Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Hanf

Botanisch gehört Hanf zur Gattung der Cannabisgewächse mit der evtl. einzigen, aus Zentralasien stammenden, heute über alle gemäßigten und subtropischen Regionen der Erde verbreiteten Art Gewöhnlicher Hanf (Cannabis sativa). Die einzelnen Bestandteile der Pflanze (Fasern, Samen, Blätter, Blüten) werden ungenauerweise ebenfalls als Hanf bezeichnet. Aus diesen Pflanzenteilen können jeweils sehr verschiedene Produkte hergestellt werden.

Auch der  Indische Hanf (Cannabis indica) ist eine Pflanzenart der Gattung Hanf (Cannabis), wobei umstritten ist, ob der Indische Hanf eine eigene Art oder eine Unterart von Cannabis sativa ist.

Hanf ist ein naher Verwandter des Hopfens (lat. Humulus lupulus) und ähnlich robust wie dieser.

In der öffentlichen Diskussion um Hanf und Cannabis wird unterschieden zwischen THC-armem und THC-reichem Hanf. THC, die Abkürzung für Tetrahydrocannabinol, ist die psychoaktive Substanz der Hanfpflanze, Grundlage für halluzinogene Drogenpräparate wie Haschisch oder Marihuana.

Aus THC-freiem Hanf, auch Faserhanf oder Nutzhanf genannt, lassen sich dagegen keine Rauschmittel gewinnen. 

Geschichte

Ursprünglich stammt Cannabis wahrscheinlich aus Kasachstan. Hanf spielte in den Hochkulturen dieser Erde von Beginn an eine entscheidende Rolle als Rohstoffpflanze. Der genaue Zeitraum ihrer Kultivierung ist umstritten. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sie bereits 4000 Jahre v. Chr. in China angebaut wurde, um aus den Fasern Papier, Textilien, Seile und aus den Samen Öl herzustellen. Das erste nachgewiesene Papier der Welt wurde aus Hanf hergestellt – es blieb ein Stück Hanfpapier aus der Zeit von 140 bis 87 v. Chr. erhalten.

Über Indien und die antiken Hochkulturen im heutigen Irak trat der Hanf seinen Weg um die Welt an. In Europa sind die ältesten Funde ca. 5500 Jahre alt und stammen aus dem Raum Eisenberg (Thüringen).

Im Römischen Reich wurden wegen Hanf Kriege geführt. Hanf war vom ersten Jahrtausend vor Christus bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts weltweit die am häufigsten angebaute Nutzpflanze. Im 13. Jahrhundert kam der Papierrohstoff Hanf schließlich nach Europa. Besonders begehrt war die Hanfpflanze aufgrund ihrer heilenden Kraft. Man deckte die Wunden der Krieger mit Cannabisblättern ab, benutzte Hanf gegen Gicht und Geistesabwesenheit. Im Jahr 1455 druckte Gutenberg seine erste Bibel auf Hanf. Als Kolumbus 1492 Amerika entdeckte, bestanden Segeltuche und das gesamte Tauwerk der Schiffe aus Hanf. Kolumbus brachte den Hanf nach Amerika. Erste Entwürfe der amerikanischen Verfassung und der 1776 unterzeichneten amerikanische Unabhängigkeitserklärung wurden möglicherweise auf Hanfpapier geschrieben.

Mit der Industrialisierung begann der Niedergang der Hanfnutzung. Damals konnte man Hanf noch nicht maschinell ernten und brechen. Hanfverarbeitung war Handarbeit und daher aufwendig, mühsam und teuer. Rohstoffe wurden entdeckt, die billig eingekauft und rationeller weiterverarbeitet werden konnten. Anfang des 18. Jahrhunderts war die Cotton Gin, erfunden worden, die half, Baumwolle industriell zu verarbeiteten. Die auf diese Weise billig produzierte Baumwolle revolutionierte den Textilmarkt. Daneben wurde die in Indien zu Hungerlöhnen produzierte Jute-Faser nach Europa importiert. Neben der Textilindustrie fand auch die Papierindustrie einen neuen, billigeren Rohstoff: das damals kostenlos verfügbare, massenhafte Holz dichter, weiter Wälder.  In Südwestdeutschland ging der Hanfanbau mit dem Aufkommen des für die Bauern rentableren Tabakanbaus sowie mit der Einfuhr von Sisalfasern zurück und kam bis zum Ersten Weltkrieg bis auf wenige Ausnahmen praktisch zum Erliegen.

