Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrardumping

Bezeichnung für das Anbieten von Agrarprodukten zu (künstlich verbilligten) Dumping-Preisen, also erheblich unterhalb der Produktionskosten im Herstellungsland.

Dieses Marktverhalten wird insbesondere von Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam, Germanwatch, FIAN sowie von dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler kritisiert. Die Kritik richtet sich konkret gegen die Agrarmarktordnungen der Industrieländer - insbesondere der USA, EU und Kanada - aber auch gegen die von Schwellenländern wie Brasilien und Argentinien.

Produkte aus diesen Ländern, die mithilfe von hohen Subventionen (Ausfuhrerstattungen) zu Niedrigstpreisen auf den Weltmarkt kommen, schädigen die Landwirtschaft in Entwicklungsländern und zerstören die Existenzgrundlage der dortigen Kleinbauern. Sie können mit diesen niedrigen Preisen nicht konkurrieren und sich auch nicht gegen die subventionierten Importe schützen. Das Anheben der Zölle auf importierte Lebensmittel ist den Entwicklungsländern zudem oft auf Druck der Kreditgeber Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank untersagt. Die Landwirte verlieren dadurch in vielen Fällen ihren heimischen Absatzmarkt und damit auch ihre Lebensgrundlage. Dies trifft die Entwicklungsländer besonders hart, weil hier durchschnittlich 70% der Menschen von der Landwirtschaft leben. Das Resultat dieser ungerechten Strukturen im Welthandel sind in vielen Fällen ländliche Verarmung, Hunger, (Land-)Flucht und Urbanisierung.

Kritiker des Agrardumpings sehen auch Nachteile für die reicheren Länder. In deren Landwirtschaft würde Masse statt Qualität gefördert. Dies führe durch erhöhten Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz zu einer unnötigen Umweltbelastung. Zudem würden die Subventionen ungerecht zugunsten der großen Betriebe verteilt.

Preisdumping ist eine im Regelsystem der Welthandelsorganisation (WTO) untersagte Praxis, die durch diverse Handelshemmnisse unterbunden werden kann. Im Agrarbereich greifen jedoch bisher solche Regelungen nicht, sondern es gelten diverse Sonderregelungen wie Exportsubventionen und dumpingfördernde Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.

Die Kritik veranlasste die EU ihre Gemeinsame Agrarpolitik zu überprüfen und teilweise zu ändern. Seit der Agrarreform 2003 verringert sie die Exportsubventionen zugunsten von Direktzahlungen.

Auch nach der Abschaffung von Exportsubventionen subventionieren die OECD-Staaten, vor allem die EU und die USA die Landwirtschaft in einer Größenordnung von jährlich 360 Mrd. Dollar an Agrarsubventionen. Das entspricht etwa dem siebenfachen der weltweit pro Jahr gewährten Entwicklungshilfe und dem 350fachen der von den OECD-Ländern direkt in Afrika geleisteten Agrarhilfe. Der z.B. in der EU dank solcher Förderung produzierte Überfluss landet dann – infolge des woanders durchgesetzten Handels – unter anderem zu Billigpreisen auf den Märkten der Entwicklungsländer (Daniel Goeudevert). Ein Ende der Exportsubventionen ist also keinesfalls gleichzusetzen mit einem Ende des Agrardumpings.

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