Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Pilzanbau

Der Pilzanbau beschäftigt sich mit der Vermehrung und Kultivierung sowie der Ernte und Vermarktung von bestimmten Speisepilzen, den sogenannten Kulturpilzen. Im Vordergrund des europäischen Speisepilzanbaus steht die Kultur des Champignons. Pilzanbau wird zuweilen auch nichtkommerziell im Hobbygartenbau betrieben und hier umgangssprachlich Pilzzucht genannt.

Wildpilze - Kulturpilze

Die meisten Pilze werden heute professionell kultiviert. Unter den wild gesammelten Pilzen haben nur noch der Pfifferling und der Steinpilz mengenmäßig größere Bedeutung auf dem deutschen Markt. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2022 rund 2.850 Tonnen Pfifferlinge und 320 Tonnen Steinpilze gehandelt – allesamt importiert aus Osteuropa. Hierzulande ist das kommerzielle Sammeln von Wildpilzen gesetzlich verboten. Eine sehr kleine Menge an Wildpilzen fällt in Deutschland im Rahmen von Hobbysammlungen an. Das Sammeln für den privaten Gebrauch ist erlaubt.

Die sogenannten Mykorrhiza-Pilze, zu denen der Steinpilz, der Pfifferling oder der Trüffel gehören, leben in einer Gemeinschaft (Symbiose) mit den Bäumen ihrer Umgebung. Über die Wurzeln dieser Bäume beziehen sie ihre "Nahrung". Das macht die Kultivierung und die kommerzielle Nutzung äußert schwierig. Daher werden diese Pilze wild gesammelt.

In osteuropäischen Ländern, wo viele Pfifferlinge und Steinpilze herkommen, können Wildpilze – auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – noch eine erhöhte Strahlenbelastung aufweisen. Selbst in Deutschland weisen Wildpilze in manchen Regionen noch erhöhte Werte an Radiocäsium auf. Betroffen ist davon vor allem der Süden Deutschlands.

Historie

Bereits im 11. Jahrhundert kultivierten die Chinesen Speisepilze wie das Judasohr oder den Shiitake. In Europa dauerte es diesbezüglich länger. Erst im 18. Jahrhundert begann man in Frankreich damit, den Champignon als ersten Speisepilz zu kultivieren.

Findige Gärtnerinnen und Gärtner beobachteten damals, dass dieser Pilz auf mit Pferdemist gedüngten Gemüsebeeten besonders schöne und schmackhafte Fruchtkörper hervorbrachte und begannen mit dem Anbau dieses Speisepilzes. Günstige Bedingungen für den Champignonanbau fanden sie in den Tiefen von Gewölben und Kellern: Dort war es gleichbleibend kühl, dunkel und feucht – die bevorzugten Bedingungen des Champignons.

Der Anbau nahm in den folgenden Jahrzehnten immer mehr zu und der Champignon entwickelte sich zum beliebtesten Speisepilz Europas. Andere Kulturpilzarten kamen erst sehr viel später dazu.

Pilzanbau - Teil des Erwerbsgartenbaus

Der kommerzielle Anbau von Speisepilzen durch Produktionsbetriebe stellt einen speziellen Teil des Erwerbsgartenbaus dar. Berufsständisch organisiert sind in Deutschland und in der Schweiz zurzeit je 12 größere und kleinere Betriebe. Unter den Pilzanbaubetrieben finden sich auch vermehrt Produktionsbetriebe, die auf biologische Weise arbeiten.

Laut FAO-Statistik wurden 2005 weltweit fast 3,2 Millionen Tonnen Speisepilze angebaut. Weltweit wichtigstes Anbauland war in diesem Zeitraum China mit 1,41 Millionen Tonnen, gefolgt von den USA mit 0,38 Millionen Tonnen.

In Deutschland wurden 2021 rund 90.000 Tonnen Speisepilze angebaut. Hinzu kommen noch rund 73.500 Tonnen an importierten Kulturspeisepilzen.

