Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Pflanzenschutzmittel

Stoffe, die dazu bestimmt sind, Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse wie z.B. Früchte und Samen vor Schadorganismen (Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen) zu schützen oder die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (Wachstumsregler) ohne ihrer Ernährung zu dienen. Hierzu zählen Herbizide, Fungizide, Insektizide, Akarizide, Pflanzenwachstumsregulatoren und Repellentien (Abwehr- oder Vergrämungsmittel). Als Pflanzenschutzmittel (PSM) im Sinne des Pflanzenschutzmittelgesetzes (PflSchG) gelten auch Stoffe, die dazu bestimmt sind, Flächen von Pflanzenwuchs freizumachen oder freizuhalten.

Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist ein zweistufiges Verfahren. Die Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel werden von der EU-Kommission genehmigt. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen werden national zugelassen. Zulassungsstelle in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Im Zulassungsverfahren arbeitet das (BVL gemäß Pflanzenschutzgesetz mit drei Bewertungsbehörden zusammen:

Zahl zugelassener Pflanzenschutzmittel und Wirkstoffe*
Zahl zugelassener Pflanzenschutzmittel und Wirkstoffe

Quelle: UBA

1995 waren in Deutschland ca. 1.000 PSM mit gut 200 Wirkstoffen zugelassen. Etwa 200 dieser PSM dürfen auch in Haus und Garten verwendet werden. Etwa 30.000 t PSM werden jährlich offiziell in Deutschland verkauft. Daten über die ausgebrachte Menge liegen im Gegensatz beispielsweise zu den USA nicht vor. In der Tatsache, daß in der EU außerhalb Deutschlands ca. 700 Wirkstoffe zugelassen sind, wird ein Wettbewerbsnachteil für die deutsche Landwirtschaft gesehen.

Im Jahr 2015 waren 766 Mittel (ohne ruhende Zulassungen) mit 1.490 Handelsnamen (Mittel können als „Vertriebserweiterungen“ unter mehreren Handelsnamen vertrieben werden) zugelassen. Die Zahl eingesetzter Wirkstoffe in den zugelassenen PSM ist seit 2000 (276 Wirkstoffe) annähernd konstant geblieben. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 277 Wirkstoffe eingesetzt.

Der Weltmarkt für PSM betrug im Jahr 2014 42,7 Mrd. Euro und verteilt sich zu 28,5 % auf Lateinamerika, 25,9 % auf Asien inkl. Japan und Ozeanien, 24,5 % auf die Europäische Union und 17,3 % auf die USA, Kanada und Mexiko. Der Umsatz in Deutschland betrug 1,6 Mrd. €.Die zehn umsatzstärksten Hersteller von PSM waren Syngenta (10,3 Mrd. Dollar), Bayer CropScience (9,5), BASF (6,0), Dow AgroSciences (5,0), Monsanto (3,7), DuPont (3,2), Makhteshim Agan (2,6), Nufarm (2,3), Sumitomo Chemical (2,0) und FMC (1,8). In Deutschland liegt der Absatz jährlich bei ca. 40.000 t, 2011 wurden 43.000 t verkauft.

Inlandabsatz von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in Deutschland 2019

Inlandabsatz von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in Deutschland 2019

Der Absatz von Pflanzenschutzmittel schwankt vor allem witterungs- und preisbedingt. 2019 lag der Absatz von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen (exklusive inerter Gase) mit rund 27 Tausend Tonnen deutlich unter dem Durchschnitt der letzten 25 Jahre von 31,4 Tausend Tonnen.

Der Absatz von zum Vorratsschutz eingesetzten inerten Gasen wie CO2 lag 2019 bei rund 17,7 Tausend Tonnen. Er hat seit den 1990er Jahren stark zugenommen.

Quelle: BVL / BLE

Ökologische Bewertung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes

Aus Sicht des Umweltschutzes sind weniger die ausgebrachten Mengen entscheidend für eine Bewertung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, als vielmehr die Wirkungsintensität oder die Wirkungsäquivalente. So können moderne hochwirksame PSM aus ökotoxikologischer Sicht trotz geringerer Dosierung das gleiche Gefährdungspotenzial wie ältere Mittel in hoher Dosierung aufweisen. Deshalb ist die alleinige Festsetzung von mengenbezogenen Minderungszielen für alle PSM nicht ausreichend. Sinnvoll wäre die Ermittlung von Trends und die Definition von Reduktionszielen mit Bezug auf die angewandte Menge des jeweiligen Wirkstoffs jedoch für solche Wirkstoffe, die aus Umweltsicht als kritisch anzusehen sind, allerdings nicht die Kriterien für einen Rückruf der Zulassung erfüllen.

