Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Höhenstufen

Als Höhenstufen werden in der Ökologie, Geobotanik und Biogeographie die klimatisch bedingte Vertikalgliederung gleichartiger natürlicher Vegetation in Gebirgen bezeichnet. Mit zunehmender Höhe modifiziert der atmosphärische Temperaturgradient die landschaftsökologischen Prozesse des Wasserhaushaltes, der Bodenbildung oder des ökophysiologischen Geschehens in der Vegetationsdecke derart, dass sich spezielle Lebensräume herausbilden, die als Höhenstufen bezeichnet werden.

Diese führen in den unterschiedlichen Höhenlagen von der natürlichen Vegetation des flachen Umlandes ausgehend zu einer typischen, vertikalen Abfolge verschiedener Pflanzenformationen. Die Grenzen der einzelnen Höhenstufen sind sehr variabel und selbst bei benachbarten Gebirgen oftmals unterschiedlich.

Die Abfolge und Ausprägung der Pflanzendecke vom Gebirgsvorland bis zu den Gipfelregionen weist auf den ersten Blick große Ähnlichkeiten mit den globalen Vegetationszonen auf, deren Klima von der geographischen Breite vom Äquator zu den Polen abhängig ist. Diese zonalen Vegetationstypen sind auf globaler Maßstabsebene relativ einheitlich und können in der Regel mit sehr großräumigen Ökosystemtypen bzw. Biomen beschrieben werden. Die Bedingungen verschiedener Gebirge weisen hingegen aufgrund unterschiedlicher geographischer Breite, spezieller klimatischer Unterschiede und einer jeweils eigenen (isolierten) Stammesgeschichte des Arteninventars deutliche Unterschiede auf, die die Abweichungen verursachen. Während global etwa zwischen borealem Nadelwald, hemiborealem Übergangs-Mischwald und nemoralem Laubwald unterschieden wird, müssen im Gebirge die konkreten Pflanzengesellschaften – etwa kolliner Eichen-Hainbuchenwald, submontaner Buchenwald, tiefmontaner Tannen-Buchenwald und hochmontaner Fichten-Tannenwald – herangezogen werden.

Die natürliche Vegetationszusammensetzung der Höhenstufen kann von den Eingriffen des wirtschaftenden Menschen stark überprägt sein. Durch Rodungen kommt es beispielsweise zu einer Absenkung der physiologisch bedingten Waldgrenze, in deren Folge sich Wasserhaushalt und Bodenstruktur verändern, was zu einer Aktivierung von Naturgefahren führen kann.

Die für die Alpen entwickelte Terminologie zur Charakterisierung der Höhenstufen findet mittlerweile in allen Hochgebirgen der gemäßigten Zone Verwendung. Diese Gliederung beginnt mit der Ebenen- und Hügellandstufe (planare bzw. kolline Stufe). Sie umfasst die untersten Hangpartien und die Vorhügelzone und ist vegetationskundlich und von ihrer ökologischen Ausprägung gleichzusetzen mit dem Gebirgsvorland, das nördlich der Alpen bis 600 m NN, am Alpensüdfuß bis 800 m NN reicht.

Die Hügelstufe ist wichtiges Landwirtschaftsgebiet, dank der oft günstigen Strahlungsbedingungen werden auch wärmeliebende Sonderkulturen wie Obst oder Reben angebaut. Der kollinen Stufe schließt sich die montane Stufe (Bergstufe) an, welche durch die Bergwälder charakterisiert ist und sich in eine untere Stufe (submontane Stufe) mit Laubmischwäldern und eine hochmontane Stufe mit Nadelwäldern unterscheiden läßt. Sie reicht von 600 bis 1700 m NN. Vorherrschende Baumarten sind Buchen und Weißtannen, welche aber im Zuge der Forstwirtschaft oft durch Fichten ersetzt wurden. Oberhalb der Waldgrenze, welche in den Zentralalpen einen auffallenden Anstieg aufweist, folgt die subalpine Stufe, gekennzeichnet durch Krummholz- und Zwergstrauchgürtel. Sie bildet den Übergang zur Hochgebirgsregion (alpine Stufe), welche durch Matten und Rasengesellschaften charakterisiert ist. In dieser, in den Zentralalpen bis 3200 m NN reichenden Stufe ist noch Weidewirtschaft (Almwirtschaft) als spezielle landwirtschaftliche Nutzungsform möglich. Die alpine Stufe geht schließlich über die subnivale Stufe in die nivale Stufe über, in der ganzjährig Schnee- und Eisbedeckung Pflanzenwuchs verhindern.

Die tropischen Gebirge unterscheiden sich in ihrer vertikalen Gliederung deutlich von den Gebirgen der Außertropen. Vor allem die hygrischen und thermischen Ausprägungen lassen in den Tropen fünf Höhenstufen der Vegetation unterscheiden: Tropischer Regenwald, Tropischer Bergwald, Nebelwald, Paramo und Puna. Ursprünglich von den Anden abgeleitet, wird diese Terminologie heute für die meisten tropischen Gebirge benutzt. Die unterste Stufe, die "tierra caliente", bildet zusammen mit der darauf folgenden Stufe, der "tierra templada", die absolut frostfreien Warmtropen. Über den Warmtropen kommen keine wärmeliebenden und frostempflindlichen Pflanzen mehr vor. Die daran angrenzende Zone, die sog. "tierra fria", ist durch aperiodische Fröste gekennzeichnet und enthält verschiedene arktische Vegetationselemente. An die Waldgrenze schließt sich die "tierra helada" an, die Jahresmitteltemperaturen von 7-2°C aufweist, worauf schließlich oberhalb der Schneegrenze die vegetationsfreie "tierra nevada" folgt.

Landwirtschaftliche Nutzung

Nur wenige Alpinstufen sind vom Menschen unbeeinflusst (japanische Alpen, Ruwenzori). Durch gelegtes Feuer und Triftweide im Rahmen der Almwirtschaft sind meist der Gehölzbestand zurückgedrängt und die  Waldgrenze zur Erweiterung von Hochweiden erniedrigt. In den europäischen Alpen sind gesteins- und damit zugleich bodenfeuchteabhängig vom Weidevieh gemiedene Sträucher dominant (Kalk: Kiefernsträucher, Kalk/Kristallin: Rhododendronsträucher, feuchtes Kristallin: Grünerlen).

Die Menschen haben landwirtschaftliche Produktionsstrategien entwickelt, um die unterschiedlichen Merkmale der Höhenzonen zu nutzen. Höhenlage, Klima und Bodenfruchtbarkeit setzen Obergrenzen für die Arten von Nutzpflanzen, die in jeder Zone angebaut werden können. Die in der südamerikanischen Andenregion lebenden Völker haben sich die unterschiedlichen Höhenlagen zunutze gemacht, um eine Vielzahl verschiedener Nutzpflanzen anzubauen. In den Gebirgsgemeinschaften wurden zwei verschiedene Arten von Anpassungsstrategien angewandt.

Mit dem verbesserten Zugang zu neuen landwirtschaftlichen Techniken nehmen die Bevölkerungen immer mehr spezialisierte Strategien an und entfernen sich von allgemeinen Strategien. Viele bäuerliche Gemeinschaften entscheiden sich jetzt für den Handel mit Gemeinschaften in anderen Höhenlagen, anstatt alle Ressourcen selbst anzubauen, weil es billiger und einfacher ist, sich innerhalb ihrer Höhenzone zu spezialisieren.

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