Unter den in Deutschland angebauten Kulturpilzen machen die Champignons mit knapp 95 Prozent den größten Teil aus. Die restlichen fünf Prozent sind Edelpilze. Diese selteneren Kulturpilze gewinnen seit Anfang der 1980er-Jahre zunehmend an Bedeutung in Deutschland. Anfangs waren es vor allem der Austernseitling und der Eichenpilz (Shiitake). Später kamen dann weitere Arten wie Kräuter-, Kastanien-, Limonen-, und Rosenseitling sowie Buchenpilz, Goldkäppchen, Samthaube, Laubporling und Igelpilz hinzu. Unter den Edelpilzen hat der Kräuterseitling heute mengenmäßig die größte Bedeutung

Zurzeit werden laufend neue Speisepilze in das Anbausortiment aufgenommen oder für die Anbaueignung im mitteleuropäischen Raum getestet. So beispielsweise auch verschiedene Arten der Shimeji-Pilzgruppe. Dieser wird in China und Japan in größeren Mengen angebaut und gilt als der meistgegessene Speisepilz in China.

Anbau von Speisepilzen

Gegenüber den Mykorrhiza-Pilzen lassen sich die Speisepilze der Gruppe der Saprophyten sehr gut kultivieren. Sie ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz. Das heißt sie zersetzen Proteine, Kohlenhydrate oder Lignin von alten Bäumen und Pflanzen. 

Beim Anbau von Speisepilzen unterscheidet man zwischen der Licht- und Dunkelkultur. Während vor allem asiatische Pilze eher bei mehr oder weniger starkem Licht kultiviert werden, wird der (weiß oder braun gefärbte) Champignon in Dunkelheit kultiviert.

Als Substrat dient ein auf die jeweilige Pilzart abgestimmtes Kultursubstrat. Grundbestandteile können hier beispielsweise Stroh, Sägespäne, Holzschnitzel oder andere organische Grundbestandteile sein, die unter Umständen auch geschmacksbeeinflussend sind. Durch mehrere Tage andauernde Bewässerung werden primäre Zersetzungsprozesse aktiviert und der mikrobielle Aufschluss des Substrates gefördert. Danach schließt sich ein Pasteurisierungsprozess an, der das mikrobiologisch aufgeschlossene und homogenisierte Substrat desinfiziert. So wird eine Besiedlung des Substrates mit unerwünschten Fremdorganismen vermieden.

Das fertige Substrat wird nun unter sterilen Bedingungen mit dem Pilzmyzel beimpft. Beim Champignon kultiviert man das Myzel vorab auf Weizenkörner und fügt die vom Myzel durchwachsene Masse als sogenannte Champignonbrut hinzu. Während des Myzelwachstums und der Fruchtifizierungsphase müssen spezielle klimatische Bedingungen eingehalten werden. Klimaparameter wie Temperatur, relative Luftfeuchte, CO2-Gehalt oder Lichtmenge werden in den Wachstumsräumen mit Klimacomputern genauestens eingehalten und gesteuert. Mit Hilfe der Klimasteuerung kann der Anbauer sicherstellen, dass zu bestimmten Ernteterminen eine gewisse Anzahl von erntbaren Pilzen vorhanden ist.

Unter diesen kontrollierten Bedingungen kann auch besser auf die notwendige Sauberkeit und Hygiene geachtet werden, denn im Pilzanbau ist es sehr wichtig, dass keine fremden Sporen oder Keime in die Anlagen geraten. Erkranken die Pilzkulturen oder kommt es zu unerwünschter Schimmelbildung, ernten die Anbauer weniger oder gar nichts. Pflanzenschutzmittel – wie man sie ansonsten aus dem Gartenbau kennt, gibt es im Pilzanbau nicht. Auch werden keine mineralischen Dünger verwendet.

Je nach Pilzart dauert das Durchwachsen des Substrates und die anschließende Fruktifizierungsphase unterschiedlich lange. Champignonmyzel durchwächst in circa 15 Tagen das Substrat, nach circa 3 Wochen können die ersten Pilze geerntet werden. Das Myzel des Shiitake braucht dafür 15 bis 20 Wochen und dann nochmal bis zu einer Woche, bis erntefähige Pilze vorhanden sind. Die Pilze werden in der Regel von Hand geerntet. Die Ernte selbst erstreckt sich oft über mehrere, voneinander getrennte Zeiträume.

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