Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Felshumusboden

An exponierten Standorten in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie im Hochgebirge (z. B. Nördliche Kalkalpen) finden sich Böden, die fast ausschließlich aus organischem Material bestehen. Auf Fels siedeln sich erste Flechten und Moose an. Kommt allmählich ein Bestandesabfall aus Laub, Nadeln oder verholzen Pflanzenteilen der Vegetation (Streu) hinzu, bildet sich auf dem festen Gestein eine organische Auflage, die als Felshumusboden bezeichnet wird.

Insbesondere im Hochgebirge können sich mächtige organische Böden entwickeln. So domminieren etwa in den Nördlichen Kalkalpen (z. B. Berchtesgadener Alpen, Chiemgauer Alpen, Karwendelgebirge) Kalke- und Dolomite mit einem sehr hohen Reinheitsgrad an Carbonaten. Aufgrund dessen bleiben bei der Carbonatlösung durch Niederschläge (chemische Verwitterung) in der Regel kaum nennenswerte Verunreinigungen oder Nebengemenganteile (= mineralisches Residuum aus Ton) als Ausgangssubstrat für eine Mineralbodenbildung zurück. 

Felshumusboden über Dachsteinkalk (Berchtesgadener Alpen)

Felshumusboden über Dachsteinkalk (Berchtesgadener Alpen)

Unter Fichtenwald und Latschenkiefer (Pinus mugo) finden sich daher insbesondere in feucht-kühlen Schattenhängen des Hochgebirges mit verringertem Streuabbau auf Carbonatgesteinen oder deren Schutt Humuslagen, die teilweise fast torfähnlichen Charakter haben und bis zu mehrere Dezimeter mächtig sein können. Diese rein organischen Böden, sieht man von geringen Flugstaubbeimengungen ab, werden als Felshumusböden bezeichnet. Normfelshumusböden besitzen ein O/mC-Profil über Festgestein (WRB Lithic Leptosol oder Histosol). Der Großbuchstabe „O“ bezeichnet hierbei den organischen Bodenhorizont, „C“ das anstehende Gestein. Der Kleinbuchstabe „m“ steht für massiv oder nicht grabbar. 

Quelle: Alexander Stahr

Der Felshumusboden ist in Gebirgen anzutreffen, innerhalb Deutschlands vor allem im bayerischen Alpenraum. Er besteht aus zwei Bereichen, die in der bodenkundlichen Fachsprache als Horizonte bezeichnet werden. Fester Fels bildet dabei den Untergrund (C-Horizont). Auf diesem sammeln sich abgestorbene Pflanzenteile, überwiegend Blätter und Nadeln, sodass eine Humusauflage entsteht (L- und O-Horizont). Deshalb werden diese Böden in der bodenkundlichen Klassifizierung als O/C-Böden bezeichnet. Zur Bildung dieser Böden braucht es die im Gebirge auftretenden speziellen Umweltbedingungen: kurze Vegetationszeiten, lange Kältephasen, schwer zersetzbare Pflanzenstreu. Durch diese besondere Bodenbildung speichern die Böden viel Wasser sowie Kohlenstoff und leisten einen großen Beitrag zur Stabilität der Hänge. Sie sind aber auch gefährdet: Durch ⁠Erosion⁠, aber auch durch intensive Beweidung oder starke touristische Nutzung. Ein schonender Umgang ist gerade in der Bergwelt notwendig für den Erhalt der wichtigen Funktionen dieser Böden.

Funktionen und Nutzung

Eine Nutzung von reinen Felshumusböden durch den Menschen ist sicherlich ausgeschlossen. Für Bäume und Sträucher ist der Wurzelraum bei geringmächtigen Felshumusböden im Mittelgebirge zu stark eingeschränkt und bietet anders als die mächtigen Felshumusböden etwa des Alpenraums mit darauf stockenden Wäldern lediglich Gräsern, Kräutern, Moosen oder etwa Farnen einen Standort. Gelegentlich schafft es im Mittelgebirge ein Baum auf einem Felshumusboden zu keimen, führt dann jedoch eher ein karges Bonsaidasein. Nährstoffe werden durch Stäube und Niederschläge eingetragen. Insgesamt bieten Felshumusböden vor allem Spezialisten unter der Tier- und Pflanzenwelt einen relativ konkurrenzarmen Lebensraum.

Felshumusböden speichern viel Wasser. Wie ein Schwamm können sie das Vielfache ihres Eigengewichts an Niederschlagswasser aufsaugen und festhalten. Das hohe Rückhaltevermögen des Bodens schützt vor Erosion bei Starkregen und hilft, den Abfluss des Regenwassers zu verzögern. Auch die Pflanzen erhalten so genug Wasser. Zudem speichert der Humus erhebliche Mengen an Kohlenstoff.

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