Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Weidewirtschaft

Formen der Viehhaltung, bei denen keine monatelange Einstallung des Viehs erfolgt, dieses vielmehr auf umfangreichem Weideland gehalten wird. Dennoch können einfache Hütten vorhanden sein, die dem Vieh als Schutz vor Unwettern dienen oder dem Aufenthalt von Jungtieren sowie von kranken Tieren. Verschiedentlich sind die Hütten auch mit technischen Einrichtungen versehen und dienen dem Melkbetrieb. Grob können folgende Weidewirtschaftssysteme unterschieden werden:

Fleisch- und Milchproduktion durch standortgemäße Weidehaltung von Raufutterfressern (Rinder, Schafe, Ziegen) konkurriert nicht mit dem Getreideanbau um Ackerfläche und liefert vor allem in Entwicklungsregionen einen Großteil tierischer Produkte. Unter den Gesichtspunkten Energieeffizienz, Tragfähigkeit und Ökologie ist die Weidehaltung wegen ihrer Schonung ackerbaulicher Flächen zugunsten der Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln und dem Verzicht auf Futtermittelimporte aus Übersee vorteilhaft.

Durch die beispielsweise in Mitteleuropa seit Jahrtausenden betriebene Weidewirtschaft wurde ebenso wie durch den Ackerbau entscheidender Einfluß auf die Entstehung der Kulturlandschaft genommen. Die Beweidung mit Rindern, Pferden, Schweinen, Ziegen, Schafen sowie Holzeinschlag und Brand drängten den Wald immer mehr zurück. In den Wäldern, in denen das Vieh (meist frei) weidete, kam es kaum noch zu einer Naturverjüngung der Waldbäume, da die Tiere sowohl die schmackhaften Samen und Früchte (Eicheln, Nüsse, Bucheckern usw.) als auch die frischen Triebe der meisten Jungbäume den teilweise bitteren Waldkräutern vorzogen. Auch ältere Bäume wurden so weit geschädigt, daß sie abstarben, weil ihre Rinde vor allem von Ziegen und Pferden abgeschält wurde. So wurden besonders auf ärmeren Böden innerhalb weniger Baumgenerationen aus dichtgeschlossenen Wäldern aufgelockerte Parklandschaften oder weitgehend gehölzfreie Triften.

Die hierdurch ausgelösten Veränderungen der Lichtverhältnisse, des Kleinklimas und des Bodens ermöglichten es, daß sich die ursprünglich auf Waldlichtungen und lichte Wälder beschränkten Pflanzenarten und -gesellschaften ausbreiteten und für den Wald nichttypische Dünen- und Steppenpflanzen vordringen konnten. So entstanden neue, artenreiche Lebensräume.

Im Kontext des Einflusses von Weidetieren auf Standort, Vegetation und Struktur, welcher in entscheidendem Maße von der Zahl der Tiere bestimmt wird, haben die beiden unterschiedlichen Begriffe Besatzstärke und Besatzdichte große Bedeutung. Spatz (1994) definiert die Besatzstärke als die mittlere Zahl an Tieren pro ha, die während der Vegetationszeit ausschließlich auf der Weide ernährt werden. Unter Besatzdichte versteht man den Viehbestand, der gleichzeitig (zu einem bestimmten Zeitpunkt) auf einer Weide oder einem Weideteil aufgetrieben ist. Wird z.B. die gesamte verfügbare Weidefläche der Herde als Standweide während der Vegetationsperiode zur Verfügung gestellt, so entspricht die Besatzdichte der Besatzstärke. Wird dagegen das Weidegebiet in Koppeln unterteilt bzw. portioniert zugeteilt, wie bei der Hüteschafhaltung, so ist die Besatzdichte während der Beweidung höher als die durchschnittliche Besatzstärke.

(s. a. Almwirtschaft)

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