Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Schneitelwirtschaft

Auch Schnaitelwirtschaft; in Europa überwiegend obsolete Futter- und Streugewinnung in Laubwäldern durch Abschneiden von Ästen. Durch Anbau, Hege und das regelmäßige Schneiteln der Futterbäume entsteht die für diese Wirtschaftsform typische, ökologisch wertvolle Kulturlandschaft. Die Schneitelwirtschaft wurde im Mitteleuropa erstmals von den neolithischen Bauern, den Bandkeramikern betrieben.

Bei der Schneitelung wurden dünne vollbelaubte Zweige im mehrjährigen Turnus zur Brenn- und Flechtholzgewinnung mit Messern abgeschnitten oder mit der Hand abgeknickt. Bei der Laubheugewinnung wurden die Blätter von den Zweigen abgestreift (gerupft) und für den Winterfutterbedarf getrocknet: Die lateinischen Namen der Esche (Fraxinus, lat. frangere = brechen) und der Hainbuche (Carpinus, lat. carpere = rupfen) weisen auf die Nutzungstechniken.

Schneitelung entweder dicht am Boden (Niederwald) oder als Kopfschneitelung (Kopfbäume); Kopfhöhe sollte verhindern, dass Wild und Vieh die empfindlichen Triebe erreichen.

Im Alpenraum wurde vorwiegend die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) zum Schneiteln genutzt. Des Weiteren wurden auch die Linde, die Ulme, der Ahorn, die Eiche, sowie Obstbäume genutzt. In rauen Lagen wurden auch Nadelgehölze genutzt.

Durch die Entvölkerung des südlichen Alpenraums im frühen 20. Jahrhundert ist diese Form der Bewirtschaftung stark zurückgegangen. Die heute noch anzutreffenden typischen Schneitelbestände (ehemals Hecken und lichte Wälder) sind deshalb vielerorts verwaldet.

Die Schneitelwirtschaft hielt sich bis ins 18. Jahrhundert in allen Laubwaldgebieten Europas. Vereinzelt ist sie noch in Südosteuropa und in den Pyrenäen anzutreffen. Heute wird das Schneiteln in Westeuropa so gut wie nicht mehr praktiziert, in Teilen von Afrika oder Südasien (Indien, Pakistan, Nepal) und auch in Bolivien ist es noch heute eine häufige Form der Bewirtschaftung.

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