Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrarwüste

Eher abwertende Bezeichnung für eine durch Nutzungsintensivierung an Strukturen, Artenvielfalt, historischen Elementen und Ästhetik verarmte, monofunktionale Agrarlandschaft in Großparzellen. Eine etwas mildere Metapher ist Agrarsteppe.

Auszug aus: Vielfalt statt Einfalt - Ein Plädoyer für mehr Polykultur in der Landnutzung von Florian Hurtig

»Eine ausgeräumte, nackte Maschinensteppe, am Reisbrett konstruiert […]. Eine Landschaft ohne Spuren, ohne Geschichte, ohne Namen, ohne Tiere, ohne Baum und ohne jeden Strauch […]. Man wundert sich, wie [… die Bäuerinnen und Bauern] den Weg zu ihren Feldern finden.« So beschreibt der bekannte Filmemacher und Buchautor Dieter Wieland – eher kopfschüttelnd – die Folgen der modernen Landwirtschaft auf Landschaft und Natur. Unsere Landschaften sind uns fremd geworden – lebensfeindliche Produktionsstätten für Agrarerzeugnisse, in denen wir uns nicht wiederfinden. Wer will denn heute noch raus auf dieses monotonisierte Land? Was gäbe es dort noch zu sehen? Kilometerweite Agrarwüste, ein Quadratmeter wie der nächste, ein Hektar wie der andere. Eine Diktatur des rechten Winkels und der geraden Linie.
Gleichförmigkeit in zwei Dimensionen, während die dritte, vertikale, ganz abgeschafft wurde. Wo das Auge nichts zum Festhalten findet, die Seele keinen Ankerpunkt, da flüchten wir lieber ans andere Ende der Welt, an monofunktionale Nicht-Orte mit dem Mononutzen »Entspannung«. Denn in monotonen Agrarwüsten lässt sich kein Abstand gewinnen vom monotonen Arbeitsalltag.

Die Vertreibung der Menschen
Doch greift eine rein ästhetische Kritik an dieser maschinell verstümmelten Landschaft genauso zu kurz wie eine bloße Kritik an den Agrargiftcocktails oder des damit zusammenhängenden Insektensterbens, wie es derzeit Konjunktur hat. All diese Kritik ist vollkommen notwendig, doch entgeht uns das Entscheidende, wenn wir unsere Entfremdung von der Landschaft nur in technischen, biologischen, ästhetischen und trophologischen Dimensionen denken: nämlich unser sozialer und ökonomischer Ausschluss aus der Landschaft. Historisch gesehen war dieser Ausschluss ein gewalttätiger Prozess, und erst dieser vermochte es, uns von der Landschaft zu entfremden, wo zuvor Menschen sich immer in einer dynamischen Einheit mit ihrer sie umgebenden Landschaft und all dem nährenden und ernährenden Leben dort gesehen haben. […]

Quelle: Der kritische Agrarbericht 2021

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