Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

industrialisierte Landwirtschaft

Syn. industrielle Landwirtschaft; Typ von Landwirtschaft mit großskaligen, industriespezifischen Produktionsweisen und folgender Verarmung an Biodiversität. Im Rahmen von Wertschöpfungsketten ist sie auf die Verarbeitung, den Verkauf sowie Export ausgerichtet.

Kennzeichen derartiger Betriebe:

Die Entwicklung zur industrialisierten Landwirtschaft betrifft nicht nur einige wenige, im Verlaufe dieses Prozesses entstandenen agrarindustrielle Unternehmen, sondern auch Betriebe, die sich z.B. in Familienbesitz befinden. In den USA ist dieser Prozess für die Mehrzahl der Betriebe vollzogen.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zu unterscheiden zwischen der Industrialisierung des Produktionsprozesses und der Herausbildung von Betriebsformen, die industriellen Charakter haben, eben den agrarindustriellen Unternehmen.

Ursachen des Industrialisierungsprozesses:

Trotz einiger Unterschiede im zeitlichen Ablauf und der Wirkung einzelner Faktoren besteht eine große Übereinstimmung in der Steuerung des Industrialisierungsprozesses der Agrarwirtschaft in den USA und der Bundesrepublik.

In den marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften ist es in Verbindung mit der Industrialisierung der Agrarwirtschaft nicht zur Ausbildung von städtischen Agglomerationen gekommen, die für die Industrie charakteristisch sind. Der Pflanzenbau bietet selbst in Regionen amerikanischer Großbetriebe zu wenige Arbeitsplätze. In der Nutztierhaltung kommt es zumeist aus seuchenhygienischen Gründen bzw. wegen der Notwendigkeit der Beseitigung und Verwertung der tierischen Exkremente nicht zu entsprechenden Verdichtungen.

Demgegenüber ist bei der Bildung von Sowchosen aus ideologischen Gründen (Auflösung der Unterschiede zwischen Landwirtschaft und Industrie) gezielt die Anlage von Agrostädten betrieben worden.

Eine Auswirkung des Industrialisierungsprozesses, die bislang in der Agrarwirtschaft nicht von großer Bedeutung war, ist die Überproduktion. Sie trat in den USA früher auf als in der EG. Folgen sind länger anhaltende Krisen mit Betriebszusammenbrüchen, zunehmende Verschuldung und eine Reduzierung der Produktionseinheiten. Durch die technologische Entwicklung werden immer neue Produktionssteigerungen möglich, so daß sich die Agrarwirtschaft in einer overproduction trap befindet.

Die beständige Reduzierung der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe als Folge des Industrialisierungsprozesses kann gravierende soziale und raumstrukturelle Folgen haben. Soziale Isolation der verbleibenden Landwirte, nahezu völlige Entleerung in manchen Gebieten, wachsende Marginalisierung der Produktionsräume und Identitätsverluste sind deutliche Entwicklungen in den USA. Vergleichbare Entwicklungen werden auch für Deutschland befürchtet.

Zu den ökologische Auswirkungen gehören in den USA vor allem Bodenerosion, Bodenversalzung sowie Einträge von Agrarchemikalien in das Grundwasser, in der Bundesrepublik vornehmlich Probleme mit der Verwendung tierischer Exkremente. Dazu treten ungelöste tierethische Fragen im Zusammenhang mit der Massentierhaltung.

Von Kritikern wird für die industrielle Landwirtschaft u. a. die Gefahr gesehen, daß landwirtschaftliche Produkte mit industriellen Werkstücken auf eine Stufe gestellt werden, die in einer Fabrik am Fließband oder mit Robotern zu jeder Zeit in gewünschter Menge hergestellt werden. Eine solche Auffassung führt zwangsläufig dazu, aus Rohstoffen, Ressourcen und Nutztieren das Äußerste herauszuholen. Die gleiche Befürchtung gilt für manche, nicht der Nachhaltigkeit verpflichtete Formen der internationalen Forstwirtschaft.

(s. a. Agribusiness)

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