Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Auch Ru; Bezeichnung für Wasserkanäle im Aostatal, wo eines der dichtesten traditionellen Bewässerungssysteme im Alpenraum besteht. Die Rû wurden einst in die Erde gegraben oder in den Felsen gehauen. Ssie sind seit dem 13. Jh in Belehnungsakten verbürgt. Auch im Piemont wird der Begriff verwendet. Das Valle d'Aosta ist nicht nur ein Nachbartal des Wallis, es hat auch sehr ähnliche Bewässerungssysteme hervorgebracht. Die Systeme des Valle d'Aosta sind im Gegensatz zu denjenigen des Wallis durch z.T. sehr viel Mauerwerk gekennzeichnet.

Die Sohlen und Seitenwände der Haupt- und Zuleitungskanäle wurden zumeist mit Steinen und Steinplatten stabilisiert und gegen Wasserverluste abgedichtet, seltener verwendete man Bretter, Holzkästen oder Holzkänel. Der Kanalverlauf wurde je nach Terrain und Gefälle möglichst optimal dem Gelände angepasst und mit steinernen Trockenmauern, Pfeilern und Bodenbrücken abgestützt. Aquädukte überspannten die Wildbäche und Geländesenken, Röhren und Tunnel unterführten Felssporne, Wegenetze und erosionsgefährdete Abschnitte. In den Talböden waren die Rû meist als Erdkanäle angelegt.

Das innermontane Aosta-Tal wird im Norden von den Walliser Alpen und im Süden vom Gebirgsstock des Gran Paradiso abgeschirmt. Das führt im Talgrund der Dora Baltea zu extremer Trockenheit von nur rund 110 mm Niederschlag in den Monaten Juni bis August. Trockene Winde und eine hohe Einstrahlung verstärken die Austrocknung, so dass Bewässerung seit jeher unverzichtbar war. Bewässert wurden vor allem die Futterwiesen, aber auch Äcker und Rebflächen. Die Wasserzuleitungen nutzte man zusätzlich zur Trinkwasserversorgung und zum Betrieb von Mühlen, Sägereien und anderen Gewerben.

Heute ist ein großer Teil der alten Anlagen entweder unter der Siedlungsausdehnung verschwunden oder seit dem späten 19. Jh. durch verrohrte Leitungen und Stollen ersetzt worden. Trotz intensiver Auflassungstendenzen oder Umstellung auf verrohrte Zuleitungen und Sprinklerbewässerung sind einige Teilabschnitte der alten Rû offengehalten (z.B. der "Ru Cortot") und zu attraktiven Leitlinien eines qualitativen Wandertourismus geworden. (Leibundgut/Vonderstrass 2016)

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