Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Niedermoor

Der Begriff steht zum einen für einen biogeographischen Landschaftstyp mit ausgeprägtem Feuchtgebietscharakter und entsprechender Vegetation. Zum anderen bezeichnet der Begriff in der Bodenkunde einen Bodentyp.

Niedermoore (früher auch Flachmoore) sind demnach Böden, die sehr große Mengen (über 30%) an organischem Material als Torf enthalten. Den Namen Niedermoor trägt dieser Moortyp wegen seiner größtenteils niederen Erscheinungsform (waagerechte oder schüsselförmige Oberfläche). Es existieren in der Literatur jedoch auch Meinungen, die die Bezeichnung "Nieder-" darauf zurückführen, dass diese Moore am häufigsten in Niederungen anzutreffen sind. Weitere, z.T. regionale Bezeichnungen sind: topogenes Moor (gelände- oder reliefabhängig), minerotrophes Moor, limnisches Moor, subaquatisches Moor, Tiefmoor, Talmoor, Wiesenmoor, Grünlandmoor, Grasmoor, Seggenmoor, Riedmoor (veraltet, nach dem Ausgangsmaterial benannt), Fen, Fenn, Fehn, Veen, Luch, Bruch, Moos.

Charakteristik

Niedermoortorfe besitzen eine typisch dunkelbraune bis schwarze Farbe. Je nach Erhaltungszustand sind die Torf bildenden Pflanzenteile mit bloßem Auge mehr oder weniger gut erkennbar. Der Untergrund von Niedermooren kann aus Sand, Schluff, Lehm und Ton bestehen - oder auch aus ganz besonderen, in Seen abgelagerten Materialien, den Mudden. Diese Mudden können je nach Ausgangsmaterial weiß (Kalkmudde), oliv (Lebermudde aus Algen) oder dunkelbraun (Tonmudde) gefärbt sein.

Niedermoore sind deutlich nährstoff- und basenreicher als Hochmoore. Durch die Verbindung zum Grundwasser oder zu Still- oder Fließgewässern erhalten sie eine stetige Zufuhr von gelösten Mineralien, die bis in die oberen Torfschichten gelangen. Nährstoffgehalt und Bodenreaktion von Niedermooren sind abhängig vom geologischen Untergrund und können stark variieren, was sich auch in den unterschiedlichen Pflanzengesellschaften der Niedermoore widerspiegelt. Niedermoor-Torfe haben eine vergleichsweise geringe Mächtigkeit und liegen dem mineralischen Untergrund auf.

Das Normniedermoor besitzt ein nHw/(nHr/)(IIfF/) …-Profil, ist basenreich und kalkfrei. Das vorangestellte n steht für Niedermoor, der F-Horizont befindet sich am Gewässergrund und enthält mehr als 1 Masse-% organische Substanz. 

Vegetation

Durch den im Vergleich zu den Hochmooren größeren Nährstoffreichtum und den höheren pH-Wert  bieten Niedermoore einer Vielzahl von Pflanzen Lebensraum. Die Vegetation ist zumeist von Klein- oder Großseggen oder Röhrichtarten dominiert. Je nach Standortbedingungen bilden sich Pflanzengesellschaften beispielsweise aus Binsen, Schilf, Rohrkolben und sogar aus Bäumen wie Erlen, Moorbirken und Weiden. Auch Bruchwälder können sich ausbilden. Hier wird Jahr für Jahr sehr viel Pflanzenmasse produziert. Schilfflächen und Röhrichte bringen es auf bis zu 16t/ha Pflanzen-Trockenmasse pro Jahr! Damit entsprechen sie in ihrer Produktivität den Laubwäldern. Dies ist wichtig, weil die Pflanzen während ihres Wachstums permanent CO2 aus der der Atmosphäre ziehen und dieses speichern. Die als Torf konservierten Pflanzenreste speichern den Kohlenstoff dauerhaft, bzw. bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Torf austrocknet. Denn unter Sauerstoffeinfluss werden die Pflanzenreste zersetzt und das CO2 wird wieder in die Atmosphäre freigesetzt.