Als dann 1938 endlich die erste vollautomatische Hanfschälmaschine in den USA vorgestellt wurde, setzten führende amerikanische Industrielle, unter anderem Vertreter aus der Baumwoll- und Pharmaindustrie, eine Hanfsteuer und schließlich ein Hanfanbauverbot in den USA durch und verschlossen damit endgültig die Absatzmärkte für Hanf. In der Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängten Kunstfasern besonders des Herstellers DuPont den Hanf auch aus der Bekleidungsherstellung, unterstützt von der Anti-Cannabis-Kampagne von Harry J. Anslinger und und William Randolph Hearst (Zeitungsmogul) ab der dreißiger Jahre. Ausnahmen bildeten hier die „Hemp-for-Victory“-Kampagne des US-Militärs, das dringend den Rohstoff Hanf für die Rüstung brauchte, sowie die Landwirtschaftspolitik im nationalsozialistischen Deutschland, die den Anbau von Hanf als nachwachsenden Rohstoff vor Kriegsbeginn in wenigen Jahren vervierfachte.

Durch die Fortschritte der Pharmaindustrie bei der Herstellung synthetischer Produkte verlor Cannabis im gleichen Zug seine führende Stellung als Medikament. Als allerdings die Rohstoffmärkte im Zweiten Weltkrieg bedroht waren, wurde überall das Hanfverbot zurückgenommen und die Armeen mit strapazierfähiger Hanfbekleidung ausgerüstet. In den USA wurde der Hanfanbau mit dem Film "Hemp for Victory" (Hanf für Sieg) propagiert, der den Farmern vorgespielt wurde. Auch im Deutschen Reich wurde der Hanfanbau zu Kriegszwecken gefördert. "Die lustige Hanffibel" wurde aufgelegt, um für den Hanfanbau zu werben. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Nutzpflanze Hanf endgültig der Garaus gemacht.

In Europa und in Deutschland wurden der Cannabis-Besitz und der Hanf-Anbau im vorigen Jahrhundert in mehreren Schritten gesetzlich verboten. Seit 1996 dürfen jene mehr als 40 Faserhanfsorten wieder legal angebaut werden, deren THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Der Anbau ist genehmigungspflichtig. Den Zahlen des zuständigen Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung haben 2014 insgesamt 100 Betriebe auf mehr als 700 Hektar Hanf angebaut. Weltweit wird die Anbaufläche aktuell auf gut 100.000 Hektar geschätzt.

Merkmale

Hanf ist eine bis 4 m hohe einjährige Pflanze mit Pfahlwurzel. Charakteristisch sind der eckige Stängel und die aus fünf bis neun Fingern bestehenden langgestielten, gesägten Blätter. Hanf ist zweihäusig, d. h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Die Blüten sind grünlich und unscheinbar. Die einsamigen Früchte sind grauweiße, eiförmige Nüsschen.

Alle oberirdischen Teile der Pflanze (besonders der obere Teil des Stengels, die oberen Blätter und die Deckblätter) sind mit Harzdrüsen und Haaren besetzt. Die 5–55 mm langen Bastfasern des Stengels bestehen hauptsächlich aus Cellulose und werden ähnlich wie Jutefasern (Corchorus) durch Rösten und anschließendes Brechen der nach der Ernte entblätterten und leicht getrockneten Sproßachse gewonnen.

Anbau

Die schnell wachsenden Hanfpflanzen gedeihen in nahezu allen Regionen der Welt. Die höchsten Erträgt liefern sie in gemäßigtem Klima mit reichlich Wasser.

