Landnutzung
Bezeichnung für die Inwertsetzung der Landoberfläche durch den Menschen. Er kann durch die Art, die Intensität und den Zweck der Nutzung beschrieben werden. Der anthropozentrische Begriff Landnutzung unterscheidet sich damit von dem naturwissenschaftlich geprägten Begriff Landbedeckung, der auf die biophysikalischen Eigenschaften der Erdoberfläche abzielt. Landnutzung und Landbedeckung stehen in engen Wechselwirkungen.
Eine bestimmte Landnutzung ist zumeist das Ergebnis des Zusammenwirkens von anthropogenen und natürlichen Standortfaktoren. Zu ersteren gehören politische, rechtliche oder allgemeiner institutionelle Rahmenbedingungen, verfügbare Technologien sowie ökonomische Strukturen und Verbraucherpräferenzen. Natürliche Faktoren wie Bodenart, Relief, Klima oder Wasserverfügbarkeit üben insbesondere auf die land- und forstwirtschaftliche Nutzung einen bedeutenden Einfluss aus.
Bei speziell landwirtschaftlicher Nutzung spricht man häufig von Bodennutzung. Gelegentlich werden beide Begriffe auch synonym zueinander verwendet.
Eine umfassendere Definition untergliedert den Begriff Landnutzung in zwei Kategorien, die eng verflochten sind:
- Ländliche Landnutzung, die vor allem die Land-, Forst- und Weidewirtschaft, auch Aquakulturen umfasst,
- Formen der städtischen und industriellen Landnutzung, die besonders in urbanen Räumen auftreten, aber auch Verkehrswege, Bergbau u.a. umfassen.
Eine weitere Definition findet sich im IPCC-Bericht 2007:
- Begriff, der sich auf die Gesamtheit der Vorkehrungen, Aktivitäten und Investitionen bezieht, die in einem bestimmten Landbedeckungstyp vorgenommen werden (eine Reihe menschlicher Aktivitäten). Der Begriff Landnutzung wird auch im Sinne des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecks, für den Land bewirtschaftet wird (zum Beispiel Weidewirtschaft, Holznutzung, Naturschutz), verwendet. (UBA)
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) versteht unter Landnutzung:
- ... die sich kontinuierlich verändernde Art der Inanspruchnahme von Böden und Landflächen durch den Menschen. Dabei nimmt die Konkurrenz verschiedener Nutzungsformen, Nutzungsansprüche und Nutzer rapide zu. Mehrere Personen oder Gruppen können dabei unterschiedliche, sich nicht zwingend ausschließende Nutzungsrechte an dem gleichen Stück Land halten (z.B. Ackerbau, Sammlung von Feuerholz und Futter für Vieh). In der Realität werden die Nutzungsinteressen und -rechte marginaler Bevölkerungsgruppen wie indigenen Völkern oder der nomadischen Bevölkerung oft vernachlässigt.
Eine gebräuchliche Definition von Landnutzung, die WOCAT verwendet, lautet:
- Menschliche Tätigkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Land stehen und dessen Ressourcen nutzen oder sich auf das Land auswirken. Weltweit werden verschiedene Techniken angewandt, um auf Land Güter zu produzieren oder einen sonstigen Nutzen zu erwirtschaften. Eine bestimmte Form der Landnutzung oder -bewirtschaftung kann auf einer oder mehreren Flächen erfolgen, aber auf einer Fläche können auch unterschiedliche Nutzungsarten stattfinden. (WOCAT Glossary)
Die FAO schlägt die folgende Definition vor:
- Landnutzung ist gekennzeichnet durch die Vorkehrungen, Maßnahmen und Beiträge, die Menschen bei einer bestimmten Form der Bodenbedeckung leisten, um diese zu erzeugen, zu verändern oder zu erhalten. (FAO, 1999)
Gleichwohl bemängeln das Projekt LADA (Land Degradation Assessment in Drylands) und andere Autoren,
- ... dass Landnutzung nicht klar definiert sei, und dass kaum gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um ein international akzeptables System zu schaffen. Vielfach entspricht eine bestimmte Landnutzung einer einzigen Art der Bodenbedeckung wie im Falle von Tierhaltung auf natürlichem Weideland. Eine bestimmte Art der Bodenbedeckung kann aber auch unterschiedlich genutzt werden. So kann Wald gleichzeitig zur Holzgewinnung und zum Brandrodungsfeldbau genutzt werden, zum Jagen und Sammeln und zur Erholung, als Brennholzquelle, Wildreservat und Schutzzone für Flussgebiete und Böden. [...] Daher hat das Verhältnis zwischen Bodenbedeckung und Landnutzung viele Facetten. (LADA 2013)
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sieht unseren Umgang mit Land in einem 'Trilemma der Landnutzung'. Dieses manifestiert sich in den vielfältigen Ansprücken für Klimaschutz, Ernährungssicherung und Erhaltung biologischer Vielfalt, die bereits heute in Konkurrenz zueinander stehen, während sich die Landdegradation auf alle drei Aspekte kurz- oder langfristig auswirkt. Nach Ansicht des WBGU scheint es nur auf den ersten Blick so, als könne jeweils einer dieser Herausforderungen nur auf kosten der anderen beiden bewältigt werden. In einem Gutachten (Landwende im Anthropozän: Von der Kokurrenz zur Integration) zeigt der WBGU exemplarisch, wie durch Kombination von Schutz und multiplen Nutzungen in der Landschaft Mehrgewinne erzielt werden können, so dass Konkurrenzen überwunden werden.
