Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Deutscher Bauernverband (DBV)

1948 als Arbeitsgemeinschaft der vordem zerstrittenen deutschen Bauernverbände gegründeter Dachverband deutscher Agrarproduzenten mit nahezu monopolartiger Stellung. Diese berufsständische Vertretung sollte als parteipolitisch und konfessionell unabhängiger Einheitsverband alle Produktionsrichtungen, Betriebsgrößen und Besitzformen auf freiwilliger und demokratischer Grundlage repräsentieren. Mit diesem Konzept vermied man eine Zersplitterung des landwirtschaftlichen Verbandswesens wie in der Zeit vor 1933.

Gering mächtige Konkurrenz des DBV

Die Ökologische Landwirtschaft vertritt mit dem 2002 gegründeten BÖLW als Dachverband von landwirtschaftlichen Erzeugern, Verarbeitern und Händlern ökologischer Lebensmittel ihre Interessen außerhalb des DBV.

Die 1973 sich ursprünglich aus einem kirchlichen Arbeitskreis zur Entwicklungspolitik konstituierende "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft" (AbL) setzt sich für den Erhalt klein- und mittelbäuerlicher Strukturen und eine stärker auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit ausgerichtete Landwirtschaft ein. Ihr gehören ca. 5.000 konventionell und ökologisch wirtschaftende Landwirte an. Im Zuge der Erstarkung der Umweltbewegung und insbesondere in der zeit der rot-grünen Bundesregierung nach 1998 ist ihr Einfluss auf agrarpolitische Debatten und Maßnahmen deutlich gewachsen.

Den bislang erfolgreichsten Angriff auf den Repräsentationsanspruch des DBV unternahm der 1998 gegründete "Bundesverband deutscher Milchviehhalter" (BDM), der mitlerweile etwa ein Drittel der Milchproduzenten vertritt und seinen Forderungen 2008 in einem sehr öffentlichkeitswirksamen Milchlieferungsboykott Nachdruck verlieh.

Quelle: Mahlerwein 2016

Der DBV vertritt als ordentliche Mitglieder die 18 Landesbauernverbände (mit über 300 Kreisbauernverbänden), den Bund der Deutschen Landjugend, den Deutschen Raiffeisenverband und den Bundesverband der Landwirtschaftlichen Fachschulabsolventen sowie als assoziierte Mitglieder 46 Verbände und Organisationen. Letztere reichen von der Messe Berlin GmbH über den Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Vereinigte Hagelversicherung VVaG bis zum Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter e.V. Insgesamt sind mehr als 90 % aller Bauern über ihre Kreis- und Landesverbände dem DBV freiwillig angeschlossen, dies sind 270.000 Landwirte und ihre Familien.

Ferner ist der Deutsche Bauernverband selbst Mitglied in verschiedenen Einrichtungen der Agrarwirtschaft und Träger von Organisationen mit vielfältigen Aufgaben.

Im Zentralverband der Deutschen Landwirtschaft kooperiert der DBV mit dem Deutschen Raiffeisenverband, der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und dem Verband der Landwirtschaftskammern. Daneben ist der DBV in Gremien der zentralen genossenschaftlichen Einrichtungen - Banken und Versicherungen - vertreten sowie der landwirtschaftlichen Sozialversicherungen, der Ernährungswirtschaft, Wissenschaft und Entwicklungshilfe.

Der DBV hat laut Satzung die Aufgabe "die agrar-, wirtschafts-, rechts-, steuer-, sozial-, bildungs- und gesellschaftspolitischen Interessen" der Land- und Forstwirtschaft in ihrer Gesamtheit zu vertreten und "die Tätigkeit der Mitgliedsorganisationen in allen wesentlichen Angelegenheiten zu koordinieren". Die Verfolgung der Ziele des DBV geschieht über die Beratung der Mitglieder und die Einwirkung auf politische Organe u.a. durch die Mitarbeit in verschiedenen Gremien.

