Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Umweltwirkungen

Auswirkungen menschlicher Tätigkeit auf terrestrische Systeme unterschiedlicher Art Größe und darin lebende Organismen. In einer allein aus natürlichen Ökosystemen bestehenden Umwelt konnte der Mensch nur als Jäger und Sammler existieren. Erst der Übergang zu Pflanzenbau und Viehhaltung ermöglichte den Menschen sich vom Zwang der eigenständigen Nahrungsbeschaffung zu befreien. Die zuverlässige Sicherung der Ernährung auch der nicht in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung durch die Landwirtschaft stellte die Grundlage unserer heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft dar. Die wachsende Produktion in Pflanzenbau und Tierhaltung ermöglichte die Ansammlung und Aufbewahrung größerer Nahrungsmittelvorräte und schuf damit die Voraussetzung für die räumliche Differenzierung in Stadt und Land sowie die Versorgung der immer stärker wachsenden Bevölkerung.

Die Befriedigung des elementaren Grundbedürfnisses der Nahrungsmittelversorgung besitzt daher einen hohen ökonomischen Stellenwert. Gleichzeitig ist sie von großer ökologischer Bedeutung, da die Nahrung nur durch mehr oder weniger starke Eingriffe in die natürliche Umwelt erzeugt werden kann.

Umwelt und Landwirtschaft
Umwelt und Landwirtschaft

Quelle: UBA 2021

Während die ökonomische Rolle der Landwirtschaft im Vergleich zum sekundären und tertiären Sektor in jüngerer Zeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, ist die ökologische Sonderstellung jedoch geblieben. Die Landwirte haben seit dem Beginn der landwirtschaftlichen Bodennutzung maßgeblich die Entwicklung und Gestalt des Raumes und der Landschaft bestimmt. Dadurch war und ist die Landbewirtschaftung zwangsläufig zugleich Umweltgestaltung. In Deutschland beispielsweise nutzt die Landwirtschaft ca. die Hälfte der Landesfläche. Dies kann zur Erhaltung der Natur, zur Schaffung und Entwicklung einer Kulturlandschaft, zur Erhöhung der Artenvielfalt, aber auch zur Beeinträchtigung der Natur und zur Umweltbelastung führen.

Neben diesen augenfälligen Wirkungen ist auch der Beitrag der Landwirtschaft zu globalen Klimaänderungen zu sehen: Von der Gesamtbelastung durch Spurengase in Höhe von 260 Mio. t CO2-Äquivalenten, verursacht durch den gesamten Komplex Ernährung in Deutschland, entfallen ca. 52 % auf das Konto der landwirtschaftlichen Produktion, ca. 6 % auf die industrielle und handwerkliche Weiterverarbeitung, 13% auf die Distribution und 29 % auf die Verbraucheraktivitäten.

Andererseits ist die Landwirtschaft durch ihre raumintensive Wirtschaftsweise unvergleichbar mehr als andere Wirtschaftszweige möglichen Umweltbelastungen oder Veränderungen der natürlichen Umwelt gegenüber exponiert.

Die Landwirtschaft ist somit gleichzeitig Verursacher von negativen externen Effekten (insbesondere die moderne Intensivlandwirtschaft), wie auch Opfer von Umweltbelastungen, und sie ist zusätzlich Produzent von positiven externen Effekten:

1. Umweltbelastungen durch die moderne Landwirtschaft (negative externe Effekte)

Entstehung der Todeszone im Golf von Mexiko: Schweinehaltung und intensiver Ackerbau

Entstehung der Todeszone im Golf von Mexiko: Schweinehaltung und intensiver Ackerbau

Vor dem Delta des Mississippi, hat sich eine 20.000 km² große Todeszone gebildet. Wie in jedem Sommer. Hier lebt kaum noch etwas. Die Ursachen liegen an Land – 2.000 km stromaufwärts. Dort, südwestlich der Großen Seen, liegt der Corn Belt, das Hauptanbaugebiet für Soja und Mais. Für den Anbau dieser Nutzpflanzen werden Unmengen von Kunstdünger und Schweinegülle eingesetzt, und hier konzentriert sich auch die US-amerikanische Schweinemast. Die Abfallprodukte dieser extrem intensiven Landwirtschaft, Nitrate und Phosphate, belasten das Grundwasser und fließen in das viertlängste Flusssystem der Erde: den Mississippi-Missouri, der südlich von New Orleans in den Golf von Mexiko mündet. Dort lassen sie das Meer umkippen – riesige sauerstofffreie Gebiete bilden sich, in denen kein Leben mehr möglich ist.

Quelle: Meeresatlas - Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean

Zu diesen von der Landwirtschaft direkt zu verantwortenden Umweltbelastungen treten jene, die durch Weiterverarbeitung und Transport von Nahrungsmitteln sowie das Verbraucherverhalten (z.B. Überkonsumption, Nachfrage nach veredelten Produkten) verursacht werden.