Hierzu stellt das Gutachten fünf exemplarische Mehrgewinnstrategien vor:
- Renaturierung: Landbasierte CO2-Entfernung synergistisch gestalten
- Schutzgebietssysteme ausweiten und aufwerten
- Landwirtschaftssysteme diversifizieren
- Die Transformation der tierproduktlastigen Ernährungsstile in den Industrieländern vorantreiben
- Bioökonomie verantwortungsvoll gestalten und dabei Holzbau fördern
Ergänzt werden sollen diese Mehrgewinnstrategien durch fünf Governance-Strategien für einen solidarischen Umgang mit Land. Erst sie schaffen geeignete Rahmenbedingungen und Anreizsysteme:
- Pionier*innen des Wandels: Akteure zur Verantwortungsübernahme ermächtigen
- Gestaltender Staat: Rahmenbedingungen für den solidarischen Umgang mit Land schaffen
- Eine Landwende als Teil des European Green Deal
- Bestehende internationale Kooperation und Koordination des Umgangs mit Land stärken
- Drei neue multilaterale Kooperationsgemeinschaften zur Förderung einer globalen Landwende
In einer 2022 veröffentlichten Studie beschreiben 50 Wissenschaftler/-innen aus 20 Ländern einen nachhaltigeren und gerechteren Ansatz der Landnutzung zur Bewältigung des Klimawandels, der biologischen Vielfalt und anderer globaler Krisen. Die zehn in der Studie gelisteten Fakten (s. Infobox) zur Landnutzung haben direkte Auswirkungen auf die Effektivität und Auswirkungen von politischen Maßnahmen, die Land betreffen, vom Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel über die Nahrungssicherheit bis hin zum Schutz der biologischen Vielfalt und der menschlichen Gesundheit.
- Die Bedeutung und Werte von Land sind sozial konstruiert und umstritten:
Verschiedene Gruppen legen unterschiedlichen Wert darauf, was Land nützlich oder kulturell wichtig macht, und wann Land als degradiert betrachtet wird. Top-down politische Maßnahmen sind oft in einem vorherrschenden Wertesystem verwurzelt. - Landnutzungssysteme sind komplex und weisen oft abrupte, schwer vorhersehbare Veränderungen auf:
Politische Maßnahmen sollen in der Regel ein bestimmtes Problem lösen, scheitern jedoch oft, weil sie die Komplexität der Systeme ignorieren. Die isolierte Behandlung eines Problems kann zu unbeabsichtigten Schäden für Natur und Menschen führen. - Irreversible Veränderungen und Pfadabhängigkeiten sind gemeinsame Merkmale von Landnutzungssystemen:
Der Wechsel von einer Landnutzung in eine andere, wie etwa die Rodung von alten Wäldern, führt zu Veränderungen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte später zu spüren sind. Renaturierungen bringen Land selten in einen Zustand zurück, der wirklich den ursprünglichen Bedingungen entspricht. - Einige Landnutzungen haben zwar einen geringen Fußabdruck, aber sehr große Auswirkungen:
Städte zum Beispiel verbrauchen große Mengen an Ressourcen, die oft anderswo auf riesigen Landflächen produziert werden. Städte können jedoch auch negative Auswirkungen verringern, indem sie die Bevölkerung auf einer relativ kleinen Fläche konzentrieren. Nettoauswirkungen lassen sich oft schwer messen und vorhersagen. - Treiber und Auswirkungen von Landnutzungsänderungen sind global miteinander verbunden und wirken sich auf entfernte Orte aus:
Aufgrund der Globalisierung kann die Landnutzung von weit entfernt lebende Menschen, wirtschaftliche Faktoren, politische Maßnahmen, Organisationen und Entscheidungen die Landnutzung an einem anderen Ort beeinflussen. - Wir leben auf einem intensiv genutzten Planeten, auf dem das gesamte Land den Gesellschaften von Nutzen ist:
Menschen bewohnen, nutzen oder bewirtschaften direkt mehr als drei Viertel der eisfreien Fläche der Erde. Selbst unbewohntes Land ist auf unterschiedliche Art mit den Menschen verbunden; nirgendwo ist eine Änderung der Landnutzung frei von Kompromissen. - Landnutzungsänderungen sind in der Regel mit Abwägungen zwischen verschiedenen Vorteilen verbunden. "Win-Win"-Situationen sind selten:
