Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Mittelwald

Ein Mittelwald ist eine historische Betriebsart im Waldbau. Hierbei werden zwei Bewirtschaftungsformen miteinander kombiniert: der Niederwald mit seinen kurzen Umtriebszeiten und einer gleichaltrigen Unterschicht, und der Hochwald mit seinen langen Umtriebszeiten und einer meist ungleichaltrigen Oberschicht.

Merkmale und Bewirtschaftung

Der Mittelwald besteht aus zwei Baumschichten, dem Oberholz, das alt werden darf, und dem Unterholz, das etwa alle 30 Jahre flächig als Brennholz geerntet wird. Diese Schichtung entwickelt sich, da man bei Aberntung der Stockausschläge gut gewachsene Bäumchen gewünschter Baumarten stehen ließ. Dabei handelte es sich um nutzholzliefernde Lichtbaumarten wie Eiche, Esche oder Pappel. Diese Kernwüchse (sog. „Lassreitel“) haben ähnliche Funktionen wie die Überhälter im Hochwald. Sie erlauben eine natürliche Verjüngung im Unterholz. Weiterhin entwickeln sie in dieser Waldform mächtige Kronen, die Refugien für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten darstellen.

Dementsprechend ist der Mittelwald eine multifunktionale Betriebsart, die verschiedenste Ansprüche erfüllt, von der Brennholzgewinnung über die Bauholzerzeugung bis hin zur Waldweide (herbstliche Schweinemast). Dadurch entsteht ein kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Sukzessionsstadien und Baumalter auf engem Raum, die sich durch ein verschiedenartiges Licht- und Wärmeangebot in Bodennähe auszeichnen. Typische Baumarten des Oberholzes sind Stiel- und Trauben-Eiche, aber auch Buche und Edellaubhölzer. Das Unterholz wird wie im Niederwald von ausschlagfähigen Baumarten wie Hainbuche, Winter- oder Sommer-Linde und zahlreichen Straucharten gebildet, wie z.B. zum Beispiel Feld-Ahorn, Weißdorn oder Hasel. Viele mitteleuropäische Eichen-Hainbuchen-Wälder sind auf die Mittelwaldwirtschaft zurückzuführen.

Um der Holznot durch Übernutzung der Wälder zu begegnen, hatte im Hochstift Würzburg der Fürstbischof Julius Echter 1584 in Franken die Mittelwaldwirtschaft als Kombination von Brenn- und Bauholznutzung eingeführt. Der Begriff „Mittelwald“ stammt von dem Forstwissenschaftler Heinrich Cotta, der ihn in seinem Buch Anweisung zum Waldbau (1817) erstmals verwendete.

Bis vor wenigen Jahren war die Mittelwaldwirtschaft stark im Rückgang begriffen. Etwa 1 % der bundesdeutschen Waldfläche wird derzeit noch als Nieder- bzw. Mittelwald genutzt. Ehemalige Mittelwälder werden in Hochwälder überführt. Im mittelfränkischen Kehrenberg befindet sich ein nach wie vor in Nutzung stehendes und wissenschaftlich gut untersuchtes Mittelwaldgebiet. In der unterfränkischen Gemeinde Iphofen befindet sich ein ca. 380 Hektar großer Mittelwald. Dieser wird von den Einwohnern der Stadt Iphofen seit über 500 Jahren genutzt. Das Naturschutzgebiet Hörnauer Wald im Landkreis Schweinfurt wird ebenfalls als Mittelwald genutzt. Im Bielefelder Stadtwald wird auf einer kleinen Fläche Mittelwaldwirtschaft als Teil eines Lehrpfades betrieben. In Frankreich ist diese Form der Waldbewirtschaftung noch wesentlich stärker verbreitet als in Deutschland (1963 betrug sie dort noch 45 %).

Ungeachtet historischer oder ästhetischer Bedeutung können Mittelwälder besondere Biotope sein und ein spezielles Ökosystem bilden. Für einen Artenschutz ist deshalb der Erhalt dieser speziellen Lebensräume vonnöten.

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