Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Gewannflur

Eher historische Flurform, die in eine größere Zahl von Gewannen mit überwiegend blockförmigem Umriss gegliedert ist. Gewannfluren sind gleichlaufend, wenn in der überwiegenden Zahl der Gewanne die Parzellen bzw. die Pflugrichtung einer Hauptrichtung folgen. In einer kreuzlaufenden Gewannflur weisen die Gewanne verschiedene, z.B. hangsenkrechte und hangparallele Parzellierung auf. Gewannfluren stehen gewissermaßen vermittelnd zwischen regellos gestalteten Blockfluren und Streifenfluren mit dem Dominieren von einzelnen oder mehreren Parzellenverbänden.

Genetisch sind die Gewannfluren zumindest in Mitteleuropa überwiegend durch die Parzellierung von großen Blöcken entstandene Sekundärformen. Als Primärform kann sie sich aus der Aufteilung von Allmendland gebildet haben. Gewannfluren finden sich in fast allen Landschaften Mitteleuropas, allerdings mit ungleicher Verbreitungsdichte. In Gebieten der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung waren sie selten, in den südwest- und westdeutschen Realteilungsgebieten wiesen sie eine fast geschlossene Verbreitung auf.

Eindeutige Belege für das Auftreten von Gewannfluren finden sich erst für das späte 13. Jahrhundert. Sie betreffen landwirtschaftliche Gunstzonen wie Elsass und Breisgau, Neckartal und Wetterau.

Die langen, schmalen Einzelfelder (Riemenparzellen) hatten unter anderen technologischen Vorzeichen durchaus Positives: Ein von Ochsen gezogener Pflug konnte ohne Wenden lange Strecken bearbeiten. Für die moderne Großtechnik ist die Schmalparzellierung hingegen sehr hinderlich.

Gewannfluren wiesen in der Regel nur wenig extensive Landnutzung auf, weil dies die typische Flurform für Lössböden mit ausgeglichenem Relief war. Da die Flächen damit für den Ackerbau überaus attraktiv waren, wurde jede mögliche Fläche unter Pflug genommen, um Getreide anzubauen. Gewannfluren, die beispielsweise für den Oberrheingraben, die Magdeburger Börde und das Neckarland typisch waren, waren deshalb weitgehend „ausgeräumte“ Landschaften.

Typisch für Gewannfluren war eine Dreifelderwirtschaft, bei der man im ersten Jahr Wintergetreide wie Roggen und Weizen anbaute, im darauf folgenden Jahr Dinkel, Hafer, Sommerweizen oder Gerste und dann das Feld ein Jahr lang brach liegen ließ. Auf Gewannfluren war wegen der geringen Größe der einzelnen Parzellen, von denen noch nicht einmal jede über eigene Zugangswege verfügte, die Bewirtschaftung zelgengebunden. Auf jeder Zelge, einer Einheit aus mehreren Parzellen, mussten alle Besitzer nicht nur dieselbe Frucht anbauen, sondern sich auch an gemeinsame Saat- und Erntezeiten halten.

Vieh wurde nur als Zugtiere und Düngerlieferanten gehalten. Die Fleischproduktion spielte dabei eine sehr geringe Rolle. Entsprechend selten waren auch Allmenden, die als gemeinschaftliche Weidefläche genutzt wurde. Beweidet wurden dagegen in einem komplizierten Turnus die Brachflächen, die wenigen Raine und nicht ackerbaulich genutzten Flächen sowie die Stoppelfelder. Mit der Einführung der verbesserten Dreifelderwirtschaft, bei der das Brachejahr entfiel und stattdessen auf diesen Flächen Klee, Esparsette und Luzerne als stickstoffbindende Gründüngung gesät wurde, begann man zunehmend, zur reinen Stallhaltung überzugehen. Auf den Kleinflächen, die nicht in den Ackerbau einbezogen wurden, ließ damit der Beweidungsdruck nach. Diese Flächen standen jetzt für Streuobstanbau zur Verfügung, oder es entstanden dort allmählich Feldgehölze, Gebüsche und Hecken.

Entsprechend dem Begriff "Streifengemengeverband" für "Gewann" wurde "Streifengemengeverbandsflur" für "Gewannflur" vorgeschlagen.

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