Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Getreide

Gruppe von annuellen Kulturpflanzen aus der Familie der Gräser (Gramineen), die fast überall in der Welt wegen ihrer stärkemehlhaltigen Samen für die menschliche wie tierische Ernährung angebaut werden. Im Allgemeinen unterscheidet man acht Getreidearten: Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Mais, Triticale, Reis und Hirse. Der Kornkörper besteht aus der Frucht- und Samenschale, dem Keimling und dem Mehlkörper. Er enthält viel Eiweiß (Kleber) und Stärkekörner.

Begriff

Der Begriff "Getreide" wird nicht einheitlich verwendet: Botanisch gesehen gehören dazu Weizen, Reis, Gerste, Mais, Roggen, Hafer, verschiedene Hirsesorten u. a. Einige Agrarstatistiken weichen von dieser Definition ab. So beschränkt sich die FAO bei der laufenden Bereichterstattung (nicht grundsätzlich bei allen Statistiken!) zu cereal grains bzw. cereals auf die Getreidearten Reis und Weizen. Mais Gerste, Sorghum, Hafer und Roggen werden dagegen als sogenannte grobkörnige Getreide (coarse grains) zusammengefasst.

Historie

Schon in vorgeschichtlichen Siedlungen findet man Getreide an den Herdstellen. Auch auf Tongefäßen der Frühzeit finden sich Darstellungen von Ähren, ebenso ist aus den Funden von Mahlsteinen auf die Verwendung von Getreide zu schließen. Wahrscheinlich ist der Getreideanbau in Vorderasien entwickelt worden, über Kleinasien, die Donauländer oder die Iberische Halbinsel und Frankreich nach Mitteleuropa gekommen. Funde sprechen dafür, dass zunächst Brotweizen und Gerste, aber auch Hafer angebaut wurden. Roggen ist erst später, insbesondere wegen einer Klimaverschlechterung, in Mitteleuropa bedeutsam geworden.

Auch der Getreidehandel ist schon alt. Hirse und Mais sind erst später nach Europa gekommen. Neben den Körnern werden auch die Halme als Stroh – früher vor allen Dingen als Einstreu bei Viehhaltung – verwendet, heute vor allem zur Bodenverbesserung. Getreide wird in Deutschland fast ausschließlich mit dem Mähdrescher geerntet, die ausgedroschenen Körner kommen zunächst in den Korntank, werden dann lose auf Wagen umgeladen und gegebenenfalls getrocknet und eingelagert. Das Stroh wird entweder zu Ballen gepresst und abtransportiert oder gleich fein gehäckselt aufs Feld gestreut, um es in den Ackerboden einzuarbeiten.

Verwendung von Getreide in Deutschland

Mit 20,9 Millionen Tonnen wird mehr als die Hälfte des Getreides als Futtermittel eingesetzt (rund 54 Prozent). Die wichtigsten Futtergetreide sind Weizen, Gerste und Mais. 2021/22 wurden rund 6,6 Millionen Tonnen Weizen sowie jeweils 5,1 Millionen Tonnen Gerste und Mais verfüttert.

Im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2020/21 ist die Verwendung von Getreide als Futtermittel um 16 Prozent zurückgegangen. Das liegt unter anderem an gestiegenen Kosten für Futterkomponenten und einem geringeren Schweinebestand.

Der Nahrungsverbrauch ist im Vergleich zum Vorjahr um gut 3 Prozent gestiegen. Mit 8,9 Millionen Tonnen wurde knapp ein Viertel des Getreides für die menschliche Ernährung verwendet.

Der Krieg in der Ukraine könnte den Anstieg des Nahrungsverbrauchs erklären. Zu Beginn des Krieges kauften Verbraucherinnen und Verbraucher aus Sorge vor Versorgungsengpässen deutlich mehr Mehl. Zudem wurde viel Getreide als Lebensmittelspende in Form von Mehl oder Nudeln in die Ukraine geliefert.

Weich- und Hartweizen waren mit einem Verbrauch von zusammen knapp 7,4 Millionen Tonnen die wichtigsten Nahrungsgetreide. Roggen folgte mit 0,6 Millionen Tonnen sowie Hafer mit 0,5 Millionen Tonnen.

Knapp 10 Prozent des Getreides wurde 2021/22 in Deutschland energetisch genutzt. Darunter fällt beispielsweise die Erzeugung von Bioethanol. Gut 8 Prozent wurden industriell verwertet, beispielsweise als Braumalz. Die Verluste lagen 2021/22 bei weniger als 4 Prozent. Als Saatgut wurde rund 1 Prozent des Getreides verwendet.

