Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Eichelmast

Silvopastorales System, das z.B. in Mitteleuropa bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitete landwirtschaftliche Praxis war. Hausschweine wurden in die Wälder getrieben, damit sie sich dort an Eicheln, Bucheckern und Kastanien satt fraßen. Dabei bezeichnete das Wort Mast ursprünglich die als Viehfutter dienenden Baumfrüchte. Später wurde es auf Eicheln und Bucheckern als Schweinefutter eingeschränkt. Heute wird das Wort Mast allgemein für das „Fettmachen“ von Tieren verwendet. Daneben wurde die Samenproduktion der Eichen und Buchen beispielsweise als Eckerich, Ecker, Äcker oder Acker bezeichnet. Daraus leitete sich der Acker aus landwirtschaftlicher Sicht ab.

Geschichte

Bereits im Frankenreich der Karolinger wurde der Wert eines Waldes danach beurteilt, wie stark er zur Weidewirtschaft genutzt werden konnte. Die Bewertung des Waldes nach seiner Weidekapazität setzte sich bis ins frühe 19. Jahrhundert fort. Forstwirtschaftliche Lehrbücher berechneten den Wert eines Eichenwaldes nicht nach dem mutmaßlichen Holzertrag, sondern nach dem kapitalisierten Eichelerlös, dem Dehme. Das Mastungsrecht war ein bereits mittelalterliches Recht oder Privileg, durch welches festgeschrieben war, wer in einem bestimmten Waldstück Schweine zur Mast eintreiben durfte. Es war losgelöst von anderen Rechten veräußerlich.

In Ländern wie beispielsweise der Schweiz, in denen der Wald in Gemeindebesitz war, war genau festgelegt, wer wie viele Schweine in den Wald treiben durfte. Dies hing häufig auch davon ab, wie es um den Fruchtansatz der Eiche bestellt war. In Jahren der Vollmast konnten alle Schweine im Wald geweidet werden, in Jahren mit nur magerem Fruchtansatz waren es nur ausgewählte Tiere. Im englischen Sprachbereich beinhaltet der Ausdruck Commons (deutsch Allmende) ein der Krone oder der Gemeinde gehöriges Waldstück, welches zur Eichel- oder Ahornmast zur Verfügung stand.

Historische Haltung von Schweinen im Wald

Historische Haltung von Schweinen im Wald

Die Eichelernte und die Hasenjagd im November (Breviarium Grimani, »November«, Flandern, ca. \5\ 0; aus Faksimile eod. mare. Lat. I, 99 (2138)

Die Waldmast mit Schweinen - ursprünglich eine der ältesten und wichtigsten Haustierhaltungsverfahren - wurde in Deutschland Anfang des 19. Jahrhundert mit Aufkommen der Stallhaltung komplett eingestellt. Bis dahin war sie die wichtigste Schweinehaltungsform seit der Domestikation des Schweins und hatte etwa 10.000 Jahre Bestand. Eichenwälder und z.T. auch Buchenwälder waren die wichtigste Grundlage für die Schweinehaltung. Schweinefleisch und Schweinefett wurden als sehr hochwertige Lebensmittel angesehen, so dass große Anstrengungen unternommen wurden, möglichst viele Tiere zu halten. Deshalb gab es durchaus respektable Herden, die in großen Waldgebieten gehalten wurden. So trieben im Jahre 1815 bei guter Eichel- und Bucheckernmast einzelne preußische Grenzregimenter jeweils mehrere 100.000 Tiere (!) in die Wälder ein

Quelle: BLE / TUM 2010

Die Waldmast mit Schweinen - ursprünglich eine der ältesten und wichtigsten Haustierhaltungsverfahren - wurde in Deutschland Anfang des 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Stallhaltung komplett eingestellt.

