Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Kolonisation

Die Ausweitung des Siedlungs- und Kulturlandes, je nach historischem Kontext auch verbunden mit der Gründung und Entwicklung von Kolonien (lat. colonia: Ansiedlung).

Kolonisation und die verwandten Begriffe haben in Bezug auf menschliche Gesellschaften ein weites Bedeutungsspektrum. Sie beziehen sich auf die Landnahme und die Besiedelung von Gebieten, sowie auf die Expansion einer Gesellschaft über ihren angestammten Lebensraum hinaus. Die Begriffe werden in Politik- und Geschichtswissenschaft sowohl für frühe Kulturen verwendet, als auch für neuzeitliche Entwicklungen. Die Kolonisation in der Neuzeit kann die Urbarmachung, Besiedelung und Entwicklung bisher ungenutzter Gebiete eines Staates bedeuten. In diesen Fällen wird auch von Binnenkolonisation (-kolonisierung) oder innerer Kolonisation gesprochen. Kolonisation kann aber auch expansive und aggressive Usurpation und anschließende Fremdherrschaft durch ein Volk aus einer anderen Kultur, durch eine fremde Staatsmacht, also Kolonialismus bedeuten.

Landnahme gab es bereits in der Steinzeit. Kolonisationen gibt es seit der Entstehung von Hochkulturen. Kolonisatoren konnten außer Staaten auch Gebietskörperschaften (Teilstaaten) oder Institutionen (Kaufleute, Orden, Freibeuter, Piraten) sein. Diese frühe Kolonisation ist nicht an den neuzeitlichen Begriff der Schaffung eines überseeischen Gebietes eines zentralistischen Staates gebunden, sondern war mit sehr unterschiedlichen Begleiterscheinungen verbunden. Kolonisation ist grundsätzlich von Kolonialismus als Herrschaftsprinzip zu unterscheiden. Die Kolonisation aus Expansionsstreben bezeichnet man als Imperialismus. Kolonisation hat, auch wenn offiziell andere Gründe genannt werden oder in der Diskussion sind, primär wirtschaftliche Gründe. Man sicherte sich z. B. den Zugriff auf Ressourcen (Menschen, Waren) in einem fremden Gebiet oder Staat.

Mit dem Begriff Innere Kolonisation wurde zeitgenössisch die Parzellierung und Aufsiedlung von Gütern in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere in den östlichen Provinzen Preußens, bezeichnet.

Sie war eine direkte politische Reaktion auf die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in diesen Gebieten zu beobachtende Landflucht. Die Befürworter der Siedlungsbewegung gaben der ihrer Meinung nach ungesunden Verteilung des Grundbesitzes, bei der sich ein Großteil – meist mehr als die Hälfte – des Grund und Bodens im Besitz von Großgrundbesitzern befand, die Schuld. Sie propagierten deshalb eine Verringerung des Anteils des Großgrundbesitzes und die gezielte Schaffung von bäuerlichen Familienbetrieben.

(s. a. Agrarkolonisation)

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