Am besten gedeiht Hanf auf tiefgründigen nährstoffreichen Böden mit guter Wasserführung. Die Wurzeln des Hanfs können bei entsprechenden Bodenverhältnissen bis zu 140 cm in den Boden eindringen – das ist wesentlich tiefer als bei vergleichbaren Nutzpflanzen. Aus diesem Grund wurde Hanf früher häufig auf ausgelaugten, verhärteten Böden gepflanzt, um den Boden zu lockern und gegebenenfalls für den späteren Anbau anspruchsvollerer Pflanzen wie etwa Getreide vorzubereiten. So hat Nutzhanf einen hohen Vorfruchtwert: Mit seinen tiefreichenden Pfahlwurzeln holt er Wasser aus tiefen Bodenschichten, ist weitestgehend anspruchslos, robust und unterdrückt Beikraut hervorragend. Auch Krankheiten und Schädlinge sind nur selten ein Problem.

Hanf wurde auch in versteppten Gebieten verwendet, um den Boden nicht nur zu lockern, sondern zugleich zu beschatten. Erst wenn der Boden gebessert war, wurden andere Nutzpflanzen gesät.

In Mitteleuropa erfolgt die Aussaat Ende April mit einer angestrebten Saatdichte von 200 Pflanzen pro m². Für die Ernte im August steht derzeit noch keine ausgereifte Technik zur Verfügung. Nach dem Mähen oder Häckseln erfolgen in der Regel eine Trocknung auf dem Feld, eventuell eine Entholzung, das Pressen und die Verarbeitung. Der Gesamtertrag liegt bei 100 - 120 dt/ha mit einem Fasergehalt von 25 - 35 %.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die weltweiten Anbauflächen für Nutzhanf betragen heute etwa 60.000 bis 100.000 Hektar und schwanken stark von Jahr zu Jahr. Für 2005 wurde die weltweite Anbaufläche auf etwa 115.000 Hektar geschätzt, von denen etwa 80.000 Hektar auf Asien (vor allem China und Nordkorea), 14.000 Hektar auf EU-Länder, 5.700 Hektar auf andere europäische Länder, 10.000 Hektar auf Nordamerika (ausschließlich Kanada), 4.300 Hektar auf Südamerika und 250 Hektar auf Australien entfallen. Die führenden Anbauländer sind China, Russland, Kanada und Frankreich, während in anderen Ländern der Anbau eher gering ist. In der Schweiz ist etwa der Kanton Graubünden bekannt für seinen Nutzhanfanbau.

Mit Wirkung zum 16. April 1996 wurde auch in Deutschland nach einer europäischen Verordnung das seit 1982 im Betäubungsmittelgesetz bestehende pauschale Hanfanbauverbot für den Nutzhanf aufgehoben. Seither dürfen zugelassene Nutzhanfsorten wieder angebaut werden, allerdings nur von landwirtschaftlichen Betrieben und auch nur dann, wenn der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) – das ist der in den Blüten enthaltende psychoaktive Wirkstoff – unter 0,2 Prozent liegt.

Obwohl seit 2001 die Europäische Union ihre Subventionen für die Hanfpflanze um rund ein Drittel gekürzt hat, taucht die verdrängte Nutzpflanze allmählich wieder im deutschen Ackerbau auf. Im Jahr 2022 haben in Deutschland 889 landwirtschaftliche Betriebe 6.943 Hektar Nutzhanf angebaut – ein neuer Rekord. Innerhalb von fünf Jahren hat sich damit die Anbaufläche mehr als verdoppelt.

Mit Abstand wichtigstes Anbauland ist Niedersachsen, wo 2022 auf fast 2.000 Hektar Nutzhanf angebaut wurde, gefolgt von Bayern. Auf diese beiden Bundesländer entfallen auch beinahe die Hälfte aller Anbaubetriebe in Deutschland.

Im Jahr 2006 wurden weltweit geschätzt rund 14.400 Tonnen Cannabis erzeugt.

In Europa wurde bis Anfang der 1990er Jahre fast ausschließlich in Frankreich Hanf angebaut (etwa 6.000 Hektar) und zur Produktion von Zigarettenpapier genutzt, geringe Exportmengen kamen aus Spanien nach Frankreich. Vor allem auf der Suche nach Alternativen zum stagnierenden und teilweise rückläufigen Lebensmittelanbau und vor dem Hintergrund zunehmenden landwirtschaftlichen Brachflächen wurde Hanf wie andere nachwachsende Rohstoffe nach dem Wegfall des Anbauverbotes europaweit gefördert, zugleich gewann Hanf als Nutzpflanze zunehmend auch wissenschaftlich und wirtschaftlich Rückhalt.