Die Landnutzung bietet eine Reihe von Vorteilen wie Nahrung, Holz und sakrale Gebiete. Aber sie geht oft auch mit Kompromissen für die Natur und einige lokale Gemeinschaften einher. Landnutzungsentscheide sind mit Werturteilen verbunden, die bestimmen, welche Vorteile priorisiert werden sollen und für wen. - Landbesitz- und Landnutzungsansprüche sind oft unklar, überschneiden sich und sind umstritten:
Nutzungs- und Zugangsrechte zu Land können sich überschneiden, verschiedenen Personen gehören oder sich auf verschiedene Arten des Zugangs beziehen, wie bei Eigentums- oder Nutzungsrechten. - Nutzen und Lasten von Land sind ungleich verteilt:
In den meisten Ländern der Welt besitzt eine kleine Anzahl von Menschen einen unverhältnismäßig großen Teil an Landfläche und Bodenwert. - Landnutzende haben vielfältige, manchmal widersprüchliche Vorstellungen davon, was soziale und ökologische Gerechtigkeit bedeutet:
Es gibt keine alleinige Form der Gerechtigkeit, die für alle gleichermaßen fair ist. Gerechtigkeit bedeutet für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge. Diese gehen von der Anerkennung des Anspruchs indigener Gruppen auf Land über die Auswirkungen auf künftige Generationen bis hin zu den Systemen, mit denen bestimmt wird, wessen Ansprüche Vorrang haben.
Quelle: GLP / HU
Emissionen aus dem Landnutzungssektor und ihre Minderung
Weltweit gibt es zahlreiche Projekte und Maßnahmen, um die Emissionen aus dem Landnutzungssektor zu verringern bzw. dessen Senkenleistung zu vergrößern. Diese können in einem Land dazu beitragen, die nationalen Minderungsziele zu erreichen. Die Emissionsminderungsleistung von Klimaschutzprojekten kann jedoch auch auf dem globalen Kohlenstoffmarkt gehandelt werden – und zwar in Form von Emissionsminderungsgutschriften. Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen können diese Gutschriften kaufen und damit einen Teil ihrer eigenen Treibhausgasemissionen kompensieren. Das passiert entweder auf dem Verpflichtungsmarkt oder auf dem freiwilligen Markt.
Langfristige Kohlenstoffbindung (Permanenz)
Eine Herausforderung im Landnutzungssektor ist, dass Kohlenstoffeinbindungen grundsätzlich reversibel sind und aus Senken wieder Quellen werden können. Wird beispielsweise der wiederaufgeforstete Wald gerodet, brennt ab oder stirbt durch Schädlingsbefall ab, wird der eingebundene Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre entlassen.
Deswegen sollte dieses Risiko in Klimaschutzprojekten berücksichtigt und möglichst gering gehalten werden. Die Emissionsminderung muss dauerhaft sein. Man spricht hier von Permanenz. Das kann durch ein entsprechendes Projektdesign geschehen: Risiken, wie z. B. Schädlingsbefall oder Waldbrandschäden, werden dabei mit einbezogen. Auch Besitzverhältnisse können eine große Rolle spielen: Sind diese nicht eindeutig und langfristig geregelt, besteht die Gefahr, dass die Flächen in der Zukunft gerodet werden. Wird die lokale Bevölkerung vor Projektbeginn einbezogen, kann diesem Problem präventiv begegnet werden. Durch eine nachhaltige Forstwirtschaft kann versucht werden, natürliche Risiken zu vermindern.
Weitere Informationen:
- Bodenatlas: Daten und Fakten über Acker, Land und Erde (Heinrich Böll Stiftung u. a. 2015)
- Klimawandel und Landnutzung - Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (IPCC 2019)
- Landnutzung (Bildungsserver)
- Landwende im Anthropozän: Von der Kokurrenz zur Integration (WBGU 2020)
- Landnutzung und Klimaschutz - Wie wir mit Landnutzung Klimaschutzziele erreichen können (UBA 2023)