Entstehung

Niedermoore entstehen z.B. bei der Verlandung von Gewässern (Verlandungsmoore), unter dem Einfluss von ansteigendem Grundwasser (Versumpfungsmoore), im Quellwasserbereich (Quellmoore), in kesselförmigen Senken kleinerer Einzugsgebiete, wo sich das Wasser sammelt (Kesselmoore), oder im Auenbereich von Flüssen, wo es häufig zu Überflutungen kommt. In Mittelgebirgen findet man an Stellen, wo ständig Hangwasser zufließt und die Versickerung eingeschränkt ist, die meist geringmächtigen Hangmoore. Das für die Niedermoorbildung ausschlaggebende Wasser, welches immer relativ reich an löslichen Stoffen ist, die es dem von ihm durchströmten oder überrieselten Mineralboden entnommen hat, ist entscheidend für seinen Nährstoffstatus. Je nach Nährstoffgehalt dieses Wassers und der damit gebildeten Torfe kann man eutrophe (nährstoffreiche) sowie meso- und oligotrophe (mäßig nährstoffreiche und nährstoffarme) Moore unterscheiden. Dabei kann hoher Calciumgehalt mit Armut an anderen wichtigen Nährstoffen, wie z.B. Stickstoff, Phosphor und Kalium einhergehen, so daß es kalkreich- und kalkarm-oligotrophe bzw. -mesotrophe Niedermoore gibt.

Verbreitung

Weltweit sind Niedermoore vor allem in den kühlen und feuchten Klimaten der Nordhalbkugel zu finden. Dort herrscht stets Wasserüberschuss, weil mehr Niederschlag fällt als verdunstet. In Deutschland nehmen Niedermoore eine Fläche von etwa einer Million Hektar ein. Die meisten und größten Moorflächen von bis zu 30.000 Hektar finden sich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Bayern und Baden-Württemberg.

Niedermoor - Vorkommen in Deutschland
Niedermoor - Vorkommen in Deutschland

Die meisten und größten Moorflächen von bis zu 30.000 Hektar finden sich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern.

Quelle: © BGR Hannover

Nutzung und Funktionen

Natürliche Niedermoore sind ökologisch sehr wertvoll. Mit den hohen Wassergehalten und den besonderen Nährstoffverhältnissen kommen nur angepasste, meist selten vorkommende Spezialisten der Tier- und Pflanzenwelt zurecht. Dazu gehören der Große Feuerfalter, das Wollgras und die Seggen. In mächtigen Niedermooren sind bis zu 2.000 Tonnen Kohlenstoff je Hektar festgelegt. Sie sind damit weltweit die größten Kohlenstoffspeicher pro Flächeneinheit.

An der Zusammensetzung von Torfen lassen sich frühere Vegetations- und Klimaverhältnisse ablesen. Nicht selten finden sich auch Spuren ehemaliger Nutzung und Besiedlung. Niedermoore sind daher wichtige Archive der Natur- und Kulturgeschichte.

Damit Niedermoore für Land- oder Forstwirtschaft oder für Siedlungen nutzbar wurden, mussten sie durch Gräben oder Dräne entwässert werden. Dadurch veränderten sich ihre Eigenschaften erheblich, oft irreversibel. Die in Deutschland gebräuchlichsten Verfahren der Niedermoorkultivierung waren die Schwarzkultur und die Sanddeckkultur. Die meisten Niedermoore Deutschlands werden derzeit als Grünland in unterschiedlicher Intensität genutzt.

Torf aus Niedermooren wird seit über 1.000 Jahren als Brennstoff, Heilmittel und Dünger verwendet. Bis Mitte des letzten Jahrhunderts wurde der Torfabbau industriell betrieben. Auch Raseneisenstein, eine Bildung in Niedermooren mit eisenreichem Grundwasserzufluss, und Kalkmudde wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts abgebaut. Heute wird Niedermoortorf in Deutschland nur noch auf sehr wenigen Flächen für medizinische Zwecke gewonnen. Wegen ihrer Seltenheit stehen intakte, naturnahe Niedermoore in Deutschland heute unter Naturschutz.

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