Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Ernährungssystem

Engl. food system; Bezeichnung für sämtliche Elemente, Aktivitäten und Akteure in der Nahrungskette, d. h. die Produktion, inkl. Vorleistungen für die Landwirtschaft und inkl. ihrer Wirtschaftsweise, die Verarbeitung und Verpackung, ferner Lagerung, Transport, Handel und Vertrieb, die Zubereitung und der Verbrauch von Nahrungsmitteln sowie die Entsorgung von Verpackungsmaterial und organischen Abfällen und nicht zuletzt die Umweltwirkungen. Ebenso ist das Ergebnis dieser Aktivitäten integrativer Bestandteil, insbesondere in Bezug auf folgende drei Komponenten, welche die Ernährungssicherheit stützen:

Diese müssen alle über die Zeit stabil sein. Ernährungssicherheit wird daher durch Ernährungssysteme getragen und stellt einen zunehmend wichtigen Aspekt im Verhalten des gesamten Ernährungssystems dar. Ernährungsunsicherheit entsteht, wenn ein Aspekt des Ernährungssystems Störungen ausgesetzt ist.

In der folgenden Abbildung sind die Komponenten des Ernährungssystems in den Boxen A-F dargestellt. Die Wertschöpfungsketten unterliegen weitgehend dem Steuerungsmechanismus des Marktes. Box G beschreibt die Auswirkungen des Ernährungssystems in Bezug auf Gesundheit, Soziales, Umwelt und das Tierwohl. Das politisch-administrative System, das in der oberen Hälfte der Abbildung dargestellt ist, umfasst die diversen staatlichen Institutionen (Box H), die über verschiedene Politikinstrumente auf das Ernährungssystem Einfluss nehmen können. Eine Gruppe von Akteuren sind, die Verbraucher, weil sie als Bürger politisch Einfluss nehmen können, insbesondere durch Wahlen und durch Engagement in politischen Parteien (Box K) sowie zivilgesellschaftlichen Gruppen (Box J), die dem Steuerungsmechanismus der Zivilgesellschaft unterliegen.

Eine ebenfalls wichtige Gruppe von Akteuren sind die in den verschiedenen Abschnitten der Wertschöpfungsketten tätigen Wirtschaftsunternehmen, die durch Lobby-Aktivitäten (Box I) Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben können. Die Forschung und Ausbildung im Bereich der Agrar- und Ernährungswissenschaften hat einen erheblichen Einfluss auf das Ernährungssystem und ist daher als eigene Komponente (Box M) unter dem Begriff Innovationssystem im Analyserahmen aufgeführt.

Da die gesundheitlichen Aspekte der Ernährung eine wichtige Rolle besitzen, ist das Gesundheitssystem ebenfalls in den Analyserahmen integriert. Insbesondere kommt den Krankenkassen (Box N) eine besondere Bedeutung zu, einerseits, weil dort ein wesentlicher Teil der Gesundheitskosten einer nicht nachhaltigen Ernährung anfällt und andererseits, weil die Krankenkassen, z. B. durch ihre Beitragsgestaltung und durch Präventionsaufwendungen, prinzipiell auch Einfluss auf das Ernährungsverhalten nehmen können.

Die Medien sind als eigene Komponente (Box L) in dem Analyserahmen aufgeführt, weil sie eine Schlüsselrolle für die Kommunikation verschiedener Akteure mit den Konsumenten bzw. Bürgern spielen.

Governance des Ernährungssystems – Analyserahmen
Governance des Ernährungssystems – Analyserahmen

Anmerkung: Aus Gründen der Übersichtlichkeit können nicht alle Verbindungen zwischen den Medien
und den relevanten Akteuren in Form von individuellen Pfeilen dargestellt werden.

Quelle: BueL 2020

Wenn globale, europäische und deutsche Nachhaltigkeitsziele (z. B. Sustainable Development Goals/SDGs, Klimaschutzziele) erreicht werden sollen, müssen alle gesellschaftlichen Sektoren weitreichende Beiträge leisten – damit auch der Landwirtschafts- und Ernährungssektor. Es sind nicht nur Anpassungen in der Produktion notwendig, vielmehr müssen sich auch die Konsumgewohnheiten ändern. Der Ernährung kommt dabei eine wichtige Rolle zu: Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, beeinflusst wesentlich unseren individuellen Gesundheitsstatus, unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität. Viele Lebensmittel, die wir konsumieren, tragen einen erheblichen sozialen, umwelt-, klima- und tierschutzbezogenen Fußabdruck (WWF 2021).

Die Herausforderungen, eine nachhaltigere Ernährung zu verwirklichen, sind groß. Die notwendigen Fortschritte werden nur mit einer umfassenden Transformation des heutigen Ernährungssystems erreichbar sein. Dabei sollten vier Zieldimensionen integriert sein: Gesundheit, Soziales, Umwelt (einschließlich Klima) und Tierwohl.

Die vier zentralen Ziele einer nachhaltigeren Ernährung
Die vier zentralen Ziele einer nachhaltigeren Ernährung

Quelle: BueL 2020

(s. a. Ernährungssicherheit)

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