Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Europäische Union (EU)

Ein Verbund von selbständigen Staaten, die vertraglich den Grad ihrer Zusammenarbeit auf verschiedenen Feldern der Politik geregelt haben, und die der EU bestimmte Souveränitätsrechte übertragen haben. Die EU ist gleichzeitig ein Prozess, sowohl hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl, wie auch in bezug auf ihre Ausgestaltung. Somit ist die EU kein fertiges oder in sich geschlossenes Gebilde. Ihre Rechtsgrundlage setzt sich aus vier völkerrechtlichen Verträgen zusammen: EU-Vertrag, EG-Vertrag, EGKS-Vertrag und EURATOM-Vertrag.

War die politische Integration bis 1991 eher ein Ergebnis der wirtschaftlichen Integration der EG, so hat sich die Gemeinschaft mit der Vertragsreform von Maastricht zu einer politischen Union fortentwickelt. Ihr Kern bildet die in den kommenden Jahren fortzuführende bzw. zu schaffende Wirtschafts- und Währungsunion.

Im Gegensatz zur EG hat die EU keine Rechtspersönlichkeit, sie kann also mit Drittländern keine völkerrechtlichen Verträge schließen. Abkommen mit Drittstaaten bedürfen der Ratifizierung in allen beteiligten Staaten.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der EU-Binnenmarkt der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Erde. Als wichtigstes und auch haushaltstechnisch umfassendstes Arbeitsfeld gilt gegenwärtig die Gemeinsame Agrarpolitik.

Heute gehören 27 Staaten zur EU (2020). Sie haben insgesamt ca. 450 Millionen Einwohner/innen. Dies sind die Mitglieder der EU: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und der griechische Teil Zyperns.

Rolle der EU in der Agrifood-Kette

Für den Agrarbereich spielt die EU-Ebene aufgrund der Gemeinsamen Agrarpolitik eine herausragende Rolle, für den Ernährungsbereich ist dies hingegen nur eingeschränkt der Fall. Innerhalb der Exekutive ist in der EU-Kommission die Generaldirektion für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung (DG AGRI) für den Agrarbereich zuständig. Die Lebensmittelsicherheit und die Lebensmittelkennzeichnung fallen in den Geschäftsbereich der Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE). Für Umweltfragen ist die Generaldirektion Umwelt (DG ENV) zuständig. Da Ernährung weitgehend im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegt, sind auf EU-Ebene keine entsprechenden Kapazitäten in der Kommission angelegt.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) ist für die Bewertung von Risiken entlang der Wertschöpfungskette für Lebensmittel zuständig. Darüber hinaus gibt es auf EU-Ebene die „EU-Aktionsplattform für Ernährung, Bewegung und Gesundheit” (Platform for Action on Diet, Physical Activity and Health), die Leitlinien der „Hochrangigen Gruppe für Ernährung und Bewegung” (High Level Group on Nutrition and Physical Activity) der EU umfasst. Die Hochrangige Gruppe steht unter dem Vorsitz der Europäischen Kommission und setzt sich aus Vertretern der EU- und EFTA-Länder zusammen. Sie hält gemeinsame Sitzungen mit der EU-Aktionsplattform ab, in der auch Vertreter der Lebensmittelindustrie mitwirken. In den gemeinsamen Sitzungen werden bspw. Strategien der Lebensmittelindustrie zur Verbesserung der Ernährung beraten.

In der Gesetzgebung fällt die Agrarpolitik unter das sogenannte ordentliche Gesetzgebungsverfahren, bei dem das Europäische Parlament und der Rat (Ministerrat) gleichberechtigt entscheiden und die Kommission durch ihr Vorschlagsrecht eine starke Stellung hat. Im Europäischen Parlament gibt es einen Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI). Die Lebensmittelsicherheit und Umweltfragen werden im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) behandelt. Für Gesundheit gibt es keinen eigenen Ausschuss des EU-Parlaments. Auch gibt es auf EU-Ebene keinen Ausschuss, der sich speziell mit Ernährung befasst, da es sich, anders als bei der Agrarpolitik, nicht um einen vergemeinschafteten Politikbereich handelt. Die Judikative spielt auf EU-Ebene hingegen eine wichtige Rolle für Ernährungsfragen, da sie Entscheidungen trifft, die weitreichende Auswirkungen auf den Ernährungssektor haben. Als Beispiele können das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Genomeditierung sowie zur Lebensmittelkennzeichnung und -werbung genannt werden. (BueL 2020)

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