Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Landnutzung

Bezeichnung für die Inwertsetzung der Landoberfläche durch den Menschen. Er kann durch die Art, die Intensität und den Zweck der Nutzung beschrieben werden. Der anthropozentrische Begriff Landnutzung unterscheidet sich damit von dem naturwissenschaftlich geprägten Begriff Landbedeckung, der auf die biophysikalischen Eigenschaften der Erdoberfläche abzielt. Landnutzung und Landbedeckung stehen in engen Wechselwirkungen.

Eine bestimmte Landnutzung ist zumeist das Ergebnis des Zusammenwirkens von anthropogenen und natürlichen Standortfaktoren. Zu ersteren gehören politische, rechtliche oder allgemeiner institutionelle Rahmenbedingungen, verfügbare Technologien sowie ökonomische Strukturen und Verbraucherpräferenzen. Natürliche Faktoren wie Bodenart, Relief, Klima oder Wasserverfügbarkeit üben insbesondere auf die land- und forstwirtschaftliche Nutzung einen bedeutenden Einfluss aus.

Bei speziell landwirtschaftlicher Nutzung spricht man häufig von Bodennutzung. Gelegentlich werden beide Begriffe auch synonym zueinander verwendet.

Eine umfassendere Definition untergliedert den Begriff Landnutzung in zwei Kategorien, die eng verflochten sind:

Eine weitere Definition findet sich im IPCC-Bericht 2007:

Globale Veränderungen in der Landnutzung zwischen 1882 und 1991
Globale Veränderungen in der Landnutzung zwischen 1882 und 1991

Quelle: Manshard u. Mäckel 1995

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) versteht unter Landnutzung:

Eine gebräuchliche Definition von Landnutzung, die WOCAT verwendet, lautet:

Die FAO schlägt die folgende Definition vor:

Gleichwohl bemängeln das Projekt LADA (Land Degradation Assessment in Drylands) und andere Autoren,

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sieht unseren Umgang mit Land in einem 'Trilemma der Landnutzung'. Dieses manifestiert sich in den vielfältigen Ansprücken für Klimaschutz, Ernährungssicherung und Erhaltung biologischer Vielfalt, die bereits heute in Konkurrenz zueinander stehen, während sich die Landdegradation auf alle drei Aspekte kurz- oder langfristig auswirkt. Nach Ansicht des WBGU scheint es nur auf den ersten Blick so, als könne jeweils einer dieser Herausforderungen nur auf kosten der anderen beiden bewältigt werden. In einem Gutachten (Landwende im Anthropozän: Von der Kokurrenz zur Integration) zeigt der WBGU exemplarisch, wie durch Kombination von Schutz und multiplen Nutzungen in der Landschaft Mehrgewinne erzielt werden können, so dass Konkurrenzen überwunden werden.

Hierzu stellt das Gutachten fünf exemplarische Mehrgewinnstrategien vor:

  1. Renaturierung: Landbasierte CO2-Entfernung synergistisch gestalten
  2. Schutzgebietssysteme ausweiten und aufwerten
  3. Landwirtschaftssysteme diversifizieren
  4. Die Transformation der tierproduktlastigen Ernährungsstile in den Industrieländern vorantreiben
  5. Bioökonomie verantwortungsvoll gestalten und dabei Holzbau fördern

Ergänzt werden sollen diese Mehrgewinnstrategien durch fünf Governance-Strategien für einen solidarischen Umgang mit Land. Erst sie schaffen geeignete Rahmenbedingungen und Anreizsysteme:

  1. Pionier*innen des Wandels: Akteure zur Verantwortungsübernahme ermächtigen
  2. Gestaltender Staat: Rahmenbedingungen für den solidarischen Umgang mit Land schaffen
  3. Eine Landwende als Teil des European Green Deal
  4. Bestehende internationale Kooperation und Koordination des Umgangs mit Land stärken
  5. Drei neue multilaterale Kooperationsgemeinschaften zur Förderung einer globalen Landwende

In einer 2022 veröffentlichten Studie beschreiben 50 Wissenschaftler/-innen aus 20 Ländern einen nachhaltigeren und gerechteren Ansatz der Landnutzung zur Bewältigung des Klimawandels, der biologischen Vielfalt und anderer globaler Krisen. Die zehn in der Studie gelisteten Fakten (s. Infobox) zur Landnutzung haben direkte Auswirkungen auf die Effektivität und Auswirkungen von politischen Maßnahmen, die Land betreffen, vom Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel über die Nahrungssicherheit bis hin zum Schutz der biologischen Vielfalt und der menschlichen Gesundheit.