Schwer abbaubare, bioakkumulierende (sich in Tieren und Pflanzen anreichernde) und umweltgiftige Wirkstoffe sollen grundsätzlich verboten werden. Beispiele sind die persistenten organischen Schadstoffe (POPs), aber auch krebsauslösende oder über Änderungen im Hormonhaushalt oder im Erbgut schädlich wirkende Stoffe. Beispielsweise wird noch immer über den Einsatz des Wirkstoffes Glyphosat diskutiert, weil dieser Wirkstoff in Verdacht steht, Krebs beim Menschen auszulösen.

Die Ausweitung der Anbauflächen und die Intensivierung der Bewirtschaftung haben die Rahmenbedingungen für die Anwendung von PSM in Deutschland drastisch verändert. Der immer intensivere und umfangreichere Einsatz hochwirksamer Breitband-Herbizide und -Insektizide führt in vielen Fällen nicht nur zur gewollten Minimierung der sogenannten Unkräuter und Schadinsekten. Er führt zwangsläufig auch dazu, dass die Ackerbegleitflora verarmt und vielen Vogel-, Säugetier- und anderen Tierarten der Agrarlandschaft die Nahrungsgrundlage entzogen wird. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass PSM über die Nahrungskette indirekt eine der Hauptursachen für Bestandsrückgänge bei verschiedenen Feldvogelarten, wie zum Beispiel der Feldlerche, der Goldammer oder des Rebhuhns sind. Auch der weltweit beobachtete Rückgang von Blütenbestäubern wird in einen Zusammenhang mit dem Rückgang von Blütenpflanzen gestellt. Nicht zuletzt können unerwünschte Nebenwirkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auch für die behandelten landwirtschaftlichen Flächen selbst ein Problem darstellen, etwa über Beeinträchtigungen der Bodenfruchtbarkeit durch Schädigung wichtiger Bodenorganismen.

Häufigkeitsverteilung von Pflanzenschutzmittelfunden in oberflächennahen Grundwassermessstellen*
Häufigkeitsverteilung von Pflanzenschutzmittelfunden in oberflächennahen Grundwassermessstellen

Quelle: UBA

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass PSM ins Grundwasser versickern und somit über das Trinkwasser und/oder über landwirtschaftliche Produkte in Lebensmittel gelangen könnten. Für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist daher eine wichtige Voraussetzung, dass weder sein Wirkstoff noch dessen Abbauprodukte bestimmte Grenzwerte überschreiten und somit gesundheitliche Schäden verursachen können. Die zu erwartenden Konzentrationen in einzelnen Umwelthabitaten je nach Aufwandmenge und Art der Anwendung des jeweiligen Präparates werden mit Rechenprogrammen und durch experimentelle Daten im Voraus bestimmt.

PSM dürfen nicht ins Grund- und Trinkwasser gelangen. Die dennoch auftretenden Belastungen des Grundwassers werden im wesentlichen durch Herbizide und Wirkstoffe gegen bodenlebende Fadenwürmer (Nematizide) verursacht. Die Ursachen liegen nicht bei Anwendungsfehlern der Landwirte (punktförmige Einträge), sondern in der flächenhaften Ausbringung im Rahmen einer "ordnungsgemäßen Anwendung".

In den letzten Jahren gingen die Funde von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser kontinuierlich zurück, wie die Abbildung oben zeigt. Zwischen 2009 und 2012 (letzte vorliegende Daten) überschritten noch etwa 4,6 Prozent (%) der Proben im oberflächennahen Grundwasser den jeweiligen gesetzlichen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) bei mindestens einem Wirkstoff. Der Rückgang der Grundwasserbelastungen ist dabei wesentlich auf abnehmende Fundhäufigkeiten von Atrazin, Desethylatrazin und einigen wenigen anderen Wirkstoffen sowie deren Metaboliten (Abbauprodukte) zurückzuführen, deren Anwendung bereits seit Jahren oder sogar Jahrzehnten verboten ist (“Wasserwirtschaft in Deutschland, Teil 2“). Hier zeigt sich eine Verzögerung der ökologischen Prozesse, die die strenge Zulassung in Deutschland rechtfertigt. Moderne Pflanzenschutzmittel treten deutlich seltener im Grundwasser auf als ältere.

Für Oberflächengewässer wird die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln derzeit nur im Gewässermonitoring zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie systematisch erhoben. Da dazu nur größere Gewässer herangezogen werden, sind die Daten nicht dazu geeignet, um die Belastung der zahlreichen Kleingewässer in der Agrarlandschaft mit Pflanzenschutzmitteln abzuschätzen.

Weitere Informationen:

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