Bis dahin war sie die wichtigste Schweinehaltungsform seit der Domestikation des Schweins und hatte etwa 10.000 Jahre Bestand. Eichenwälder und z.T. auch Buchenwälder waren die wichtigste Grundlage für die Schweinehaltung. Schweinefleisch und Schweinefett wurden als sehr hochwertige Lebensmittel angesehen, so dass große Anstrengungen unternommen wurden, möglichst viele Tiere zu halten. Deshalb gab es durchaus respektable Herden, die in großen Waldgebieten gehalten wurden. So trieben im Jahre 1815 bei guter Eichel- und Bucheckernmast einzelne preußische Grenzregimenter jeweils mehrere 100.000 Tiere (!) in die Wälder ein. Erst mit dem neuzeitlichen Ackerbau und der Waldpurifikation, also der Trennung von forst- und landwirtschaftlicher Produktion im 18. und 19. Jahrhundert, ist die Waldweide in weiten Teilen Mitteleuropas verschwunden. (Huss et al. 2010)

Auswirkungen der Eichelmast

Die Eichelmast hatte im Mittelalter zwei sehr nützliche Zwecke: beim Wühlen auf der Suche nach Nüssen wendeten die Schweine den Boden und brachen ihn auf. Der Vorteil des Wühlens durch die Schweine war, dass der Boden nicht verdichtet wurde und Nährstoffe für das Pflanzenwachstum freisetzte. Es war zudem eine Methode, um die Schweine schnell für die Schlachtung zu mästen.

Die Eichelmast trug auch dazu bei, dass das Hausschwein lange Zeit dem Wildschwein glich, da die Sauen sehr häufig durch Keiler gedeckt wurden. Auf Darstellungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist es als ein hochbeiniges Tier dargestellt, das einen gewölbten Rücken hat und dessen Fettansatz offensichtlich sehr gering ist. Erste moderne Hausschweinrassen haben sich erst allmählich im Verlauf des 19. Jahrhunderts ausgebildet. Die meisten Hausschweinrassen haben ihren Ursprung im 20. Jahrhundert.

Die Beweidung durch Schweine hatte maßgeblichen Einfluss auf das Aussehen des Waldes. Es waren mehr oder weniger lockere Haine mit mächtigen Kronen, wie sie für freistehende Eichen typisch sind. Eine natürliche Waldverjüngung konnte durch den Schweinetrieb nicht aufkommen. Eichen, die in einem natürlich gewachsenen Wald durch die Rotbuche verdrängt worden wären, wurden durch diese Bewirtschaftungspraxis (die sogenannte Hutewälder entstehen lässt) besonders gefördert. Eine Mast ausschließlich in Buchenbeständen bewirkte ein weiches Schweinefett mit etwas tranigem Geschmack, in Eichenwäldern hingegen ein eher derbes Fett. Die sogenannte Schmalzweide, eine Weide in einem etwa gleichteiligen Bestand mit Buchen und Eichen ergab nach Meinung der Bauern den besten Schinken.

Da sich die Schweine bei der Eichelmast - anders als in einer Massenhaltung - deutlich mehr bewegen, können sie eine gut durchblutete Muskulatur ausbilden. Zusammen mit der abwechslungsreichen und vor allem natürlichen Ernährung können die Tiere so ein "kerniges Fleisch" bilden.

Eichelmast heute

Heute noch bekannt ist die Eichelmast in Südspanien und Portugal bei dem oft halbwild gehaltenen und in Korkeichen- und Steineichenhainen (Dehesas/Montados) gemästeten Iberischen Schwein, das den bekannten iberischen Eichelschinken (Jamón Ibérico de Bellota) liefert. Weitere Beispiele für existierende Formen der Waldweide in Europa mit Schweinen sind die Weide von Bindenschweinen in Mittelitalien und die Beweidung der Save-Auen mit Wollschweinen (Mangalitza, Turopolje) in Kroatien. Im deutschsprachigen Raum gibt es in jüngerer Zeit vermehrt Eichelmast als alternative Form der Schweineproduktion. Im Hohenlohischen wurde die Tradition der Weidehaltung mit der alten Landrasse der Schwäbisch-Hällischen wiederbelebt, die bis in die 1940er Jahre auch hierzulande gang und gäbe war. (BESH)

Auch im New Forest in Südengland wird sie immer noch beobachtet, wo sie auch als "common of mast" bekannt ist. Sie ist immer noch ein wichtiger Teil der Waldökologie und hilft bei der Haltung des anderen Viehs im New Forest - Schweine können Eicheln gefahrlos als großen Teil ihrer Nahrung fressen, während übermäßige Mengen für Ponys und Rinder giftig sein können.

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