Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Gülle

Gülle, auch Flüssigmist genannt, bezeichnet ein bei der landwirtschaftlichen Viehhaltung anfallendes Gemisch von Kot, Harn und feinem Streumaterial, verdünnt mit dem Wasser, das zur Reinigung der Spaltenböden der Boxen von Rindern und Schweinen eingesetzt wird. Gülle kann als Wirtschaftsdünger benutzt werden.

Nach Ergebnissen der Landwirtschaftszählung fielen in Deutschland 2020 188 Millionen Kubikmeter flüssiger Wirtschaftsdünger an. Besonders in den Veredlungsregionen fällt in den Betrieben häufig mehr Wirtschaftsdünger an als zur Düngung der Flächen im Betrieb erforderlich ist. Die überschüssigen Mengen werden an andere Landwirte abgegeben. 2020 waren das 46,8 Millionen Kubikmeter flüssiger Wirtschaftsdünger wie Gülle, Jauche oder Biogas-Gärrest. Aufgenommen von Dritten haben landwirtschaftliche Betriebe 2020 sogar 68,6 Millionen Kubikmeter. Die Differenz ist auf die Einfuhr von Wirtschaftsdüngern aus Nachbarländern zurückzuführen. Die von landwirtschaftlichen Betrieben aufgenommenen flüssigen Wirtschaftsdünger Dritter machten 2020 ein gutes Drittel (37 Prozent) der auf den Feldern ausgebrachten Mengen aus.

Wie viel Wirtschaftsdünger wird auf deutschen Äckern und Grünland ausgebracht?

Wie viel Wirtschaftsdünger wird auf deutschen Äckern und Grünland ausgebracht?

Im Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 wurden insgesamt rund 209 Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger auf Acker- und Dauergrünland ausgebracht. Der Großteil sind flüssige Wirtschaftsdünger wie Rinder-, Schweine- und sonstige Gülle, Jauche sowie flüssiger Biogas-Gärrest (188 Millionen Tonnen). Ihr Anteil an der gesamten Ausbringungsmenge von Wirtschaftsdüngern betrug rund 90 Prozent.

Rund zehn Prozent des Wirtschaftsdüngers wird in fester Form ausgebracht (21 Millionen Tonnen). Dazu zählen Festmist, Geflügeltrockenkot und fester Biogas-Gärrest.
Anmerkung: Flüssige Wirtschaftsdünger wurden mit einem Verhältnis von 1:1 von Kubikmeter in Tonnen umgerechnet.

Quelle: BLE

Die Schaffung ausreichenden Lagerraums ist die Voraussetzung für Gülledüngung zu optimalen Zeitpunkten. Der Behälterraum soll mindestens für eine sechsmonatige Lagerung ausreichen, um Gülle gezielt während der Wachstumszeit ausbringen zu können. Unter ungünstigen Bedingungen (z.B. lange Winterperiode, hoher Maisanteil in der Fruchtfolge) ist mehr Lagerraum nötig. Die Lagertanks sollten wegen der Stickstoff- und Geruch-Emissionen generell geschlossen sein. Waldschäden um offene Gülletanks in Regionen mit intensiver und bodenunabhängiger Viehhaltung sind belegt. Als Abdeckungen bieten sich an Strohhäckseldecken und Pegülit-Schüttungen, ferner Schwimmfolien und als teuerste und wirksamste Lösung Zeltdächer.

Wieviel Gülle anfällt, hängt hauptsächlich von der Tierart und der zufließenden Wassermenge ab.

Mit Gülle wird viel schnellverfügbarer Stickstoff in Form von Ammonium (NH4) ausgebracht. Seine Wirkungsweise ist vergleichbar mit der mineralischer N-Dünger. Die Ausbringzeiten von Gülle zu den einzelnen Kulturpflanzen sind daher dieselben wie bei mineralischer N-Düngung. Der organisch gebundene Stickstoff der Gülle wirkt langsam. Dies führt langfristig zur Erhöhung der Stickstoffnachlieferung aus dem Boden. Es ist daher eine geringere mineralische N-Düngung in konventionell wirtschaftenden Betrieben erforderlich. Phosphat und Kali der Gülle wirken gleich wie Phosphat und Kali aus Mineraldünger.

Jeder Nährstoffverlust vermindert die Ertragswirksamkeit der Gülle und erhöht die Belastung der Umwelt. Hohe gasförmige Stickstoffverluste treten bei heißer, windiger Witterung und dickflüssiger Gülle hauptsächlich dann auf, wenn die Gülle nicht schnell in den Boden eindringen kann. Sofort nach der Ausbringung ist die Abgasung von Ammoniak am größten. Bereits nach wenigen Stunden kann bei ungünstigen Bedingungen der gesamte Ammonium-N verlorengehen. Abhilfe bringt vor allem die sofortige flache Einarbeitung. Ist diese nicht möglich, sollte die Ausbringung bei windstiller, kühler Witterung und bei offenem Boden erfolgen. Zugleich wird dadurch die Geruchsbelästigung beseitigt bzw. vermindert.

