Neulandkampagne der UdSSR
Die 1954 lancierte »Neulandkampagne« sollte 40 Millionen Hektar Anbauflächen in den Steppen östlich des Unterlaufs der Wolga, in Westsibirien und im Norden Kasachstans gewinnen.
Mit der Neulandkampagne wollte Chruschtschow an drei Fronten gewinnen: Getreide im großen Stil produzieren, den Menschen eine neue Utopie geben und im Machtkampf gegen Malenkow auftrumpfen. Ende 1953 schlug er vor, Millionen von Hektar Land in Zentralasien und Westsibirien, wo kaum Regen fiel, Stürme wüteten oder das halbe Jahr Schnee lag, urbar zu machen. Dafür legte er eine große Propagandakampagne auf, die junge Männer und Frauen wie in den 1930er-Jahren aufrief, in die Steppe zu ziehen und ihre neue Welt selbst zu schaffen.
Als die kasachische Parteiführung einwandte, das Land sei dafür nicht geeignet, setzte er eine neue Parteiführung ein. Sie berief sich auf den Genetiker Trofim Lysenko (1898-1976), der 1954 erklärt hatte, dass der Weizen sich an die Bedingungen in Kasachstan anpassen würde. Tatsächlich schienen die Ernten Chruschtschow und Lysenko zunächst Recht zu geben: Von 1954 bis 1960 konnten 42 Millionen Hektar Land neu bestellt werden. Das war ein Nettozuwachs von 33 Millionen Hektar. Doch einer Rekordernte von 125 Millionen Tonnen 1956 folgte 1957 ein Einbruch auf 102,6 Millionen Tonnen. Das ökologische Problem bestand darin, dass die kargen Böden der Steppe großer Erosion ausgesetzt waren, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis der fruchtbare Boden fortgeweht war. Dazu gesellte sich das ideologische Problem, dass Lysenko eine frühe Aussaat empfahl, weil er glaubte, der Weizen werde durch den Frost „abgehärtet“. Beides summierte sich im Jahr 1963 zu einer ka tastrophalen Missernte; 1965 kam es zu solchen Stürmen, dass sich manche Landstriche bis heute davon nicht erholt haben. (izpb 3/2014)