Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Transhumanz

Dem Nomadismus ähnliche Fernweidewirtschaft, doch bleiben die Herdenbesitzer seßhaft und betreiben Ackerbau; die Viehhaltung ist nicht der einzige Erwerbszweig. Der meist ganzjährige Weidegang mit Hirten oder Viehpächtern führt ohne Bindung an den Landbesitz der Herdeneigentümer über die Gemarkungs- und oft über Staatsgrenzen hinweg (trans humus = jenseits der bebauten Erde) in saisonal wechselnde Weidegebiete. Dieser Wechsel ist bedingt durch die unterschiedliche Lage der Weiden nach Meereshöhe, thermischen, hygrischen oder auch agrarwirtschaftlichen Verhältnissen. Transhumanz ist in den winterkalten Gebieten nicht möglich. Besitzer transhumanter Herden können Ackerbauern, reine Viehzüchter oder auch nichtagrare Berufsgruppen sein.

In Europa ist diese Form extensiver Viehwirtschaft fast in allen ihren Verbreitungsgebieten im Schwinden begriffen.

Bei der traditionellen Transhumanz ist wie beim Nomadismus ein ganzjähriger Weidegang gegeben. Bei modernen und intensiveren Formen der Transhumanz ist eine Einstallung des Viehs während der ungünstigen Jahreszeit aus agrarwirtschaftlichen und für kurze Zeit auch aus klimatischen Gründen möglich.

Die Siedlungen sind im Gegensatz zum Nomadismus bei der Transhumanz zumindest am Hauptbetriebsort immer bodenstet. An den übrigen Betriebsorten können die Hirten außer in festen Behausungen auch in Zelten, bodenvagen Hütten oder mitgeführten Karren leben. Am Hauptbetriebsort, an dem auch Anbau betrieben werden kann, sind die Siedlungen meist permanent und an entfernteren Weideplätzen dagegen saisonal bewohnt.

Mit der Almwirtschaft hat die Transhumanz gemeinsam, daß sie im wesentlichen auf die Alte Welt beschränkt ist und genetisch mit dem hier entwickelten Pflugbau zusammenhängt. Ferner sind beide für Hochgebirge und höhere Mittelgebirge charakteristisch, und beide nutzen die Gebirgshöhen über der oberen Grenze des Ackerbaus bzw. der Waldwirtschaft als Weideland. Während jedoch bei der Almwirtschaft das Vieh im Winter in den Taldörfern eingestallt wird, benutzt man bei der Transhumanz die benachbarten Ebenen als winterliche Weidegebiete. Beispielsweise waren in Südfrankreich drei Gebiete besonders stark durch die Transhumanz geprägt: die Provence, das Languedoc und das südliche Aquitanien. Die jeweiligen Ergänzungsräume sind die Alpen, das südliche Zentralmassiv (Cevennen) und die Pyrenäen. Im mediterranen Raum und von hier aus einerseits über Vorderasien bis nach Zentralasien, andererseits von Südosteuropa in den karpatischen Raum übergreifend, kommen beide Formen nebeneinander vor, die Almwirtschaft als die intensivere, die Transhumanz als die extensivere. In Ost- und Südostasien fehlen beide Formen der Hochgebirgsweidewirtschaft. In Latein- und Nordamerika stellte sich die Transhumanz in beschränktem Umfang nach der europäischen Kolonisation und Erschließung ein.

Man unterscheidet die normale oder aufsteigende Transhumanz, bei der die Vieheigentümer beispielsweise am südlichen Alpenrand wohnen und die Tiere (meist Schafe) unter Aufsicht von bezahlten Hirten im Sommer auf die Almen und im Winter auf Weiden in tiefen Lagen schicken von der inversen oder absteigenden Transhumanz. Dabei leben die Besitzer der Tiere in einem Bergdorf und die Wanderung der Tiere vollzieht sich gegenläufig.

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