Verwendung von Getreide in Deutschland
Verwendung von Getreide in Deutschland

Quelle: BLE

Ernteerträge

Die Ernteerträge bei Getreide wurden in den letzten Jahrzehnten erheblich gesteigert. Neue Sorten, bessere Bodenbearbeitung, gezielte Düngung, Pflanzenschutzmittel, Mechanisierung und Spezialisierung der Betriebe sind die Ursache dafür. 1967 erntete ein Landwirt in Deutschland gerade einmal die Hälfte der heutigen Getreidemenge. So lag zum Beispiel der Durchschnittsertrag je Hektar Weizen in den Jahren 1964 bis 1969 bei rund 3,7 Tonnen, heute (2017) liegt er im Schnitt der vergangenen fünf Jahre bei acht Tonnen. Dagegen liegen die Getreideerträge in den afrikanischen und asiatischen Ländern mit 20 bis 30 dt/ha deutlich niedriger. Auch in Nordamerika liegen die Erträge deutlich hinter denen Deutschlands.

Weltgetreideanbau nach Arten

Die Weltgetreideproduktion belief sich nach Angaben des USDA (amerikanisches Agrarministerium) im Wirtschaftsjahr 2021/22 auf 2.798 Mio. t (ohne Reis: 2.283 Mio. t). Sie lag mit +73 Mio. t bzw. +2,7 % erneut oberhalb der Getreideernte von 2020/21 mit 2.725 Mio. t (ohne Reis 2.179 Mio. t. Für das laufende Getreidewirtschaftsjahr 2022/23 taxiert das USDA in seiner Novemberschätzung die Ernte auf 2.746 Mio. t (ohne Reis: 2.242 Mio. t). Dies stellt, sollten die Zahlen Bestand haben, nach der Spitzenernte von 2021/22 die zweitgrößte Getreideernte aller Zeiten dar. . (Stand: 23.11.2022)

Quelle: LfL

Bedeutung

Getreide ist der weltweit wichtigste Nahrungskomplex und für die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern von entscheidender Bedeutung. Aber nur ein Teil der globalen Produktion wird direkt für die menschliche Nahrung verwendet. Immer mehr geht die Balance zwischen den vier "f" (food, feed, fuel, fibre) verloren. Mit einem Anteil von 47 Prozent wandert der Großteil der Getreideernten in den Futtertrog, und das mit steigender Tendenz. Durch diese indirekte Nutzung gehen aufgrund der ineffektiven Konversionsraten - rein rechnerisch - Kalorien verloren, die für die globale Ernährung und gerade für ärmere Bevölkerungsgruppen wichtig wären. Zusätzlich erhebt sich durch den Aufstieg der Bioenergie verstärkt die Frage nach "Teller oder Tank". Auch hat die Industrie die Verwendung von Getreide für verschiedenste Zwecke ausgeweitet.

Zwar ist die Nachfrage nach Getreide zur Kraftstoffherstellung leicht gestiegen, sie macht nach Angaben des Internationalen Getreiderats (IGC) aber weniger als ein Zehntel des Gesamtverbrauchs aus. In den USA wird vor allem Mais für die Herstellung von Bioethanol verwendet. Bei der Herstellung fällt Trockenschlempe (Dried Distillers Grains with Solubles, DDGS) an, das als Eiweißfuttermittel Verwendung findet.

Aus einer Tonne Weizen, die zu Bioethanol verarbeitet wird, entstehen durchschnittlich 295 Kilogramm DDGS mit einem Feuchtegehalt von zehn Prozent. Aus einer Tonne Mais ergeben sich 309 Kilogramm DDGS. Bei hohen Getreidepreisen wird zunächst weniger zu Biokraftstoff verarbeitet bevor am Einsatz in Futtermitteln gespart wird. Das hohe Wertschöpfungspotenzial auf den Lebensmittelmärkten stellt sicher, dass bei hohen Getreidepreisen dieses vorrangig in die Lebensmittelproduktion läuft.

Mit 2,658 Milliarden Tonnen übertrifft die globale Getreideernte einschließlich Reis in 2019 das Vorjahresergebnis um 29 Millionen Tonnen (+ 1,1 Prozent). Aber auch Außenhandel und Verbrauch steigen. Bis Ende des Wirtschaftsjahres 2019/20 dürften die Weltgetreidebestände nur marginal schrumpfen, so dass die globale Versorgungslage unverändert bleibt.

Die USA dominieren weiter den globalen Handel mit Getreide. In der Saison 2019/20 dürfte der Marktanteil von US-Getreide am Welthandel etwa knapp ein Fünftel betragen, von US-Grob- und Futtergetreide sogar gut ein Viertel. Dabei spielt Mais eine maßgebliche Rolle. Die EU wiederum bleibt ein wichtiger Akteur am globalen Weizenmarkt, und zwar vor allem bei qualitativ hochwertigem Brotweizen. Die Weizen-Ausfuhren der EU dürften im Wirtschaftsjahr 2019/20 mit geschätzten 29 Millionen Tonnen gegenüber dem dürrebedingten schwachen Vorjahr wieder deutlich höher ausfallen. Der weltweit wichtigste Weizenlieferant dürfte im Wirtschaftsjahr 2019/20 wieder Russland mit geschätzten 35 Millionen Tonnen sein. Es folgen die EU mit 29 Millionen Tonnen und dann erst die USA mit geschätzten 26 Millionen Tonnen.

Weitere Informationen:

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