Verwendung

Hanf ist eine vielseitige Pflanze, da verschiedene Teile vom Stängel bis zur Blüte - zumindest  theoretisch - zum "Wohnen und zum Anziehen" verwendet werden können (Lawrence B. Smart, Cornell University). Die Pflanze sei auch eine wertvolle gluten- und sojafreie Proteinquelle, reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die sonst vor allem in Fisch vorkomme. Sie eigne sich daher als Nahrungsergänzungsmittel für Veganer und auch als Tierfutter.

In der Umweltbilanz stehen einem praktisch pestizid- und herbizidfreien Anbau die Anwendung von Fungiziden (bei feuchter Witterung) sowie eine (mäßige) Stickstoffdüngung (auf ehemals ungedüngten Brachflächen) gegenüber.

Aus dem Rohstoff der Hanffasern lassen sich Dämm- und Isolierstoffe gewinnen, Hanf ist Grundlage für zahlreiche Textil- und Papierprodukte. Die Kurzfasern des Hanfes werden wegen ihrer hohen Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Wasserbeständigkeit zu Säcken, Netzen, Seilen, Geotextilien, Dämmvliesen und Autoinnenverkleidungen verarbeitet. Die Zellulosefasern nutzt man zur Herstellung von Spezial-, Filter-, Zigaretten- und Zeitungspapieren. Aus den Schäben lassen sich Baumaterialien, Brenn- und Füllstoffe sowie Einstreu für die landwirtschaftliche Tierhaltung herstellen. Aus den Langfasern schließlich stellt man Bekleidung her.

Im Gegensatz zu aus Holz gewonnenem Papier hat Hanfpapier eine wesentlich höhere Wertig- und Haltbarkeit: Es vergilbt so gut wie gar nicht.

Aus den proteinreichen Hanfsamen lassen sich kosmetische Präparate, aber auch Nahrungsmittel gewinnen.

Als Nebenprodukt der Fasergewinnung fallen die Früchte des Hanfs an. Sie werden als Vogelfutter genutzt oder wegen ihres Fettgehalts (30–35%) zur Ölgewinnung ausgepresst.

Berauschende Cannabis-Produkte wie Marihuana, Haschisch und seltener Haschöl werden von den ausgereiften, getrockneten weiblichen Blütenständen der Hanfpflanze gewonnen und geraucht. Haschisch ist das gepresste Harz, das während der Blüte der Pflanze gewonnen wird. Es wird geraucht oder in Speisen konsumiert. Das aus der Pflanze extrahierte Haschischöl wird entweder gelutscht oder verdampft und eingeatmet. Marihuana wird vor allem für den regionalen Markt produziert, Haschisch dagegen meist über längere Distanzen gehandelt. Der Anbau der Cannabis-Pflanze teilt sich in Outdoor- und Indoor-Plantagen.

Diese Rauschdrogen erzeugen je nach Zustand und Persönlichkeit des Konsumenten Apathie, Euphorie, Halluzinationen oder Erregungszustände. Chronischer Haschischkonsum kann zu psychischer Abhängigkeit und schweren Persönlichkeitsveränderungen auf der Basis hirnorganischer Schäden führen.

Cannabis indica hat eine stärkere sedative Wirkung als Cannabis sativa, das eine mehr psychedelische und anregende Wirkung hat.

Im aktuellen World Drug Report der Vereinten Nationen gibt es keine verlässlichen Daten bezüglich der Herstellung von Cannabis-Produkten. Marihuana wird in praktisch jedem Land produziert und ist somit die am weitesten verbreitete Droge der Welt, auch was den Konsum anbelangt. Oftmals werden die Stoffe auf lokaler Ebene angebaut und dort auch konsumiert. Die Haschisch-Produktion hingegen beschränkt sich auf einige wenige Regionen der Erde, nämlich Nordafrika, den Mittleren Osten und Südwestasien.

Für das Jahr 2017 schätzt UNODC die Zahl der Cannabis-Konsumenten auf 188 Millionen.

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