Zehn Fakten zur globalen Landnutzung

  1. Die Bedeutung und Werte von Land sind sozial konstruiert und umstritten: 
    Verschiedene Gruppen legen unterschiedlichen Wert darauf, was Land nützlich oder kulturell wichtig macht, und wann Land als degradiert betrachtet wird. Top-down politische Maßnahmen sind oft in einem vorherrschenden Wertesystem verwurzelt.
  2. Landnutzungssysteme sind komplex und weisen oft abrupte, schwer vorhersehbare Veränderungen auf:
    Politische Maßnahmen sollen in der Regel ein bestimmtes Problem lösen, scheitern jedoch oft, weil sie die Komplexität der Systeme ignorieren. Die isolierte Behandlung eines Problems kann zu unbeabsichtigten Schäden für Natur und Menschen führen.
  3. Irreversible Veränderungen und Pfadabhängigkeiten sind gemeinsame Merkmale von Landnutzungssystemen:
    Der Wechsel von einer Landnutzung in eine andere, wie etwa die Rodung von alten Wäldern, führt zu Veränderungen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte später zu spüren sind. Renaturierungen bringen Land selten in einen Zustand zurück, der wirklich den ursprünglichen Bedingungen entspricht.
  4. Einige Landnutzungen haben zwar einen geringen Fußabdruck, aber sehr große Auswirkungen:
    Städte zum Beispiel verbrauchen große Mengen an Ressourcen, die oft anderswo auf riesigen Landflächen produziert werden. Städte können jedoch auch negative Auswirkungen verringern, indem sie die Bevölkerung auf einer relativ kleinen Fläche konzentrieren. Nettoauswirkungen lassen sich oft schwer messen und vorhersagen.
  5. Treiber und Auswirkungen von Landnutzungsänderungen sind global miteinander verbunden und wirken sich auf entfernte Orte aus:
    Aufgrund der Globalisierung kann die Landnutzung von weit entfernt lebende Menschen, wirtschaftliche Faktoren, politische Maßnahmen, Organisationen und Entscheidungen die Landnutzung an einem anderen Ort beeinflussen.
  6. Wir leben auf einem intensiv genutzten Planeten, auf dem das gesamte Land den Gesellschaften von Nutzen ist:
    Menschen bewohnen, nutzen oder bewirtschaften direkt mehr als drei Viertel der eisfreien Fläche der Erde. Selbst unbewohntes Land ist auf unterschiedliche Art mit den Menschen verbunden; nirgendwo ist eine Änderung der Landnutzung frei von Kompromissen.
  7. Landnutzungsänderungen sind in der Regel mit Abwägungen zwischen verschiedenen Vorteilen verbunden. "Win-Win"-Situationen sind selten:
    Die Landnutzung bietet eine Reihe von Vorteilen wie Nahrung, Holz und sakrale Gebiete. Aber sie geht oft auch mit Kompromissen für die Natur und einige lokale Gemeinschaften einher. Landnutzungsentscheide sind mit Werturteilen verbunden, die bestimmen, welche Vorteile priorisiert werden sollen und für wen.
  8. Landbesitz- und Landnutzungsansprüche sind oft unklar, überschneiden sich und sind umstritten:
    Nutzungs- und Zugangsrechte zu Land können sich überschneiden, verschiedenen Personen gehören oder sich auf verschiedene Arten des Zugangs beziehen, wie bei Eigentums- oder Nutzungsrechten.
  9. Nutzen und Lasten von Land sind ungleich verteilt:
    In den meisten Ländern der Welt besitzt eine kleine Anzahl von Menschen einen unverhältnismäßig großen Teil an Landfläche und Bodenwert.
  10. Landnutzende haben vielfältige, manchmal widersprüchliche Vorstellungen davon, was soziale und ökologische Gerechtigkeit bedeutet:
    Es gibt keine alleinige Form der Gerechtigkeit, die für alle gleichermaßen fair ist. Gerechtigkeit bedeutet für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge. Diese gehen von der Anerkennung des Anspruchs indigener Gruppen auf Land über die Auswirkungen auf künftige Generationen bis hin zu den Systemen, mit denen bestimmt wird, wessen Ansprüche Vorrang haben.

Quelle: GLP / HU

Emissionen aus dem Landnutzungssektor und ihre Minderung

Weltweit gibt es zahlreiche Projekte und Maßnahmen, um die Emissionen aus dem Landnutzungssektor zu verringern bzw. dessen Senkenleistung zu vergrößern. Diese können in einem Land dazu beitragen, die nationalen Minderungsziele zu erreichen. Die Emissionsminderungsleistung von Klimaschutzprojekten kann jedoch auch auf dem globalen Kohlenstoffmarkt gehandelt werden – und zwar in Form von Emissionsminderungsgutschriften. Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen können diese Gutschriften kaufen und damit einen Teil ihrer eigenen Treibhausgasemissionen kompensieren. Das passiert entweder auf dem Verpflichtungsmarkt oder auf dem freiwilligen Markt.

Langfristige Kohlenstoffbindung (Permanenz)

Eine Herausforderung im Landnutzungssektor ist, dass Kohlenstoffeinbindungen grundsätzlich reversibel sind und aus Senken wieder Quellen werden können. Wird beispielsweise der wiederaufgeforstete Wald gerodet, brennt ab oder stirbt durch Schädlingsbefall ab, wird der eingebundene Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre entlassen.

Deswegen sollte dieses Risiko in Klimaschutzprojekten berücksichtigt und möglichst gering gehalten werden. Die Emissionsminderung muss dauerhaft sein. Man spricht hier von Permanenz. Das kann durch ein entsprechendes Projektdesign geschehen: Risiken, wie z. B. Schädlingsbefall oder Waldbrandschäden, werden dabei mit einbezogen. Auch Besitzverhältnisse können eine große Rolle spielen: Sind diese nicht eindeutig und langfristig geregelt, besteht die Gefahr, dass die Flächen in der Zukunft gerodet werden. Wird die lokale Bevölkerung vor Projektbeginn einbezogen, kann diesem Problem präventiv begegnet werden. Durch eine nachhaltige Forstwirtschaft kann versucht werden, natürliche Risiken zu vermindern.

Weitere Informationen:

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