Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Plaggenesch

Anthropogener Auftragsboden der mittelalterlichen bis neuzeitlichen, ortsnahen Eschfluren NW-Deutschlands. Wie z. B. der Hortisol oder der Rigosol gehört der Plaggenesch zu den so genannten Kultosolen. In Regionen, wo die Böden von Natur aus zumeist nährstoffarm und ertragsschwach sind, hat sich der wirtschaftende Mensch besondere Maßnahmen einfallen lassen, um aus einem für den Ackerbau unrentablen Boden fruchtbare „Erde“ zu erschaffen.

Prozeduren und Eigenschaften

Zunächst wurden Heide- oder Grassoden (= Plaggen) vom Boden auf gemeinschaftlich genutzten Flächen (Allmende) abgestochen und diese als Einstreu in die Ställe gebracht. Mit den tierischen Exkrementen vermischt, wurden die Plaggen anschließend zusammen mit anderen organischen Abfällen (Asche, Küchenabfälle) kompostiert und auf hofnahe Ackerflächen ('Esch' in NW-Deutschland und in den angrenzenden Niederlanden genannt) aufgebracht. Gewöhnlich lagen ursprünglich arme Sandböden (oft Podsole) vor, die im Laufe der Zeit durch wiederholtes Aufbringen der Plaggen und von Stallmist verbessert wurden und in starkem Maße einem Ah-Horizont ähneln. Zuvor wurden diese Böden für Ackerstandorte so lange als möglich gemieden.

Die Plaggen wurden mit der Twicke (plattdeutsch: Hacke) gehauen. Die Arbeit war echte Schwerstarbeit, woran der Begriff „Plackerei“ oder „sich abplacken“ bis heute erinnert.

Auf diese Art und Weise wurden die Ackerflächen durch den organischen Dünger dauerhaft fruchtbar. Infolge dieser Wirtschaftsweise über lange Zeiträume bildeten sich über den natürlichen Böden „Eschhorizonte“ (= E-Horizont), die oft mächtiger als einen Meter sein können. In der Landschaft erkennt man dies heute an erhöhten und teils uhrglasförmig gewölbten Ackerfluren. Die Plaggenesche besitzen bei größerer Mächtigkeit am Rand steile Absätze, die sog. Eschkanten.

Plaggenesche wurden in Gewannen mit Langstreifen bewirtschaftet. Diese mittelalterliche Form der Bodenbearbeitung wurde mit einem Streichbrettpflug ausgeführt. Der Streichbrettpflug riss den Boden nicht nur auf, sondern er wendete die Pflugscholle. Auf langgestreckten, 8 - 32 m breiten Ackerstreifen wurde gepflügt. Die Scholle wurde immer zum Inneren des Ackers gewendet, dies bewirkte eine Aufwölbung im mittleren Bereich.

Um einen Hektar Ackerland mit genügend Dünger zu versorgen, waren je nach den Bodenverhältnissen zwischen 2 und 8 Hektar, z.T. noch deutlich mehr Heideflächen nötig. Die Regenerationszeit der abgeplaggten Heideflächen betrug je nach Tiefe und Häufigkeit des Plaggenhiebs 4 - 40 Jahre. Da sich Qualität und Menge der Plaggen bei jedem Zyklus verringerte, lag in ungünstigen Fällen der Flächenbedarf bei einem Vielfachen der genannten Zahlen. Die Folge war eine beträchtliche Vergrößerung der Heideflächen, vor allem auf Kosten des Waldes.

Der Plaggenesch ist im Vergleich zum Ausgangsboden tiefgründiger humos, besitzt ein erhöhtes Ertrags- und Nährstoffpotenzial und verfügt über ein höheres Wasserspeichervermögen. Er ist gut durchlüftet und wenig verdichtungsempfindlich. Er ist ein guter Ackerstandort.

Die Plaggenschicht zeigt je nach Art der Plaggen (Gras- oder Heideplaggen) unterschiedliche Gehalte an Ton, Eisen, organischer Substanz und an Nährstoffen. Je nach Herkunft des ausgestochenen Bodenmaterials kann man Plaggenesche in kohlenstoffreichere graue Plaggenesche aus sandigen Böden und in kohlenstoffärmere braune Plaggenesche aus Sandlöss und Lehmen unterscheiden. Anfang des 20. Jahrhunderts endete die Plaggenwirtschaft mit der Einführung des Mineraldüngers. Die arbeitsintensive Arbeit mit den Plaggen wurde überflüssig.

Auf den Feldern, die regelmäßig mit Plaggen gedüngt wurden, konnte Dauerackerbau betrieben werden. Im Gegensatz zur Dreifelderwirtschaft, bei der ein Drittel des Ackers jeweils brach lag, fand hier überwiegend Einfeldwirtschaft statt. Als Kulturpflanze wurde vor allem Winterroggen angebaut.

Die Zufuhr von organischem Material war nötig, da man "ewigen Roggenbau", meist auch ohne Brache praktizierte und es noch keinen Mineraldünger gab. Das Einfeldsystem des ewigen Roggenbaus ist als mehrjährige, ununterbrochene Aufeinanderfolge von Winterroggen zu verstehen, die im Extrem bis über 20 Jahre erreichen konnte.