Wesentliche Triebkräfte der Veränderungen sind die Entwicklung und Übernahme mechanischer biologischer und chemisch-technischer Fortschritte, begünstigt durch eine Agrarpolitik, die lange Zeit durch vielfältige Maßnahmen Intensitätssteigerungen in der Landwirtschaft gefördert und durch die Agrarpreispolitik beschleunigt hat. Zudem steht die Landwirtschaft in einer starken Flächenkonkurrenz gegenüber den Ansprüchen von Siedlungen und Verkehr.

Die Folgen der intensiv-konventionellen Landwirtschaft (Lagerung und Vernichtung von Überschüssen, Reparatur von Umweltschäden) werden sozialisiert, d.h. sie sind über Steuern oder z.B. über höhere Preise für aufzubereitendes Trinkwasser zu finanzieren. Ursache dieser Entwicklungen ist vielfach die Auffassung, die Landwirtschaft unterläge den gleichen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wie die Industrie. Dem steht die Position gegenüber, daß die Erhaltung von Bodenfruchtbarkeit oder die Nachhaltigkeit der Produktionsmethoden mit bloßer Gewinnmaximierung und kurzfristigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht vereinbar sind. Schließlich gelten Nachhaltigkeit und das Ausmaß der Störung fremder Ökosysteme als die wichtigsten ökologischen Kriterien der landwirtschaftlichen Produktion.

2. Belastungen der Landwirtschaft durch Umwelteinflüsse

3. Positive Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt (positive externe Effekte)

Wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und ökologische Funktionen waren in der traditionellen Wirtschaftsweise durch das langfristige und intuitive Denken der Bauern miteinander verbunden (systemimmanente Leistungen) und wurden von der Gesellschaft wie selbstverständlich angenommen. Erst die Einschränkung oder der Verlust der positiven Funktionen der Landwirtschaft hat in der Gesellschaft ein Bewußtsein für die Notwendigkeit einer umweltverträglichen Landschaftsbewirtschaftung entstehen lassen. Zum Erhalt der genannten positiven Funktionen der Landwirtschaft und der Kulturlandschaft ist eine weitgehend flächendeckende Landbewirtschaftung unabdingbar. Hierzu müssen eigenständige, regionalspezifische, umwelt- und naturschutzpolitische Leitbilder entwickelt werden und in sozioökonomische Erfordernisse eingebunden werden. Beispielsweise sollten Wege gefunden werden, die Wohlfahrtswirkungen der Landwirtschaft über die Marktpreise zu honorieren und somit einkommenswirksam zu machen.

Entscheidungen im komplexen Konfliktfeld Landwirtschaft-Umwelt setzen verläßliche quantitative Informationen voraus. Diese können durch zu entwickelnde Agrar-Umwelt-Informationssysteme und deren Umweltindikatoren geliefert werden.

10 Dinge, die Sie im Alltag für eine gesündere und vielfältigere Landwirtschaft tun können:

  • Weniger, dafür artgerecht produziertes Fleisch essen
  • Regional und saisonal einkaufen
  • Bauernmärkte, Hofläden und andere Direktvermarktungsmöglichkeiten nutzen, den Kontakt zu den Erzeugern suchen und sich über die Herstellung informieren
  • Biolebensmittel kaufen (bevorzugt von den strengeren Zertifizierern wie Demeter, Bioland, Naturland) und die Mehrkosten durch weniger Fleisch, Fertigprodukte und Zuckerwaren wettmachen
  • Auch bei importierten Produkten FairTrade und Bio bevorzugen
  • Bewusst genießen, selber kochen, Reste verwerten und dadurch Abfall vermeiden (Klasse statt Masse)
  • Gleichgesinnte kennenlernen, etwa in Verbänden und Vereinen wie den örtlichen Gruppen von Slowfood Deutschland
  • Sich für einen politischen Wandel einsetzen, beispielsweise durch die direkte Ansprache lokaler Politiker oder Bundestagsabgeordneter oder durch Teilnahme an Protestveranstaltungen, wie der jährlich zur Grünen Woche in Berlin stattfindenden Demo unter dem Motto "Wir haben es satt".
  • In der örtlichen Mensa, Kantine und in der Gastronomie darauf hinwirken, dass vermehrt regionale und ökologisch produzierte Lebensmittel genutzt werden
  • Fragen, fragen, fragen: Bauern, Politiker, Metzger, in Supermärkten oder in der Gastronomie. Erkundigen Sie sich nach Qualität, Herstellung und Verarbeitung der Lebensmittel und machen Sie klar, dass Ihnen viel an einer ökologisch und ethisch vertretbaren Lebensmittelproduktion gelegen ist.

Quelle: ZEIT ONLINE

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