Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Neozoen

Nichteinheimische Tierarten, die direkt oder indirekt durch die Wirkung des Menschen in eine geographischen Region eingeführt worden oder eingewandert sind und sich dort fest etabliert haben. Der Begriff wurde in Anlehnung an die Bezeichnung Neophyten kreiert, welche sich in Mitteleuropa auf Pflanzen bezieht, die nach ca. 1500 n.Chr. eingeführt oder eingeschleppt worden sind. Eine solch scharfe Definition liegt bei der Anwendung des Terminus "Neozoen" nicht zugrunde.

Einschleppungen und Einwanderungen sowie Aussetzungen von Arten aus fernen Regionen finden schon seit Jahrtausenden statt und wurden in Mitteleuropa stark durch Veränderungen der Umwelt (z.B. Entwaldungen im Mittelalter) gefördert. Erst dadurch kam es zu der uns heute vertraut wirkenden Besiedlung durch Kaninchen von der Iberischen Halbinsel oder verschiedene Arten von Mäusen und Ratten aus östlichen Regionen. Allein in Mitteleuropa sind in den letzten 2000 Jahren mindestens 400 Neozoen etabliert worden, wobei deren direkte Auswirkung auf die einheimische Tierwelt schwer zu beurteilen ist, da auch andere Umweltveränderungen parallel einhergingen.

In Deutschland gehören beispielsweise Nandus zu den Hunderten Neozoen. Bekannt sind die Flamingos im Zwillbrocker Venn (NRW), ferner Papageien, Ochsenfrösche, Bisamratten, Marderhunde oder Waschbären. Wirtschaftliche Schäden in großer Höhe werden z. B. durch Reblaus und Schiffsbohrmuschel verursacht.

Ein besonders starker Verdrängungseffekt auf endemische Arten ist in der Vergangenheit sicher auf manchen ozeanischen Inseln von Neozoen ausgegangen, wo die Einführung von Katzen, Ratten, Füchsen, Ziegen, Schafen und Hunden einheimische Tier- und auch Pflanzenarten (oft zusammen mit intensiver Jagd und anderen Belastungsformen) zum Aussterben brachten.

Bis heute ist die Gesamtauswirkung des Auftretens von Neozoen nicht klärbar, etwa, in welchem Ausmaß eingeschleppte Arten, inklusive deren jeweiliger Parasiten und anderweitig vergesellschafteten Arten wirklich einheimische Arten zum Aussterben bringen. Es wird auch unterschiedlich bewertet, ob die heutzutage zunehmenden globalen Vernetzungs- und Austauschprozesse (über Schiffe, Flugzeuge, Kleider, Nahrungsmittel, Kanalsysteme usw.) gleichsam als gegeben hingenommen werden sollen und "natürlich" sind, oder ob zum Zwecke der zumindest längerfristigen Erhaltung der geographisch differenzierten Lebensgemeinschaften und zum Schutz endemischer Formen der Neueinbürgerung möglichst effektiv Einhalt geboten werden soll.

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