Einmal jährlich gibt der Deutsche Bauernverband den Situationsbericht – Trends und Fakten zur Landwirtschaft heraus. Er weist repräsentativ die wirtschaftliche Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe aus. Der Analyse zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Landwirtschaft liegen über 2.000 Jahresabschlüsse von landwirtschaftlichen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben sowie Personengesellschaften und Agrargenossenschaften zu Grunde. Herausgeber ist der Deutsche Bauernverband in Zusammenarbeit mit der Land-Data GmbH (Softwarehersteller für landwirtschaftliche Buchführungsabschlüsse), der ZMP GmbH und der information.medien.agrar e. V. (i.m.a) sowie der Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank.

Der Bericht erschien seit etwa 1988 in unterschiedlicher Form und soll ein Gegenstück zum Agrarbericht der Bundesregierung bilden.

Der DBV gilt als ausgesprochen erfolgreiche Interessenvertretung, was u. a. auf den hohen Organisationsgrad des DBV zurückzuführen ist. Zur wirksamen Vertretung der Interessen der deutschen Landwirtschaft auf europäischer und internationaler Ebene arbeitet der DBV eng mit internationalen Gremien und Partnern zusammen. Der DBV unterhält mit weiteren Partnern der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ein Büro in Brüssel. Vertreter des DBV bringen ihre Expertise bei den EU-Institutionen, beim europäischen Bauernverband COPA (Comité des Organisations Professionelles Agricoles de l'UE) und in die WFO (World Farmers’ Organisation) ein.

Im DBV zeigt sich im Hinblick auf die innerlandwirtschaftlichen Machtverhältnisse eine auffallende Beharrungstendenz zugunsten der kleinen Gruppe von großen Landwirten, auch wenn er sich nach eigenem Bekunden nie als Vertretung landwirtschaftlicher Eliten verstand. Die Inhaber von Führungspositionen entstammen häufig großen umsatzstarken Betrieben, die gleichzeitig am meisten von der propagierten Preisstützungspolitik profitieren und auch über hinreichende Zeit, Kenntnisse und finanzielle Mittel verfügen, um sich mit der komplexen Materie der Agrarpolitik zu beschäftigen (Henrichsmeyer/Witzke 1994). Eine bedeutende Rolle spielt auch ihre institutionelle Verflechtung mit angrenzenden Wirtschaftsbereichen, politischen Parteien und staatlichen Bürokratien, sowie die hohe Organisationseffizienz und die Fähigkeit, Partialinteressen als Allgemeininteressen auszugeben. Ferner kann sich die Verbandspolitik auf weit verbreitete solidarisierende Gruppenideologien stützen: Der mit dem Strukturwandel einhergehende Verlust an Einkommen und sozialem Status ließ in weiten Kreisen der Landwirtschaft ein Gefühl der Benachteiligung und existentiellen Bedrohung und als Folge ein ausgeprägtes solidarisches Verhalten entstehen.

Ein weiterer Grund für die lange Zeit unbestrittene Machtstellung des DBV war das Fehlen von schlagkräftigen Verbänden mit konkurrierenden oder gegenteiligen Interessen, etwa von Seiten der Verbraucher oder der Steuerzahler, was das oft kompromisslos erscheinende Auftreten des Verbandes, der sich wenig für die gesellschaftliche Vermittlung seiner Forderungen engagieren musste, erklärt.

Historisch gesehen hat aber das landwirtschaftliche Establishment im Gesellschaftsgefüge seit der Gründung des Kaiserreiches an gesellschaftlichem Status, Prestige und Machtchancen eingebüßt.

Auch legt beispielsweise die These des „Post-Exceptionalism” in der Agrarpolitik nahe, dass landwirtschaftliche Interessenverbände im Zuge der Liberalisierung an Einfluss verloren haben, weil sie für den landwirtschaftlichen Bereich nicht mehr in gleichem Maße wie früher reklamieren können, dass dort besondere Bedingungen („Exceptionalism”) gelten, die einen besonderen politischen Schutz des Sektors notwendig machen (Daugbjerg & Feindt 2017).

Weitere Informationen:

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