landschaftsbild der Tiefländer verschwunden. Intensive agroindustrielle Bodennutzung und Energiewirtschaft beherrschen die weiten Ebenen.
Weitere Informationen:
- Water Meadows (Historic England)