Plaggenesch (Schema)
Plaggenesch (Schema)

Die Plaggenesche sind das Ergebnis einer seit dem Mittelalter durchgeführten landwirtschaftlichen Praxis z.B. in der niedersächsischen Geest und im Osnabrücker Berg- und Hügelland. Das obige Schema zeigt das typische Landschaftsbild. Der Eschhof liegt wegen der Wasserversorgung häufig in einer eher feuchten Niederung, die als Grünland genutzt wird. Das Ackerland liegt auf der benachbarten hochgelegenen grundwasserfernen Geest. So ist in der westlichen Geest auffallend, dass die Eschsiedlungen im Regelfall von feuchteren Gley-Podsolen oder Gleyen umgeben sind. Um die Nährstoffsituation zu verbessern, wurde auf den weiter entfernten Heideflächen (Allmende) und in der feuchten Niederung die stark humose und durchwurzelte oberste Schicht (Plaggen oder Soden einschließlich des anhaftenden Sandes) abgehoben und zunächst als Einstreu in die Viehställe verbracht. Mit dem so entstandenen Mist wurden dann die hofnahen Ackerflächen gedüngt. Nach und nach erhöhte sich über Jahrhunderte die Bodenoberfläche. Es entstand ein 40-100 cm mächtiger humoser E-Horizont, der kennzeichnend für den Plaggenesch ist.
Durch den Abtrag in den Niederungen einerseits und den Auftrag auf den Esch andererseits sind die sogenannten Eschkanten entstanden. Der ursprüngliche Hof liegt deshalb häufig etwas versteckt unterhalb des Esch.

Quelle: LBEG, Dr. Ernst Gehrt

Verbreitung

Seit etwa 1000 n. Chr. wurde die Plaggenwirtschaft im Raum der nordwestdeutschen Geest (bes. Emsland) mit ihren meist nährstoffarmen Sandböden neben der damals gängigen Dreifelderwirtschaft praktiziert.

Plaggenesche sind weltweit nur sehr kleinflächig vorzufinden, denn ihre Verbreitung ist an die ehemalige Bewirtschaftung gebunden. Vor allem sind sie eine regionale Besonderheit des nordwestdeutschen Raums mit einem Schwerpunkt um Osnabrück und Cloppenburg. Hier nehmen sie große Flächenanteile von bis zu 20 Prozent ein. Sie kommen aber in Mitteleuropa bis ins Ruhrgebiet sowie in Belgien und den östlichen Niederlanden vor. Vereinzelte Vorkommen sind auch im nordfriesischen Raum auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt zu finden. Darüber hinaus gibt es analoge Vorkommen in Dänemark, Irland, auf den Orkneys und einigen Shetlandinseln. 

Plaggenesch - Vorkommen in Deutschland

Plaggenesch - Vorkommen in Deutschland

Die Hauptverbreitungsgebiete der ‚Grauen Plaggenesche‘ sind die durch die Saaleeiszeit geprägten, meist nährstoffarmen Gebiete Nordwestdeutschlands. Die ‚Braunen Plaggenesche‘ sind überwiegend weiter südlich im Osnabrücker Raum bis hin zum südöstlichen Münsterland verbreitet. Vereinzelte Plaggeneschvorkommen sind auch im nordfriesischen Raum insbesondere auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt zu finden.

Quelle: © BGR Hannover

Nutzung und heutige Situation

Die Plaggen liefernden Flächen wurden als Plaggenmatt bezeichnet. Vierzigmal mehr Fläche als die zu düngende musste abgetragen werden. Das sorgte natürlich für eine Nährstoffverarmung der Plaggenmatten. Es entstanden somit nur für die Schafweide nutzbare Heidelandschaften, die jedoch zu einem Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten wurden. Daher finden heute Pflegemaßnahmen statt, um die Heidelandschaften zu erhalten. Dazu zählen der maschinelle Plaggenhieb und die Beweidung mit Heidschnucken. Die Plaggenesche selbst können zwar noch längere Zeit erhalten bleiben, werden sich jedoch bei ausbleibender Plaggenwirtschaft langfristig wieder in Richtung Podsol entwickeln.

Plaggenesche sind auch heute ertragreiche Ackerstandorte. Sie besitzen gute Nährstoffvorräte und physikalische Eigenschaften (z. B. hohes Porenvolumen und hohe Luftkapazität, einen guten Wasserhaushalt, ein stabiles Bodengefüge und rasche Erwärmung). Zudem sind in diesen Böden bis zu 300 t Kohlenstoff/ha gespeichert.

Heute werden alle Getreidearten und Hackfrüchte, z. B. Kartoffeln angebaut, die allerdings zunehmend vom Mais verdrängt werden. In Nordwestdeutschland werden Plaggenesche gerne auch für Sonderkulturen (z.B. Baumschulen) genutzt.

Plaggenesche stellen als vom Menschen gemachte Böden auch wichtige Archive der Kultur- und Landschaftsgeschichte dar. Sie zeugen von einer über Jahrhunderte ausgeübten und einfallsreichen Art der Bodenbewirtschaftung.

In den Plaggeneschen sind außerdem nicht selten archäologische Funde erhalten, die verbreitet an der Basis des Plaggenauftrags und in der Plaggenauflage enthalten sind. Durch die Plaggendecke werden sie geschützt und so erhalten. Plaggenesche sind daher aus wissenschaftlicher Sicht besonders schützenswerte Böden.

Aufgrund ihrer oft siedlungsnahen Lage sind diese Böden stark durch Baumaßnahmen und Versiegelung gefährdet. Eschkanten mit charakteristischer uhrglasförmiger Wölbung sind zudem prägend für die Morphologie der Kulturlandschaft und erhaltenswert.

(s. a. Esch)

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