Vor allem hinsichtlich der Umwelt- und Düngeaspekte sind neuere Techniken der Gülle-Verteilung, wie Schleppschlauchverteiler, Schleppschuhgeräte oder Schlitzdrillmaschinen den konventionellen Breitverteilern (Prallbleche, Prallköpfe, Schwenkdüsen und Düsenbalken) oder gar der Gülleverregnung deutlich überlegen. Zudem erlaubt ihre Kombination mit Verfahren des Precision Farming eine räumlich gezielte Ausbringungsmenge in Abhängigkeit vom Nährstoffbedarf oder von der Bodenqualität. Die neuen, bodennahen Ausbringungstechniken sind gegenüber herkömmlichen Techniken mit zusätzlichen Kosten verbunden. Dazu kommen u. U. Nachteile wie Verstopfungsgefahr und der Einsatz schwerer Zugmaschinen.

Gülleüberschüsse

Gülleüberschüsse einzelner Regionen können durch Güllebanken, -börsen und -aufbereitungsanlagen abgebaut und umverteilt werden. In den Niederlanden wurden bereits 1995 20 Mio. t Gülle umverteilt. Auch in Deutschland gibt es diese Praxis vereinzelt auf Kreisebene.

Gülleexport aus der Region Weser-Ems

In der Weser-Ems-Region liegt das Zentrum der niedersächsischen Fleischproduktion. Hier werden die meisten der fast 65 Millionen Masthühner und 9 Millionen Schweine gehalten. Für den Arbeitsmarkt ist die Tierhaltung besonders in den Kreisen Cloppenburg, Oldenburg und Emsland von erheblicher Bedeutung.
In Monokultur angebauter Mais ist wegen seines hohen Flächenertrags bei Futtermittelbetrieben beliebt. Zusätzlich verträgt sie eine großzügige Düngung mit Gülle, die es im Masttierland Niedersachsen im Überfluss gibt. Die starke Düngung mit Gülle belastet allerdings Böden und Gewässer. Monokulturen verringern die landschaftliche Vielfalt und damit auch den Lebensraum für Wildtiere.
Im Weser-Ems-Raum und insbesondere in den Landkreisen Cloppenburg, Emsland und Vechta fehlen nach dem Nährstoffbericht 2014 allein 65.000 Hektar, um den Phosphorüberschuss in Gülle und Gärresten fachgerecht auszubringen. Dies macht einen Export von Gülle in andere Gebiete nötig.

Quelle: Fleischatlas 2016

Wie kritisch sind die Gülletransporte zu bewerten?

Über den Transport von Gülle werden organische Dünger aus Gebieten mit einem Überangebot in Gebiete mit einem Nährstoffbedarf befördert. Dadurch kann die Mineraldüngeranwendung in diesen Regionen verringert werden. Problematisch ist allerdings die zum Teil extreme Ungleichverteilung zwischen den Orten des Gülleanfalls und den Orten des Güllebedarfs. Mitunter liegen mehrere Hundert Kilometer dazwischen.

Hier stößt das System der Gülletransporte an seine Grenzen. Denn je weiter die Gülle in die Bedarfsregionen transportiert werden muss, umso unwirtschaftlicher wird der Transport und umso größer werden auch die Umweltbelastungen, die durch den LKW-Verkehr entstehen.

Nicht selten kommt es auf den Transporten zu Unfällen, mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Laut Statistischem Bundesamt traten im Jahr 2015 bei 92 Unfällen rund 9,6 Millionen Liter Jauche, Gülle und Silagesickersäfte sowie vergleichbare Stoffe unkontrolliert in die Umwelt aus.

Auswege aus dem Gülletransport-Dilemma

Bei Gülletransporten wird vor allem Wasser durch die Gegend gefahren. Gülle besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Die Nährstoffe und festen organischen Bestandteile der Gülle, um die es den abnehmenden Betrieben im Wesentlichen geht, machen gerade mal 10 Prozent des Transportgewichts aus.

Unproblematischer für Umwelt und Geldbeutel wäre es daher, wenn man der Gülle vor dem Transport das Wasser entziehen und nur die organischen Bestandteile und Nährstoffe transportieren würde. Erste innovative Vefahren dazu gibt es bereits.

Umwelt- und Bioverbände vertreten die Meinung, dass man die Nitratproblematik und den "Gülletourismus" nur durch eine konsequente Bindung der Tierzahlen an die landwirtschaftliche Fläche in den Griff bekommen kann. Betriebe dürften danach nur so viele Tiere halten, wie sie auch deren Dung auf den ihnen zur Verfügung stehenden Fläche verwerten können – ohne damit den Boden zu überfrachten.

Solche eine Flächenbindung der Tierhaltung existiert im Ökolandbau. Ökobetriebe dürfen maximal zwei Großvieheinheiten – das entspricht etwa zwei Kühen oder zehn schlachtreifen Mastschweinen – je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche halten. Dabei muss ein Großteil des Futters von diesen Flächen stammen. (BLE)

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